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Diese Festnahme einer jungen Frau auf offener Strasse schockt Amerika

Festnahme einer jungen Frau auf offener Strasse schockiert Amerika.
Eine private Sicherheitskamera hat das Geschehen aufgezeichnet (siehe unten).screenshot: YouTube

Diese Festnahme einer jungen Frau auf offener Strasse schockt Amerika

Sie ist unterwegs zum Fastenbrechen, als sich dunkel gekleidete Männer in Zivil nähern und sie abführen. Die Bilder der Festnahme einer türkischen Doktorandin in Boston wirken verstörend.
27.03.2025, 08:4627.03.2025, 09:58
Christoph Cöln / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Es sind verstörende Bilder aus den USA, die neben der «New York Times» auch die Nachrichtenagentur AP nun öffentlich machten. Darauf zu sehen ist eine Frau mit Kopftuch und hellem Wintermantel, die am Dienstagabend in Somerville, einem Vorort der Millionenmetropole Boston, über die Strasse geht. Es ist einer der letzten Tage des diesjährigen Ramadan, bei der Frau handelt es sich um eine türkischstämmige Studentin, die an der renommierten Tufts University ihren Doktor macht.

Dann schlagen zivil gekleidete und grösstenteils maskierte Beamtinnen und Beamte zu.

Was wissen wir?

Bilder einer Überwachungskamera zeigen, wie sich plötzlich sechs Personen aus unterschiedlichen Richtungen der Frau nähern. Sie tragen dunkle Kleidung, sind teilweise maskiert oder haben die Kapuzen ihrer Pullis tief ins Gesicht gezogen.

Die sechs Männer und eine Frau umzingeln die Frau und fordern sie auf, stehenzubleiben. Dann teilen sie ihr mit, dass sie festgenommen ist. Sie ist geschockt, sie beteuert, nichts gemacht zu haben. Sie wirkt verstört und fleht um Hilfe. Dann nimmt ihr einer der Vermummten den Rucksack ab, fordert sie auf, sich umzudrehen und legt ihr Handschellen an.

Schliesslich führen die vermummten Ermittler der US-Einwanderungsbehörde ICE die völlig verängstigte Frau zu einem in der Nähe stehenden Wagen ab.

Das Video zur Festnahme

Video: extern/Associated Press

Wer wurde verhaftet?

Wie AP und US-Medien berichten, soll es sich bei der Frau um die 30-jährige Rumeysa Öztürk handeln. Ihre Festnahme ist der neuerliche Höhepunkt einer Verhaftungswelle, die in den USA seit dem Amtsantritt Donald Trumps in Gang gekommen ist und in deren Zuge immer mehr Menschen ohne amerikanischen Pass ins Visier der US-Ermittlungsbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) geraten.

Öztürks Anwalt teilte dem Sender NBC mit, er wisse nicht, wohin seine Mandantin gebracht worden sei und er habe bisher auch keinen Kontakt zu ihr herstellen können.

Wo ist das Problem?

«Warum sind Eure Gesichter vermummt?»

Schockierend wirken die Bilder der Verhaftung Öztürks, weil sie an dunkelste Zeiten faschistischer Gewaltherrschaft erinnern. Auf der Videoaufnahme ist auch zu hören, wie offenbar ein Passant, der die Szene beobachtet, die vermummten Ermittler direkt konfrontiert: «Was tut ihr da?», fragt er. «Wir sind von der Polizei», erklären die Ermittler lapidar. «Ihr seht aber nicht so aus», entgegnet der Mann: «Warum versteckt Ihr Eure Gesichter?», fragt der Mann. Eine Antwort darauf bekommt er nicht.

Die Justizministerin von Massachusetts, Andrea Joy Campbell, sagte laut «New York Times», die Bilder von der Festnahme seien zutiefst verstörend. Hier gehe es nicht um öffentliche Sicherheit, hier gehe es um Einschüchterung, so Campbell.

Wie die «New York Times» erfuhr, war Öztürk gerade auf dem Weg zu Freunden, um mit ihnen das Fastenbrechen zu feiern – die zweite Mahlzeit des Tages, die Muslime während des Ramadan traditionell erst nach Sonnenuntergang zu sich nehmen.

Sie hatte ein gültiges Visum, wie viele andere in den USA lebende Ausländer, die in den vergangenen Wochen verhaftet und festgehalten wurden. In einer Erklärung des Heimatschutzministeriums auf X hiess es schlicht, ein Visum sei ein Privileg, aber kein Recht. Die Studentin habe sich für die terroristische Hamas eingesetzt, weshalb ihre Aufenthaltsgenehmigung beendet werden soll.

Demonstranten fordern Freilassung

Nach Medienberichten war Öztürk die Co-Autorin eines Artikels in einer Studentenzeitung von 2024, in dem die Tufts Universität aufgefordert wurde, anzuerkennen, dass es einen Völkermord an Palästinensern gebe. Zugleich wurde die Universität aufgefordert, nicht in Unternehmen mit Verbindungen zu Israel zu investieren.

Der «Boston Globe» berichtete, dass Bekannte der Doktorandin auf Anfrage versichert hätten, dass sie keine Anführerin der Protestbewegung sei. Auch Öztürks Professoren zeigten sich geschockt von der Festnahme.

«Es sah aus wie eine Entführung», sagte Michael Mathis, ein 32-jähriger Software-Ingenieur, dessen Überwachungskamera die Verhaftung aufzeichnete. «Sie nähern sich ihr und fangen an, sie zu drangsalieren. Sie verdecken ihre Gesichter. Sie sind in unmarkierten Fahrzeugen unterwegs.»

Die demokratische US-Abgeordnete Ayanna Pressley nannte die Verhaftung «eine fürchterliche Verletzung von Rumeysas verfassungsmässigen Rechten auf ein ordentliches Verfahren und freie Meinungsäusserung. Sie muss sofort freigelassen werden.»

Am Mittwoch versammelten sich vor der Universität in Sommerville hunderte Demonstranten, um gegen die Verhaftung Öztürks zu demonstrieren. Sie fordern ebenfalls die umgehende Freilassung der Studentin.

Was steckt dahinter?

MSNBC: «Bürgerliche Freiheiten verschwinden immer schneller»

Für grosses Aufsehen hatte zuletzt die Festnahme des palästinensischen Studenten Machmud Chalil gesorgt. Der Absolvent der New Yorker Columbia-Universität besitzt seiner Anwältin zufolge eine Greencard und damit eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung in den USA. Die US-Regierung will ihn dennoch abschieben und wirft ihm unter anderem vor, auf dem Campus Flugblätter mit Hamas-Logo verteilt zu haben.

An der Georgetown Universität in der Hauptstadt Washington D.C. wurde ausserdem ein Inder festgenommen. Eine Sprecherin des Heimatschutzministeriums warf ihm auf der Plattform X vor, auf Social-Media-Plattformen Propaganda für die islamistische Hamas und Antisemitismus verbreitet zu haben.

«Wir werden nicht zusehen, wie die Trump-Administration weiterhin Studenten mit legalem Status entführt und unsere Grundrechte mit Füssen tritt», sagte Pressley in einer Pressemitteilung.

Nicht nur die Demokratin Pressley erkennt in dem Vorgehen der Trump-Regierung ein Muster. Politische Beobachter fürchten, dass das Heimatschutzministerium immer mehr als Instrument einer willkürlichen staatlichen Herrschaft missbraucht werden könnte.

Der US-TV-Sender MSNBC konstatierte kürzlich:

«Die bürgerlichen Freiheiten, die wir alle schätzen und die ein wesentlicher Bestandteil der amerikanischen Demokratie sind, verschwinden rasend schnell unter dem Deckmantel der ‹nationalen Sicherheit› und von sogenannten ‹Staatsgeheimnissen›.»

Quellen

(t-online/dsc)

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320 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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1 Stein
27.03.2025 09:17registriert November 2021
14 Merkmale des Faschismus nach Lawrence Britt:

- Starker und anhaltender Nationalismus
- Missachtung der Menschenrechte
- Gemeinsames Feindbild wird geschaffen
- Militärregierung
- Sexismus
- Kontrollierte Massenmedien
- Fokussierung auf nationale Sicherheit
- Verknüpfung von Staat und Religion
- Unternehmensleitung wird beschützt
- Unterdrückung der Arbeitskräfte
- Missachtung von Intellektuellen und Geisteswissenschaften
- Fokussierung auf Kriminalität und härtere Haftstrafen
- Korruption und Vetternwirtschaft
- Manipulierte Wahlen

Aus meiner Sicht sind 13/14 erfüllt....
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Touché
27.03.2025 09:31registriert Februar 2019
Da kommt es einem vor wie die Sittenwächter Irans? Nur halt umgekehrt:

Diejenigen, die in den USA ein Kopftuch tragen, werden anscheinend aus der Menge rausgeholt.
In Iran diejenigen, die keine Kopfbedeckung tragen ...! Kranke Welt!

Ich würde der übrigen Welt raten, eine Reisewarnung für die USA rauszugeben.
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Massalia
27.03.2025 09:30registriert Juni 2021
Verstörend? Staatliche Schläger, die Minderheiten willkürlich verhaften. Das Deutschland der 30er-Jahre lässt grüssen. Die Amis wollten das ja so und die europäischen Rechtspopulisten der SVP, AfD und Co. bejubeln das, weil sie sich solche Zustände auch bei uns wünschen.

Wir haben es in unserer Hand, so etwas zu verhindern, indem wir keine rechten Demokratiefeinde mehr wählen.
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