
Ein Bild aus 2013: Der damalige Vize-Präsident Joe Biden schüttelt anlässlich eines Besuches Präsident Xi Jinping die Hand.Bild: keystone
Analyse
Spätesten 2035 will das Reich der Mitte die neue Supermacht sein. Das Desaster der Trump-Regierung hilft Peking bei seinen ehrgeizigen Plänen.
08.02.2021, 13:5609.02.2021, 08:07

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Chen Yixin ist der Generalsekretär der kommunistischen Partei Chinas. Er ist ein enger Vertrauter von Präsident Xi Jinping und eine Art Chefideologe der Partei. Kurz vor dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden erklärte er mit ungewohnter Offenheit: «Der Aufstieg des Ostens und der Untergang des Westens sind zu einem globalen Trend geworden und werden die internationale politische Landschaft zu unseren Gunsten verändern.»
Der Aufstieg Asiens ist seit Jahren der Stoff, aus dem viele Sachbücher sind. Dass aber die höchsten Vertreter der chinesischen Regierung diesen Machtanspruch so offen aussprechen, war bisher eher unüblich. Für das neue Selbstbewusstsein hat Peking jedoch gute Gründe. Kevin Rudd, der ehemalige sozialdemokratische Premierminister Australiens, zählt sie in der jüngsten Ausgabe von «Foreign Affairs» auf.

Chinesische Soldaten paradieren auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking.Bild: keystone
Rudd warnt uns, dass wir auf ein «Jahrzehnt in der Hölle» zusteuern könnten, auf Jahre einer immer intensiver werdenden Rivalität zwischen China und den USA. Im schlimmsten – aber leider nicht undenkbaren Fall – könnte diese Rivalität in einem katastrophalen Krieg der beiden enden.
Mit dem Amtsantritt Präsident Xis hat sich das Verhältnis zwischen China und den USA zu verändern begonnen. Xi hegt gemäss Rudd Ambitionen, wie Mao zu einem grossen Führer zu werden. Er hat sich bereits eine lebenslange Amtszeit gesichert und will bis 2035 China zur alleinigen Supermacht führen.
Xi hat alle Trümpfe in der Hand, um dieses ehrgeizige Ziel auch zu erreichen. China hat die Coronakrise besser im Griff als die USA, und die chinesische Wirtschaft hat diese Krise schneller überwunden als der Westen. Das hat die Stellung Xis im eigenen Land gestärkt. Der Präsident ist gegen seine Gegner im Innern rigoros vorgegangen und sitzt heute fest im Sattel. Deshalb stellt Rudd fest:
«Xi ist zur Überzeugung gelangt, dass China keine Angst mehr haben muss vor Sanktionen der Vereinigten Staaten (…). Seiner Ansicht nach ist die chinesische Wirtschaft nun stark genug, um solche Sanktionen auszuhalten. Zudem scheint es für Xi wenig wahrscheinlich zu sein, dass andere Länder sich von den USA verordneten Sanktionen anschliessen würden. Zu gross ist deren Angst vor chinesischen Vergeltungsmassnahmen.»
Für die These des Niedergangs der Supermacht USA gibt es in den Augen der Chinesen triftige Gründe: Die Amerikaner sind so zerstritten, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihre marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Das gilt auch für das Gesundheitswesen und die amerikanischen Schulen.
Gleichzeitig hat die Regierung Trump schwere Flurschäden hinterlassen. Sie hat ihre engsten Partner vor den Kopf gestossen und den freien Handel beschädigt. Die republikanische Partei ist im Begriff, eine rechtsextreme Sekte zu werden und keine der beiden Parteien kann eine langfristige Strategie verfolgen, weil es keine stabile Mehrheit dafür gibt. Rudd stellt daher fest:
«Xi ist überzeugt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass Washington in kurzer Zeit seine Glaubwürdigkeit wieder erlangen und so wieder zur globalen Führungsmacht aufsteigen wird. Er setzt vielmehr darauf, dass in den nächsten Jahren auch andere Staatsführer den chinesischen Standpunkt übernehmen und ihre Strategie darauf ausrichten werden.»
Die Zeiten, in denen sich China still hielt, um die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA nicht zu gefährden, sind definitiv vorbei. Ebenso die naive Hoffnung, China werde sich mit steigendem Wohlstand am Modell der westlichen Demokratie orientieren. «Getrieben von einem marxistisch-leninistischen Determinismus ist Xi überzeugt, dass die Geschichte auf seiner Seite ist» stellt Rudd fest. «Wie einst Mao ist er ein formidabler strategischer Rivale der Vereinigten Staaten geworden.»
Will Joe Biden Xis Pläne durchkreuzen, muss er das Vertrauen der amerikanischen Partner in Asien und Europa wieder gewinnen. Das gilt nicht nur für die militärischen Bündnisse wie die Nato, sondern auch für die Verpflichtungen der USA im asiatischen Raum. Gleichzeitig muss Biden die beschädigten Handelsbeziehungen wieder ins Lot bringen. Das gilt primär für die serbelnde Welthandelsorganisation.

Auch Taiwan rüstet auf: Militärparade in Taipei.Bild: keystone
Das Ziel der kommunistischen Partei Chinas ist nach wie vor, Taiwan wieder ins Reich der Mitte einzuverleiben. Mit friedlichen Mitteln ist es jedoch unwahrscheinlich, dass dieses Ziel in absehbarer Zeit erreicht werden kann. Deshalb hat China auch militärisch massiv aufgerüstet, in der Absicht, dass ein Krieg um Taiwan für die Amerikaner zu kostspielig wird.
Diese Strategie ist äusserst riskant, denn die Amerikaner könnten ihrerseits einen militärischen Angriff Chinas auf Taiwan nicht tatenlos hinnehmen. Im schlimmsten Fall könnte daraus ein verheerender Krieg entstehen.
Weder China noch die USA wollen einen solchen Krieg. Um ihn zu verhindern, schlägt Rudd vor, was er «managed strategic competition» nennt, einen regulierten Wettbewerb der beiden Supermächte. Wenn beide Mächte sich an die von ihnen festgelegten Regeln halten, dann kann nicht nur ein Krieg verhindert werden.
China und die USA könnten dann auch auf Gebieten zusammenarbeiten, wo sie gemeinsame Interessen haben. Die Bekämpfung des Klimawandels beispielsweise oder bei der Ausbreitung von Atomwaffen.
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quelle: epa / roman pilipey
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