Seit Jahren wird in Europa heftig über den Übergang von Verbrenner- zu Elektroautos diskutiert. Erst letztes Jahr tobte ein erbitterter Streit um ein Aus für Neuwagen mit Verbrennermotor in der EU-Kommission. Deutschland blockierte ein entsprechendes Gesetz hartnäckig, bis sich schliesslich darauf geeinigt wurde, dass entsprechende Fahrzeuge auch nach dem vereinbarten Ausstiegsjahr 2035 neu zugelassen werden, wenn sie ausschliesslich CO₂-neutrale Kraftstoffe tanken.
Daraus könnte man schliessen, dass die E-Mobilitätswende in der Autoindustrie ein grundsätzlich schwerfälliges, langwieriges Unterfangen ist. Doch wie ein ostafrikanisches Land jüngst gezeigt hat, kann es auch ganz schnell mit dem Umstieg auf E-Autos gehen.
Äthiopien gehört zu den am wenigsten motorisierten Ländern der Erde. Auf 126 Millionen Einwohner kommen nur rund 1,2 Millionen Kraftfahrzeuge. Trotzdem hat das äthiopische Verkehrsministerium Ende Januar bekannt gegeben, dass ab sofort keine Verbrenner-Fahrzeuge mehr in das Land einfahren und Einwohner nur noch Elektroautos kaufen dürfen – ein weltweit einzigartiger Schritt.
Bereits 2022 hatte die Regierung Steuervorteile für den Kauf von E-Autos eingeführt. Weil Äthiopien keine eigenen Autos produziert, ist das Einfuhrverbot de facto ein Aus für den Verbrenner.
Die Abkehr von Verbrenner-Autos hat wohl vor allem ökonomische Gründe: Den für den Betrieb benötigten Diesel musste Äthiopien für zuletzt mehr als sechs Milliarden Dollar pro Jahr teuer und mühsam importieren.
Währenddessen gibt es dank grosser Wasserkraftwerke und dem fast fertiggestellten Staudamm «Great Ethiopian Renaissance Dam» am blauen Nil bald billigen Strom im Überfluss.
Ausserdem wehrt sich das Land damit gegen dreckige Gebrauchtwagen mit Verbrenner-Motor aus Europa, die die Grossstädte verpesten. Der radikale Umstieg auf E-Autos erscheint dem äthiopischen Verkehrsministerium wohl als sinnvollere und günstigere Lösung.
Wieso schafft Äthiopien in kürzester Zeit, was europäische Länder seit Jahren an ihre diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Grenzen bringt? Der «Spiegel» führt in einem Bericht die Idee des sogenannte «Leapfroggings» an.
Diese beschreibt einen Prozess, bei dem ein Land eine oder mehrere Entwicklungsstufen überspringt und direkt zu fortgeschritteneren Technologien, Methoden oder Lösungen übergeht. Soll heissen: Wenn in einem Land, in dem ein Grossteil der Bevölkerung noch nie ein eigenes Auto besessen hat, komplett auf E-Autos umgestiegen wird, gibt es auch nur wenige Menschen, die den Verbrenner vermissen könnten.
Es besteht die Hoffnung, dass sich in Äthiopien mit seinen hohen Wachtstumsraten schon bald die entsprechende Kaufkraft und Infrastruktur entwickeln wird, um die E-Mobilitätswende zu vervollständigen.
Inwiefern das Verbrenner-Aus in Äthiopien Anklang finden wird, muss sich noch zeigen. Ein Autohändler berichtet dem «Spiegel», dass viele seiner Kollegen ihr Geschäft aufgeben mussten, weil sie von dem Einfuhrverbot überrascht wurden.
Andererseits fänden die E-Autos einen reissenden Absatz. Trotz des radikalen Schritts scheint es auch wenig Protest aus der Bevölkerung zu geben. In der Hauptstadt Addis Abeba gibt es schliesslich auch eine attraktive Alternative zum Auto: Hier steht die erste moderne Stadtbahn südlich der Sahara.
Bin gespannt ob sie es wirklich durchziehen und wenn ja, wie lange die Umstellung dauern wird.