Ab 2029 erhalten alle ein elektronisches Patientendossier – das Wichtigste in 5 Punkten
Bessere technische Lösungen, Informations-Kampagnen und gar ein Zwang für Ärztinnen und Ärzte: Jeder Effort der vergangenen Jahre, das elektronische Patientendossier auch zu den Patienten zu bringen, scheint zu verpuffen. Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer bleibt auf tiefem Niveau stabil, Ende September haben 123'559 Personen in der Schweiz ein elektronisches Patientendossier eröffnet.
Das ist eine magere Bilanz. Das Parlament verabschiedete das Gesetz vor zehn Jahren. Dann verzögerte sich die technische Umsetzung. Auch die Akzeptanz unter Spitälern und Ärzten, die das Dossier verwenden sollten, fehlte. Vor drei Jahren zog der Bundesrat endlich die Reissleine und entschied sich zu einem Neustart. Die Hürden der doppelten Freiwilligkeit, der dezentralen Datenspeicherung sowie der föderalistisch unterschiedlichen Lösungen sollen aus dem Weg geräumt werden.
Nun ist der Neustart fix: Er soll den auch unter neuem Namen erfolgen: Das als PDF-Friedhof verschriene Patientendossier soll neu Gesundheitsdossier heissen. Die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider führt die Änderungen aus. Das Wichtigste im Überblick:
Was ändert sich konkret?
Neu erhält jede Person in der Schweiz automatisch ein elektronisches Gesundheitsdossier – und wird darüber vom jeweiligen Kanton per Post informiert. Wer das nicht will, muss sich innert 60 Tagen wehren. Das elektronische Gesundheitsdossier bleibt also freiwillig. Es kommt aber neu die Widerspruchslösung zum Tragen. In Kraft tritt der Paradigmenwechsel voraussichtlich zwischen 2029 und 2033. Nichts tun müssen jene, die ihre Krankendaten bereits heute digital verwalten. Das sogenannte elektronische Patientendossier wird automatisch in ein elektronisches Gesundheitsdossier umgewandelt.
Wo werden meine Daten gespeichert?
Auch hier gibt es einen Paradigmenwechsel: Bis anhin setzte der Bund auf ein dezentralisiertes System mit mehreren privaten Anbietern. Nun erfolgt der Umstieg auf eine schweizweit einheitliche Infrastruktur: Der Bund wird öffentlich ein Informationssystem ausschreiben und für dessen Betrieb und den Datenschutz verantwortlich sein. Bewerben können sich auch die bisherigen Anbieter. Also auch die Post, die in das Projekt Sanela investiert hat.
Brauche ich eine elektronische Identität (E-ID)?
Nicht zwingend. Die vom Stimmvolk im September angenommene E-ID ist eine von drei Möglichkeiten, um Zugang zum neuen elektronischen Gesundheitsdossier zu erhalten. Wer diesen digitalen Identitätsnachweis nicht erbringen kann oder will, kann eine Vertretung definieren: also beispielsweise einen Verwandten damit beauftragen, sein Gesundheitsdossier zu verwalten. Die dritte Möglichkeit liegt darin, bei den Anlaufstellen vorstellig zu werden. Sie werden als «Gemeinschaften» bezeichnet. Jeder Kanton ist dafür zuständig, dass auf seinem Hoheitsgebiet mindestens eine Gemeinschaft aktiv ist, damit die Einwohnerinnen und Einwohner bei Fragen und Problemen telefonisch, persönlich und online Unterstützung erhalten.
Wer hat Zugriff auf meine Krankenakte?
Jede Person kann steuern, wer auf das Gesundheitsdossier zugreifen kann. Um selbst Zugang zu seinen Daten zu haben, braucht es eine persönliche Authentifizierung, etwa über eine E-ID (siehe oben). Für Gesundheitspersonal, Spitäler und Heime kann jeder Inhaber eine Zugriffsberechtigung erteilen. Ohne diese darf niemand Einsicht in die Gesundheitsdaten nehmen. Auch ein Notfallzugriff kann in den Einstellungen verweigert werden. Weiter können Daten unterschiedlich eingestuft werden – als «privat» oder «allgemein». Schliesslich besteht stets die Möglichkeit, gespeicherte Daten zu löschen.
Was kostet der Systemwechsel?
Für die Nutzerin und den Nutzer ist das elektronische Gesundheitsdossier gratis. Aber natürlich kostet dessen Einführung den Staat Geld: Für die Beschaffung der neuen nationalen Infrastruktur rechnet der Bund mit einem tiefen, zweistelligen Millionenbetrag. Die jährlichen Betriebskosten des Informationssystems werden auf 5 bis 45 Prozent des Beschaffungswertes geschätzt. Derweil ist vorgesehen, dass die Kantone den Betrieb der Anlaufstellen finanzieren müssen. Er dürfte sich landesweit auf 37 Millionen Franken belaufen.
Den Kosten steht ein grosses Einsparpotenzial gegenüber. Zu oft verliert medizinisches Personal heute Zeit mit Abtippen von Formularen oder langen Telefonaten und Mailkorrespondenzen. Eine Studie der ETH Zürich kam Anfang Jahr zum Schluss: Wenn die Schweiz das Digitalisierungspotenzial im Gesundheitswesen maximal ausschöpft, liessen sich bis zu 8,2 Milliarden Franken pro Jahr einsparen.
