Gesellschaft & Politik

Warum der flüchtige Pädophile unbedingt ins Fernsehen will

Er will sich stellen: Christoph Egger am Montagabend im deutschen Privatfernsehen.
Er will sich stellen: Christoph Egger am Montagabend im deutschen Privatfernsehen.Bild: Screenshot RTL
Pädophilie

Warum der flüchtige Pädophile unbedingt ins Fernsehen will

Vor drei Wochen flüchtete der chemisch kastrierte Pädophile Christoph Egger aus der Universitären Psychiatrischen Klinik in Basel. Auf der Flucht lässt er sich vom Fernsehsender RTL interviewen. Die Polizei wusste nichts vom Fernsehauftritt.
05.03.2014, 07:1605.03.2014, 09:44
Moritz Kaufmann, bz Basel
Mehr «Gesellschaft & Politik»

Sogar Chefpsychiater Marc Graf muss einräumen: «Diese Situation wirkt kafkaesk.» Vor drei Wochen ist einer von Grafs bekanntesten Patienten aus den Universitären Psychiatrischen Klinken Basel (UPK) getürmt: Christoph Egger – ein verurteilter, chemisch kastrierter Pädokrimineller. Drei Wochen warteten die Behörden mit einer öffentlichen Fahndung, um den «Persönlichkeitsschutz von Christoph Egger zu wahren», wie es bei der Polizei und den UPK heisst. Das war am Montag.

Am gleichen Abend strahlte der deutsche Privatsender RTL einen 20-minütigen Beitrag über Pädophile aus, mit Egger in der Hauptrolle. Das Interview entstand letzte Woche, gedreht wurde im Wenkenpark in Riehen. «Wir haben nichts von dieser Sendung gewusst», sagt Marc Graf. Auch die Polizei spricht von Zufall.

Egger suchte die Öffentlichkeit bewusst. Letzten September liess er sich mehrmals in Fernsehen und Zeitung porträtieren. Für Medien und Publikum eine Sensation. Zum ersten Mal steht einer mit Namen und Gesicht hin und redet über die eigenen Neigungen zu jungen Buben. Bei RTL sagt er Sätze wie «Meine Opfer haben mich immer geliebt.» Dazu erklingt klassische Musik.

Kein gesunder Mensch

Egger versucht Verständnis für sich zu wecken. Als freiwillig kastrierter sei er keine Gefahr. «Auch pädophile Menschen können – wenn sie etwas unternehmen – draussen leben», erklärt er der RTL-Reporterin. Der Schuss dürfte nach hinten losgehen. Ein Pädophiler auf der Flucht – für kaum etwas bringt die Öffentlichkeit weniger Verständnis auf. Die Basler SVP forderte am Dienstag die Regierung auf, die Sicherheit in den UPK zu überprüfen.

Als Egger vor drei Wochen nicht mehr dorthin zurückkehrte, wurden verschiedene Risikoszenarien gemacht. «Eines davon war, dass er auf der Flucht an die Medien geht», sagt Psychiater Graf. Er fürchtet um die körperliche Unversehrtheit seines Patienten. «Wir wissen, dass es Homosexuellenprogrome gibt.» Als im letzten Herbst «Telebasel» eine halbstündige Sendung über Egger ausstrahlte, hatte Graf den Sender gewarnt, dass dies eine «Riesengefahr für Herrn Egger» sei. Graf hat zwar Verständnis für seinen Patienten. Für diesen sei es eine Flucht nach vorn. «Aber er ist auch kein völlig gesunder Mensch, der das rational beurteilen kann.»

Egger hat in Basel einen Vertrauten – den ehemaligen Richter und Justizkritiker Peter Zihlmann. Dieser nennt sich «Eggers Berater» und redet derzeit für ihn in den Medien. «Wenn jemand an die Medien geht, gibt es immer eine Verhärtung. Wir wollten das nicht», sagt Zihlmann auf die Frage, ob man sich der Gefahren eines Fernsehauftritts nicht bewusst gewesen sei. Justiz- und Psychiatriekritiker Zihlmann, der auch im RTL-Bericht auftrat, hat laut eigenen Angaben Kontakt zu Egger. «Er weiss, dass er sich stellen sollte, aber er hat Angst.»

Begeht er Selbstmord?

Abgemacht war, dass der Gesuchte sich diese Woche an die Behörden ausliefert. Ob Egger das wirklich tut, weiss Zihlmann nicht. Sicher sei, dass sie ihn erst einmal in die Gummizelle stecken werden. «Die Psychiater werden ihm vorwerfen, dass er an die Medien gegangen sei. Sie werden sagen, das sei Narzissmus.»

Doch dürfen die Medien Egger überhaupt so prominent ausstellen? Müsste man ihn nicht vor sich selber schützen? Der emeritierte Medienprofessor Roger Blum sagt zu diesem skurrilen Fall: «Hier gibt es keine klare Linie.» Boulevard-Medien würden mit dem «öffentlichen Interesse» argumentieren, konservativere Medien wollten so einem Menschen dagegen keine Plattform geben.

Während die öffentliche Diskussion tobt, ist Christoph Egger weiter flüchtig. Seine chemische Kastration dürfte noch sechs Wochen wirken. Wird er gefasst, droht ihm eine lange Massnahme. «Sein Suizidrisiko ist derzeit deutlich erhöht», sagt Psychiater Marc Graf. Das bestätigt Eggers Vertrauter Peter Zihlmann.

(bz Basel)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1