International
Deutschland

CDU gewinnt Wahl in Berlin – SPD ganz knapp vor Grünen

CDU gewinnt Wahl in Berlin – SPD nach historischer Schlappe ganz knapp vor Grünen

In der deutschen Hauptstadt Berlin wurde gewählt: Dabei gab es einen Triumph für die CDU, eine historische Schlappe für die SPD und den Abschied aus einem weiteren Landesparlament für die FDP.
13.02.2023, 01:32
Mehr «International»

Die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner sind bei der nachgeholten Wahl in Berlin mit grossem Abstand stärkste Kraft geworden. Die SPD von Regierungschefin Franziska Giffey stürzte ab, konnte aber nach Auszählung aller Stimmen ganz knapp Platz zwei gegen die Grünen verteidigen. Die AfD legte zu und ist wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP schied aus.

epa10463740 Christian Democratic Union (CDU) top candidate, Kai Wegner, gestures during a TV interview following the Berlin elections, in Berlin, Germany, 12 February 2023. Polls have closed in the re ...
Kai Wegner von der CDU gehört zu den grossen Gewinnern.Bild: keystone

Die Berliner CDU schnitt am Sonntag so stark ab wie seit mehr als zwanzig Jahren nicht und meldete Anspruch auf Bildung einer Regierung unter ihrer Führung an. Möglich wäre etwa ein Zweierbündnis entweder mit der SPD oder den Grünen. Doch könnten auch SPD, Grüne und Linke ihre bisherige Koalition fortsetzen – weiterhin mit Giffey an der Spitze, deren SPD unter den drei Parteien knapp die stärkste blieb.

Nach Auszählung aller Stimmen gewann die CDU bei der Wiederholungswahl etwa zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 28,2 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die SPD liegt bei 18,4 Prozent (21,4), die Grünen ebenfalls (18,9). Doch hat die SPD nur 105 Stimmen Vorsprung. Die Linke rutschte auf 12,2 Prozent ab (14,1). Die AfD legte dagegen auf 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP verlor deutlich und scheiterte mit 4,6 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde (7,1).

Vom Landeswahlleiter lagen in der Nacht zum Montag noch keine Angaben zur Mandatsverteilung vor. Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF vom späten Abend kommt die CDU auf 48 bis 50 Sitze. Die Grünen erhalten demnach 31 bis 33 und die SPD 31 bis 32 Mandate. Die Linke kommt auf 21 bis 22 Sitze, die AfD auf 16.

CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem «phänomenalen» Erfolg und sagte: «Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.» Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schrieb auf Twitter: «Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert.»

Giffey sprach von einem schweren Abend für ihre SPD – «daran gibt es nichts zu deuteln». Doch sei es kein Automatismus, dass nun die CDU den Regierungschef stelle. «Auch ein Herr Wegner wird politische Mehrheiten organisieren müssen.»

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken sieht trotz hoher Zugewinne der CDU «keine Machtoption» für deren Spitzenkandidaten. «Kai Wegner hat ganz klar einen Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf betrieben», sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Talkshow «Anne Will». Daher sehe sie wenige Möglichkeiten für ihn zu einer Regierungsbildung.

Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach sich für eine Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken aus. «Die jetzige Regierungskoalition hat eine klare und stabile Mehrheit», sagte sie in der ARD.

Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot wäre eine Kampfansage an Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau. Ausserhalb der Stadt ist der Hertha-BSC-Fan wenig bekannt.

Die 44-jährige SPD-Landeschefin, die östlich von Berlin aufwuchs, war Bürgermeisterin im Bezirk Neukölln und stieg 2018 zur Bundesfamilienministerin auf. Wegen einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit trat Giffey im Mai 2021 aus dem Kabinett zurück.

12.02.2023, Berlin: Die Spitzenkandidatin der SPD, die Regierende B�rgermeisterin Franziska Giffey steht im RBB-Studio im Abgeordnetenhaus. Die im Nachhinein vom Berliner Verfassungsgerichtshof f�r un ...
Franziska Giffey muss eine Niederlage hinnehmen.Bild: keystone

Die 54-jährige Umweltsenatorin Jarasch hat nun die Option, erste Grünen-Regierungschefin in Berlin zu werden und Giffey abzulösen. Die gebürtige Augsburgerin steht für eine Verkehrswende weg vom Verbrenner-Auto und einen ehrgeizigen Kampf gegen die Erderhitzung – was die politische Schnittmenge mit FDP und CDU verkleinert.

Der Erfolg der Berliner CDU dürfte der Bundespartei und dem Vorsitzenden Merz Auftrieb geben, denn in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern an. Für die SPD im Bund ist das Ergebnis ein Dämpfer, weil Giffey ihren Posten als Regierungschefin in Berlin verlieren dürfte. Die Bundes-FDP muss verkraften, nach einer Reihe empfindlicher Wahlschlappen ein weiteres Mal aus einem Landesparlament zu fliegen.

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt – und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht. An diesem Wahlsonntag lief alles glatt, wie Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler sagte: «Es freut mich sehr, dass sich diesmal alles im grünen Bereich bewegt hat.»

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Landeswahlleiters bei 63,1 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
James McNew
13.02.2023 03:01registriert Februar 2014
28 Prozent klingt nach viel. Aber allen Ansprüchen zum Trotz; Für eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten reicht es noch lange nicht – und wer keine Mehrheit bilden kann, regiert halt nicht, so einfach ist das.
2612
Melden
Zum Kommentar
23
«Das ist unmenschlich!»: Schwere Vorwürfe in der Syrien-«Arena» – und mittendrin ein Syrer
Diktator Baschar al-Assad ist gestürzt. Und jetzt? Syrer zurückschaffen, findet die SVP. Unmenschlich, finden die anderen. Für die Politiker in der SRF-«Arena» ist die Diskussion ein Polit-Theater von vielen. Für Syrer Husam Kelzi wird über seine Zukunft entschieden. Eine quälende Sendung.

Verfolgung, Unterdrückung, Überwachung, Folter, Mord. So sah das Leben für Syrerinnen und Syrer unter Diktator Baschar al-Assad aus. 24 Jahre lang. Rechnet man hinzu, dass davor sein Vater Hafiz al-Assad über Syrien herrschte, ergibt sich eine Schreckensherrschaft von 57 Jahren.

Zur Story