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Warum Sean Hannity vor dem Untersuchungs-Ausschuss aussagen soll

FILE - In this Aug. 7, 2019, photo, Fox News host Sean Hannity speaks during a taping of his show, "Hannity," in New York. The House committee investigating the Jan. 6 U.S. Capitol insurrect ...
Bild: keystone
Analyse

Warum Sean Hannity vor dem Untersuchungs-Ausschuss aussagen soll

Der Fox-News-Moderator gehörte zum innersten Kreis der Trump-Verschwörer.
05.01.2022, 19:5606.01.2022, 12:38
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Der Netflix-Film «Don’t look up» ist derzeit das Gesprächsthema in den politischen Kreisen der USA. Er handelt davon, wie ein Asteroid die Erde bedroht und wie eine dekadente Supermacht USA unfähig ist, damit umzugehen.

Soweit zur Fiktion. In der Realität wird die amerikanische Demokratie in ihrer Existenz nicht aus dem All, sondern von innen bedroht. Das zeigen immer neue Enthüllungen rund um die Ereignisse des 6. Januars. Der gemischte Ausschuss des Abgeordnetenhauses, der mit der Abklärung dieser Ereignisse betreut ist, veröffentlicht fast täglich neue Ergebnisse. Sie machen in erschreckendem Ausmass klar, dass der Sturm auf das Kapitol weit mehr als ein ausser Kontrolle geratener Protest war.

Man muss sich das Ganze viel mehr als ein Phänomen mit drei konzentrischen Kreisen vorstellen: Den äussersten Ring bildeten die tausenden von Demonstranten, von denen wahrscheinlich ein grosser Teil davon überzeugt war, dass die Wahlen gefälscht und Trump der eigentliche Sieger gewesen sei. Im mittleren Kreis finden wir die paramilitärischen Milizen, die Proud Boys und die Oath Keepers. Sie verstanden sich als die Prätorianer-Garde von Trump und waren bereit, Gewalt einzusetzen.

Trump Willard Hotel Washington
Im Willard-Hotel in Washington war der War-Room der Trump-Verschwörer.Bild: watson/keystone/wikipedia

Die eigentlichen Verschwörer jedoch waren beim Sturm gar nicht anwesend. Sie sassen vielmehr im War-Room des nahe gelegenen Willard Hotel. Dort hatten sie die Operation in den Wochen zuvor geplant. Zu diesem Kreis gehören Leute wie Steve Bannon, Rudy Giuliani, der Verfassungsjurist John Eastman, der Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, aber auch republikanische Abgeordnete wie Jim Jordan und Scott Perry.

Zu diesem illustren Kreis gehörte offenbar auch Sean Hannity. Das geht aus einem Brief hervor, den Bennie Thompson und Liz Cheney, der Präsident und sein Vize des Untersuchungsausschusses, dem Star-Moderator bei Fox News haben zukommen lassen. Darin fordern sie Hannity auf, freiwillig vor dem Ausschuss zu erscheinen und Fragen zur Aufklärung des Sturms auf das Kapitol zu beantworten.

Allein der Brief ist eine News-Bombe. Er enthält Zitate aus SMS und E-Mails, die Hannity mit dem ehemaligen Stabschef von Trump, Mike Meadows, ausgetauscht hatte. Dieser hat dem Ausschuss rund 9000 Dokumente zur Verfügung gestellt. Meadows selbst weigert sich nun jedoch, als Zeuge vor dem Ausschuss zu erscheinen. Wie Steve Bannon muss er deshalb mit einem Strafverfahren rechnen.

FILE - White House Chief of Staff Mark Meadows speaks on a phone on the South Lawn of the White House in Washington, on Oct. 30, 2020. A revelation about text messages sent by three Fox News personali ...
Hat dem Ausschuss 9000 Dokumente geliefert: Mark Meadows.Bild: keystone

Ob Hannity aussagen wird, ist zurzeit noch unklar. Sein Anwalt Jay Sekulow – dieser war übrigens auch einst Trumps Anwalt im ersten Impeachment – lässt ausrichten: «Das Ersuchen wirft schwerwiegende konstitutionelle Fragen auf. Wir werden den Brief prüfen und angemessen darauf reagieren.» Hannity selbst hat sich bisher noch nicht geäussert.

Es ist davon auszugehen, dass auch der Fox-Moderator sich weigern wird, die Fragen des Ausschusses zu beantworten. Doch die bereits bekannten Zitate sind äusserst brisant. Sie zeigen, dass er schon im Vorfeld des Sturmes des Kapitols bestens darüber informiert war.

Hier ein paar Beispiele. Am 31. Dezember textete Hannity an Meadows:

«Wir können nicht alle Anwälte des Weissen Hauses verlieren. (Hintergrund: Pat Cipollone, der damalige Rechtsbeistand des Weissen Hauses, drohte mit sofortiger Kündigung, sollte der amtierende Justizminister entlassen werden, Anm. d. Verf.) Ich sehe nicht, dass die Ereignisse am 6. Januar so ablaufen werden, wie man es IHM (dem Präsidenten, Anm. d. Verf.) schildert. Nach dem 6. Januar sollte er ankündigen, dass er sich an die Spitze einer nationalen Bewegung stellen werde, welche zum Ziel hat, die Wahlgesetze zu reformieren. Geht nach Florida und schaut zu, wie Biden alles vermasselt. Bleibt engagiert. Wenn er spricht, hören ihm die Menschen zu.»

Mit anderen Worten: Hannity wusste, was geplant war, und er hielt es für keine gute Idee. Deshalb textete er am Vorabend des 6. Januars auch an Meadows, er sei «sehr besorgt, was in den nächsten 48 Stunden geschehen werde.»

Bereits bekannt ist, dass Hannity während des Sturms Meadows anflehte, Trump dazu zu bewegen, das Ganze abzublasen. Nach dem 6. Januar schrieb er an Jim Jordan:

«Jungs, wir haben einen klaren Weg, wie wir das Flugzeug in den nächsten neun Tagen landen können. Er (Trump) soll die Wahlen niemals mehr erwähnen. Ich hatte mit ihm heute ein Telefongespräch. Es lief nicht gut. Schlimmer noch, ich weiss nicht, was wir ihm noch sagen können. Hat jemand eine Idee?»

All dies macht glasklar: Hannity wusste nicht nur, was geplant war. Er versuchte auch vergeblich, Trump davon abzuhalten. Kein Wunder, will ihn der Ausschuss befragen. «Diese Texte legen nahe, dass Sie Kenntnis davon hatten, dass die Legalität des Vorgehens auch innerhalb des Weissen Hauses umstritten war», schreiben Thomson und Cheney in ihrem Brief. «Diese Fakten sind direkt für unsere Untersuchungen relevant.»

Während dem Sturm auf das Kapitol spielte Hannity jedoch den Unwissenden, der von diesen Ereignissen völlig überrascht wurde. Schlimmer noch. Fox News streute gar das Gerücht, das Ganze sei von Mitgliedern der linksextremen Antifa angezettelt worden. Hannity tat nichts, um diese Gerüchte zu zerstreuen.

Jacob Anthony Chansley (Mitte) ist auch als Jake Angeli bekannt. Nach dem Sturm auf das US-Kapitol muss Chansley bis zu seinem Prozess in Haft bleiben. Foto: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa
Waren bloss Fusssoldaten: Der QAnon-Schaman und andere Chaoten.Bild: sda

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses wird immer mehr zu einem zentralen Bestandteil im Kampf um die amerikanische Demokratie. Anders als seinerzeit der Mueller-Report, der die Erwartungen nie erfüllen konnte – auch weil er vom damaligen Justizminister William Barr bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurde –, fördern Thomson & Co. immer mehr brisante Details zutage.

Bisher sind weit mehr als 300 Zeugen einvernommen worden. Deren Aussagen ermöglichen ein genaues Bild, wer was geplant und wer dafür bezahlt hat. Damit wächst auch der Druck auf Justizminister Merrick Garland, Strafverfahren gegen die Drahtzieher des 6. Januars einzuleiten. Bisher sind 725 Fusssoldaten angeklagt. Die meisten von ihnen werden mit relativ milden Strafen davonkommen.

Thomson hat jedoch bereits klargemacht, dass allfällige Straftaten, die bei der Untersuchung ans Tageslicht kommen, dem Justizministerium weitergeleitet werden. Liz Cheney hat gar angedeutet, dass der Ex-Präsident sich der Vernachlässigung seiner Pflichten schuldig gemacht hat, und zwar strafrechtlich. Der Ausschuss selbst kann keine Strafverfahren durchführen.

Justizminister Garland will am Mittwoch über sein weiteres Vorgehen informieren. Trump selbst wollte ursprünglich am kommenden Donnerstag ebenfalls eine Pressekonferenz durchführen und am Jahrestag von 1/6 einmal mehr seine Sicht der Dinge darlegen.

Mittlerweile hat er den Anlass wieder abgesagt. Offenbar ist es der Parteileitung gelungen, ihn zu überzeugen, dass es keine gute Idee gewesen wäre. Die Grand Old Party hat bezüglich des Sturms auf das Kapitol nur ein einziges Ziel: Dass möglichst wenig davon gesprochen wird.

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So berichtet die Zeitungen über den Sturm auf das Kapitol
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«Newsday»: Kapitales Chaos
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Arena: Marco Chiesa über Kapitol-Stürmung
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Heinzbond
05.01.2022 20:42registriert Dezember 2018
Ich finde es erbärmlich das das orangen Frettchen mit dem Clown drunter noch auf freiem Fuss ist. Es sollte doch bei all dem was er bereits getan hat schon längst orange Kleider tragen...
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