Schweiz
Deutschland

SBB legt Rekurs gegen Stadler Rail ein

Rekurs gegen SBB-Grossauftrag nach Deutschland: Peter Spuhler hat entschieden

Bei Siemens im deutschen Krefeld statt bei Stadler Rail in der Ostschweiz sollen 116 S-Bahn-Züge gebaut werden. Dieser Entscheid der SBB sorgte landesweit für Kontroversen. Jetzt ist die 20-tägige Rekursfrist abgelaufen.
28.11.2025, 08:5228.11.2025, 08:52
Patrik Müller / ch media

Soll Stadler Rail den Gerichtsweg beschreiten und gegen den milliardenschweren Vergabeentscheid der SBB rekurrieren? Stadler-Patron Peter Spuhler war am Donnerstag mit Bundesrat Guy Parmelin in Kasachstan, als die Einsprachefrist ablief. Der Wirtschaftsminister ist zusammen mit einer Unternehmer-Delegation in Astana auf Arbeitsbesuch. Deshalb wollte Spuhler zur Frage des Rekurses keine Stellung beziehen.

HANDOUT - Die SBB ersetzt die Doppelstockzuege der ersten Generation der Zuercher S-Bahn: Sie hat am Freitag, 7. November 2025, den Auftrag fuer 116 neue Fahrzeuge an den Hersteller Siemens Mobility v ...
Diese Züge möchten die SBB bestellen: Die S-Bahnen von Siemens.Bild: keystone

Doch gemäss Informationen von CH Media hat er sich entschieden, den Vergabeentscheid anzufechten. Leicht fiel dieser Beschluss offenbar nicht. 21 Bundesordner füllt das Vergabe-Dossier, bei dem es um die Bestellung von 116 Doppelstock-S-Bahn-Zügen geht. Ingenieure und Juristen wühlten Tausende Seiten durch, um Angriffsflächen zu finden, die einen Rekurs vor Gericht zum Erfolg führen könnten.

Peter Spuhler, Verwaltungsratspraesident der Stadler Rail waehrend einer gemeinsamen Praesentation der SBB, Thurbo und RegionAlps von neuen Flirt Evo Zuegen der Stadler Rail, in der Instandhaltungsanl ...
Stadler-Patron Peter Spuhler.Bild: keystone

Kurz nach Bekanntwerden der Vergabe an den deutschen Siemens-Konzern zeigte sich Peter Spuhler angriffig. Er sprach in der «SonntagsZeitung» von einem «Fehlentscheid» der SBB. Es schien nur Formsache, dass bald ein Rekurs eingelegt würde. Doch nichts passierte. Die Medienstelle sagte auf Anfrage Tag für Tag, man kommuniziere «zu gegebener Zeit».

Zuerst gezögert, jetzt entschieden

Stadler wollte nicht leichthin oder nur aus Prinzip Rekurs einlegen, sondern nur, wenn echte Chancen bestehen, die Auftragsvergabe an den deutschen Konkurrenten abzuwenden.

Trotz zwischenzeitlichen Zögerns obsiegte am Ende der Kampfeswille. Auf Anfrage will sich das Unternehmen nicht zu diesen Informationen äussern. Stadler stellt aber eine baldige offizielle Kommunikation in Aussicht.

Experten haben für uns eingeschätzt, wie aussichtsreich der Rekurs ist:

sbb doppeldecker zug
Die bisherigen Doppelstock-Züge der S-Bahn Zürich sollen ersetzt werdenBild: sbb

Der Vergabeentscheid hatte vor drei Wochen für Unverständnis und Empörung gesorgt, bei Politikern von links bis rechts. Die Kritik entzündete sich hauptsächlich an zwei Punkten: der minimalen Preisdifferenz und dem fehlenden Prinzip der «Swissness» im öffentlichen Beschaffungswesen.

  • Knappe Entscheidung: Die SBB gaben bekannt, Siemens habe das «vorteilhafteste Angebot» gemacht – bei Investitionskosten, Instandhaltung, Energieverbrauch und Nachhaltigkeit. Doch bei den Anschaffungskosten war Siemens nur 0,6 Prozent günstiger, obwohl die Lohnkosten in Bussnang TG und St.Margrethen SG deutlich höher sind als in Krefeld.
  • Swissness-Debatte: In der Öffentlichkeit herrschte Unmut darüber, dass bei einem Auftrag dieser Grössenordnung die inländische Wertschöpfung und die Arbeitsplätze kein Kriterium sind. Die SBB betonen, dass das geltende Beschaffungsrecht eine Bevorzugung inländischer Anbieter untersagt.
Vincent Ducrot, CEO SBB, informiert ueber die Vergabe der Produktion von 116 Doppelstockzuegen fuer die Zuercher S-Bahn und die Westschweiz an Siemens Mobility, am Freitag, 7. November 2025 am SBB Hau ...
CEO der SBB, Vincent Durcrot.Bild: keystone

SBB-CEO Vincent Ducrot geriet in die Kritik und musste sogar Morddrohungen hinnehmen. Die Bundesbahnen verteidigten ihre Entscheidung. Um die Gemüter zu beruhigen, teilten sie mit: «Es war – im Unterschied zu früheren öffentlichen Ausschreibungen – kein Kopf-an-Kopf-Rennen: Der beste Anbieter hat in Summe klar am meisten Punkte erzielt bei den Kriterien, mit denen alle einverstanden waren.»

Wer bei den SBB den Entscheid traf

Für die SBB-Verantwortlichen seien die heftigen politischen und medialen Reaktionen belastend, ist zu hören. Zugleich ist man in der Zentrale der Bundesbahnen überzeugt, dass der Vergabeentscheid einem Gerichtsverfahren standhalten würde.

Das Projektteam für das S-Bahn-Dossier umfasste mehr als 100 Personen. Ihr Entscheid musste durch die interne Revision gehen, die als penibel und risikoavers gilt: «Wenn es dort durchkommt, ‹verhebt› es.»

Die interne Revision berichtet direkt an Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar. Sie selbst war aber nicht in den Entscheid zugunsten von Siemens involviert. Ebenso wenig – und dies mag erstaunen – die SBB-Konzernleitung mit CEO Vincent Ducrot.

Der formelle Vergabeentscheid fiel gemäss SBB-Angaben eine Hierarchieebene tiefer, trotz des Volumens von über 2 Milliarden Franken: in der Leitung der Division Personenverkehr von Reto Liechti, der erst seit Ende Juni 2025 im Amt ist.

Blick in ein Abteil der 2. Klasse der Züge, welche die SBB beschaffen möchten.
Blick in ein Abteil der 2. Klasse der Züge, welche die SBB beschaffen möchten.Bild: SBB/Siemens

Forderungen nach Transparenz über den Entscheid – etwa wie genau die insgesamt 1000 Punkte verteilt wurden – weisen die SBB zurück. Diese Dokumente seien vertraulich.

Grösserer Unterschied bei Unterhaltskosten

Aus dem Innern der Bundesbahnen ist zu hören, dass die Kaufpreise der Züge bei beiden Offerten tatsächlich nahe beieinander lägen. Aber über eine Betriebsdauer von 25 Jahren fallen nicht nur die Anschaffungskosten ins Gewicht, sondern auch die Instandhaltungs- und Unterhaltskosten. Hier hat Siemens gemäss verlässlichen Informationen deutlich günstiger abgeschnitten, teilweise im zweistelligen Prozentbereich. Ob dieser Vorsprung im Rekursverfahren für Stadler zur unüberwindbaren Hürde wird?

Nicht unbedingt. Die SBB mussten anhand der schriftlichen Offerten die Punkte vergeben. Es gibt Stimmen, die sagen: Siemens habe die Unterhaltskosten unrealistisch tief angesetzt. Im Nachhinein könne alles teurer werden. Stadler wiederum habe verlässlichere Angaben gemacht, weil das Unternehmen breite Erfahrung im Betrieb und Unterhalt von Zügen in der Schweiz habe.

Mit dem Entscheid von Stadler Rail, Rekurs einzulegen, verlagert sich der Streit aus der Öffentlichkeit zu den Gerichten. Der Rekurs wird beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.

Das Verfahren könnte die Beschaffung der Züge verzögern. Für die SBB ist das heikel. Die neuen Züge sind Teil der Flottenerneuerung im Agglomerationsverkehr. Ein langes Rekursverfahren könnte geplante Angebotsausbauten bremsen und die Einführung der neuen S-Bahn-Generation um Jahre verschieben. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die watson Lokomotive!
1 / 8
Die watson Lokomotive!
Darf ich vorstellen? Die watson Lokomotive! Bild: RhB
quelle: rhb
Auf Facebook teilenAuf X teilen
SBB-CEO Vincent Ducrot über die Digitalisierung
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
160 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Bär51
28.11.2025 07:40registriert Juni 2019
Wenn die JUSO-Initiative angenommen wird, zieht Peter Spuler ins Ausland.
Aber wenns um die Vergabe eines Grossauftrags geht, ist er der Schweizer, der mehr Rechte für seine Firma verlangt, als das Gesetz vorschreibt.
20335
Melden
Zum Kommentar
avatar
Holzöpfl
28.11.2025 07:21registriert Oktober 2024
Ich finde es grundsätzlich korrekt, dass Stadler die Möglichkeiten ausschöpft. Jedoch hat sich Spuhler in letzter Zeit nicht unbedingt von einer sympathischen Seite gezeigt.
15529
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fred_64
28.11.2025 07:38registriert Dezember 2021
Spuhler hat sich nun vom ehrenwerten Geschäftsmann zum typischen SVP-ler geändert.
Immer eine grosse Klappe wegen Sparen, Konsequent leben und die Gesetzte einhalten.
Nun betrifft es ihn und was macht er, einfach nur täubeln wie ein kleines Kind.
Aber war ja mit seinem politischen Hintergrund fast zu erwarten gewesen, leider....
12731
Melden
Zum Kommentar
160
Berufliche Vorsorge von Neurentnerinnen fällt kleiner aus
Im Geschlechtervergleich fällt die berufliche Vorsorge von Neurentnerinnen deutlich kleiner aus, wie eine Bundesstatistik zur Alterssicherung von 2024 ergibt. Beim Entscheid zwischen Kapitalauszahlung und monatlicher Rente waren sich Männer und Frauen derweil einig.
Zur Story