International
Deutschland

Sondierungsgespräche in Berlin «auf der Zielgeraden» – aber: «Es dauert …»

Nach über 24-stündigen Gesprächen – Durchbruch für grosse Koalition in Deutschland

12.01.2018, 08:2312.01.2018, 11:33
Mehr «International»

Die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD haben in Deutschland bei ihren Sondierungen über eine grosse Koalition einen Durchbruch erzielt. Das Paket sieht eine Flüchtlingsobergrenze und nur beschränkten Familiennachzug vor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpraesident Horst Seehofer (verdeckt) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (obere Etage) und der SPD-Vorsitzend ...
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer (verdeckt), sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (obere Etage), der SPD-Vorsitzende Martin Schulz und die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles bereiten sich in Berlin auf das Spitzentreffen von Union und SPD vor.Bild: dpa

CDU, CSU und SPD hatten sich nach 24-stündigem Verhandlungsmarathon am Freitagmorgen im Willy-Brandt-Haus in Berlin auf Chefebene auf ein Sondierungsergebnis verständigt. Dieses dient als Grundlage für mögliche Verhandlungen über eine Neuauflage der grossen Koalition.

Die Sondierungsgruppe der SPD stellte sich nach kleineren Korrekturen einstimmig hinter das Papier; die Seite der CDU/CSU hatte bereits zuvor einstimmig zugestimmt. Ob es zu Verhandlungen kommt, hängt nun massgeblich von der Entscheidung eines SPD-Sonderparteitages am 21. Januar ab.

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD sprachen sich nach dem erfolgreichen Abschluss der Sondierungsgespräche für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen aus. SPD-Chef Martin Schulz sagte: «Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben.» Er kündigte an, er wolle auf dem Sonderparteitag seiner Partei um ein Mandat dafür bitten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, sie wolle Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer «stabilen Regierung» führen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer war mit dem Verhandlungsergebnis «hochzufrieden» und äusserte die Hoffnung auf eine erfolgreiche Regierungsbildung bis Ostern.

Bandbreite für Flüchtlingsobergrenze

Das Sondierungspapier hat einen Umfang von 28 Seiten. Union und SPD einigten sich darin darauf, die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland in einer Spanne von 180'000 bis 220'000 begrenzen.

Für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll die Möglichkeit, ihre Familien nach Deutschland nachzuholen, sehr eng begrenzt werden. Der Familiennachzug soll zunächst weiter ausgesetzt bleiben, bis eine Neuregelung gefunden ist, und dann auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden.

Bislang war die Regelung, die normalerweise im deutschen Asylrecht vorgesehen ist, für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus - die also kein Anrecht auf unbeschränktes Asyl haben - temporär ausgesetzt gewesen.

Laut dem Sondierungsergebnis soll noch in diesem Monat ein Gesetz ins Parlament eingebracht werden, das die Aussetzung so lange verlängert, bis die geplante Neuregelung in Kraft sei. Diese solle bis zum 31. Juli verabschiedet werden.

Der Familiennachzug war einer der Knackpunkte bei den Sondierungsverhandlungen. Im Gegensatz zur Union wollte die SPD die zweijährige Aussetzung nicht verlängern.

Umgehende Kritik an den Plänen kam von Pro Asyl. «Ein Grundrecht ist nicht kontingentierbar», sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der Nachrichtenagentur AFP. Eine Begrenzung auf eintausend Menschen im Monat bedeute für viele betroffene Familien eine Trennung auf Jahre hinaus.

Kein Spitzensteuersatz

Weiter soll die von der SPD geforderten Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Nach Angaben der CDU/CSU soll es keine Steuererhöhungen geben. Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden, das ist ein Wunsch der SPD gewesen. Ausserdem sollen Krankenversicherungsbeiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.

Die nach der deutschen Wiedervereinigung eingeführte Sondersteuer namens Solidaritätszuschlag soll dem Vernehmen nach in der Legislaturperiode um 10 Milliarden Euro abgebaut werden. Das solle kleine und mittlere Einkommen betreffen.

Die Parteispitzen verständigten sich bei auch auf eine deutliche Stärkung der Europäischen Union. Dazu soll auch mehr Geld aus Deutschland nach Brüssel fliessen. «Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit», heisst es. Man wolle die Euro-Zone auf jeden Fall «nachhaltig stärken und reformieren». (sda/dpa/afp/reu)

«Nein, Deutschland, ich werde meinen Dialekt nicht ablegen»

Video: watson/Bianca Xenia Jankovska, Emily Engkent
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
22 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
12.01.2018 09:15registriert Juni 2016
Machs Gut SPD wenn Du die GroKo verlängerst
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Arneis
12.01.2018 12:00registriert Januar 2017
Wo genau sind da Sotzen-Standpunkte?
Die SPD schafft sich selber ab. Glanzleistung, das muss denen erstmal nachgemacht werden
00
Melden
Zum Kommentar
22
Es braucht neue Proben: Weiter keine Gewissheit zu «Krankheit X»

Ob im Südwesten der Demokratischen Republik Kongo wirklich eine «Krankheit X» kursiert oder dort zahlreiche Menschen wegen bekannter Erreger wie Malaria krank sind, bleibt vorerst weiter unklar.

Zur Story