Die eidgenössischen Räte lehnen die Initiative zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung ab. Nach dem Ständerat hat sich am Dienstag auch der Nationalrat gegen das Volksbegehren ausgesprochen. Standortattraktivität und Steuereinnahmen stachen in der Debatte das Gebot der Steuergerechtigkeit aus.
Zwischen diesen Polen entspann sich im Rat eine hoch emotionale Diskussion, in der jede Seite der jeweils anderen ideologische Verblendung unterstellte. Bürgerliche Votanten warfen der Linken vor, politisches Kapital aus dem Neid der Leute zu schlagen und einige ländliche Kantone von einer bedeutenden Einnahmequelle abschneiden zu wollen.
Linke Rednerinnen und Redner hielten den Initiativ-Gegnern vor, für ein paar Millionen Steuerfranken quasi-feudale Privilegien an den ausländischen Geldadel zu verteilen und Verfassungsgrundsätze über Bord zu werfen. Dass die Besteuerung nach dem Aufwand nicht mit dem Grundsatz der horizontalen Steuergerechtigkeit zu vereinbaren ist, blieb in der Debatte unbestritten.
Das Verfassungsgebot verlangt, dass Personen in vergleichbaren Situationen vergleichbar zu besteuern sind. Reiche Ausländerinnen und Ausländer, die auf der Basis ihrer Lebenshaltungskosten statt nach Einkommen und Vermögen besteuert werden, zahlen in der Regel aber weniger als vermögende Schweizerinnen und Schweizer in einer vergleichbaren finanziellen Situation.
Für SVP, FDP, CVP, BDP und GLP ist diese Ungleichbehandlung angesichts der Steuereinnahmen von knapp 700 Millionen Franken bei Bund, Kantonen und Gemeinden zu verschmerzen. Hinzu kommen überdurchschnittlich hohe Konsumausgaben, Investitionen sowie ein bedeutendes Mäzenatentum, von dem zahlreiche Schweizer Kultur- und Sportveranstaltungen mit internationaler Ausstrahlung profitieren.
Gegen 30'000 Arbeitsplätze, welche direkt von pauschalbesteuerten Personen abhingen, würden ohne Not aufs Spiel gesetzt, warnten die Initiativ-Gegner. Betroffen wären insbesondere die Kantone Genf, Waadt, Wallis, Tessin und Bern, wo die meisten der gut 5000 Pauschalbesteuerten leben. Waadt generiert mit diesen pro Jahr rund 200 Millionen Franken an Steuereinnahmen, Genf 150 Millionen.
Die Befürworter glauben nicht, dass eine Annahme der Initiative zu einer grossen Abwanderungswelle führen würde: «Es sind nicht die Steuerprivilegien, die die Schweiz attraktiv machen, sondern die Stabilität, die Lebensqualität und die öffentliche Infrastruktur», sagte Mathias Reynard (SP/VS).
SP und Grüne sind überzeugt, dass die Bevölkerung die Privilegien für Reiche nicht mehr lange akzeptieren wird. Tatsächlich haben fünf Kantone in den letzten Jahren die Pauschalbesteuerung abgeschafft, vier davon in einer Volksabstimmung. Fünf weitere haben das Instrument zwar beibehalten, sich aber für eine Verschärfung der Regeln ausgesprochen. Auch die eidgenössischen Räte haben 2012 eine leichte Erhöhung der Bemessungsgrundlage beschlossen.
Mit 119 zu 59 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschloss der Nationalrat schliesslich, die Initiative «Schluss mit Steuerprivilegien für Millionäre (Abschaffung der Pauschalbesteuerung)» zur Ablehnung zu empfehlen. Der Ständerat hatte sich bereits in der letzten Wintersession mit deutlicher Mehrheit gegen dagegen ausgesprochen. Die Initiative war 2011 von der Alternativen Linken (AL) lanciert worden. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Gewerkschaft Unia, die SP und die JUSO unterstützen das Anliegen. (whr/sda)