
Donald Trump am NATO-Gipfel in Brüssel.Bild: AP/AP
Donald Trump
inszeniert sich auf seiner Europareise einmal mehr als
Chaos-Präsident. Mit seinen sprunghaften Rundumschlägen schadet er
weniger den Europäern als dem eigenen Land.
13.07.2018, 16:2325.05.2020, 14:25

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Theresa May gab sich
grösste Mühe, ihrem Gast einen angenehmen Empfang zu bereiten. Sie
organisierte für ihn ein Galadinner im Blenheim Palace bei Oxford,
wo Winston Churchill geboren wurde. Denn Donald Trump bewundert
Churchill, wie er überhaupt starke Männer verehrt. Der Abend soll
überaus angenehm verlaufen sein, hiess es aus britischen
Regierungskreisen.
Es war ein Versuch
der Schadensbegrenzung. Denn kaum hatte das festliche Mahl begonnen,
liess das Boulevardblatt «The Sun» die «Brexit-Bombe» platzen. In einem Exklusiv-Interview attackierte der US-Präsident
die Strategie von Theresa May für den Austritt Grossbritanniens aus
der EU. Sie werde das erhoffte Handelsabkommen mit den USA «wahrscheinlich erledigen».
May empfängt Trump zum Galadinner
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Trump besucht Grossbritannien
quelle: epa/epa / andy rain
BBC-Politikchefin
Laura Kuenssberg sprach von einem «Frontalangriff» auf Mays
Brexit-Plan, den die Premierministerin am Donnerstag in einem
100-seitigen Weissbuch präsentiert hat. Trump fahre mit einem
Bulldozer über dessen zentrales Argument hinweg, dass das Königreich
Handelsverträge mit aller Welt abschliessen und sich trotzdem an die
EU-Regeln halten könne.
«Nitroglyzerin» für Revolte
«Mit einem Freund
wie Donald Trump braucht Theresa May keine Feinde», kommentierte
CNN. Von denen hat die konservative Regierungschefin eigentlich
genug. Am Montag hatten Brexit-Minister David Davis und
Aussenminister Boris Johnson die Regierung aus Protest gegen den aus
ihrer Sicht zu weichen Brexit-Kurs von Theresa May verlassen. Trump
goss im «Sun»-Interview Öl ins Feuer, indem er behauptete,
Johnson wäre «ein grossartiger Premierminister».
Die «Sun» selbst
ging noch weiter und bezeichnete Trumps Aussagen als «Nitroglyzerin» für die brodelnde Revolte der konservativen «Brexiteers» gegen
ihre Premierministerin. Also den Anhängern eines totalen Bruchs mit
der EU, die immer heftiger an Theresa Mays Stuhl rütteln. Eines hat
Donald Trump auf jeden Fall erreicht: Er hat sein Image als
Chaos-Präsident bestätigt.
Seit Beginn seiner
Europareise liess er keine Gelegenheit aus, um seine Alliierten zu
brüskieren. Es begann mit einem Frühstück zum Auftakt des
NATO-Gipfels in Brüssel am Mittwoch. In einer auf Video
festgehaltenen Tirade behauptete Trump, Deutschland sei wegen der
Erdgaspipeline Nord Stream 2 «ein Gefangener Russlands».
Nur um am gleichen Tag nach einem Treffen mit Angela Merkel zu
betonen, er habe ein «sehr, sehr gutes Verhältnis» zur
Bundeskanzlerin.
Am Donnerstag ging
es im gleichen Stil weiter. Erst kam Trump zu spät, dann
funktionierte er ein Meeting mit den NATO-Beitrittskandidaten
Georgien und Ukraine zu einer «Krisensitzung» um, in der er die
Verbündeten ein weiteres Mal ultimativ aufforderte, ihre
Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Andernfalls könnten die USA «ihre
eigenen Wege» gehen, drohte Trump.
«Ich bin ein sehr stabiles Genie»
Damit stiess er auf
heftigen Widerspruch. Der rechtsliberale dänische Ministerpräsident
Lars Løkke
Rasmussen konfrontierte Trump mit der Tatsache, dass sein Land im
Afghanistan-Krieg im Verhältnis etwa gleich viele Verluste zu
beklagen hatte wie die USA. Er habe an Begräbnissen teilgenommen und
könne nicht akzeptieren, dass Trump behaupte, Dänemark tue nicht
genug für die NATO, erklärte Rasmussen gemäss Politico.
Ganz
unbeeindruckt scheint der US-Präsident davon nicht gewesen zu sein.
In einer Medienkonferenz erklärte Trump auf
einmal: «Ich glaube an die NATO. Die NATO ist jetzt eine
gut geölte Maschine.» Auf die Frage eines kroatischen
Journalisten, ob er von Air Force One aus das Gegenteil twittern
werde – wie nach dem G7-Gipfel im Juni –, meinte Trump: «Nein,
das machen andere. Ich nicht. Ich bin sehr konsistent. Ich bin ein
sehr stabiles Genie.»
«Ein gestörtes Kind»
Daran zweifeln so
manche. Ralph Peters, ein ehemaliger Offizier der US-Armee und
langjähriger Mitarbeiter von Fox News, meinte gegenüber CNN,
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Angela Merkel und Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron hätten auf ihn wie Psychiater gewirkt, «die sich geduldig um ein gestörtes Kind kümmern». Gemeint ist
natürlich der US-Präsident.
Manche Staatsmänner
und -frauen hätten in den ersten 18 Monaten von Trumps
Präsidentschaft geglaubt, sein Chaos habe Methode, schreibt
Politico. Nun seien sie offenbar zur Überzeugung gelangt, dass es
nur Chaos ist, «und Trump selbst vielleicht nicht kapiert, was er
tut». Für Ex-Militär Peters ist klar, dass er damit seinem Land schadet.
Kanada als Feind
Dies deckt sich mit
einer Analyse des renommierten Magazins The Atlantic. Donald
Trumps aussenpolitische Doktrin lasse sich auf einen Slogan
reduzieren: Make America Weak Again. Amerikas Vormachtstellung in der
Welt beruhe auf fünf Pfeilern: Nachbarn, Verbündete, Märkte, Werte
und militärische Macht. Die Trump-Doktrin schwäche sie alle, mit
Ausnahme des letzten.
Für Donald Trump
sind Bündnisse wie EU und NATO dazu gedacht, die USA über den Tisch
zu ziehen. Folglich hat er keine Hemmungen, seine Verbündeten zu
attackieren. Selbst die Nachbarn Kanada und Mexiko verschont er
nicht, er deckt sie mit Strafzöllen ein. Nun hat Mexiko einen linken
Präsidenten gewählt und Kanada Vergeltungszölle eingeführt. «Man
muss ausserordentlich dumm sein, um sich die Kanadier zu Feinden zu
machen», meint die «Atlantic»-Autorin.
Missachtung für Werte
Die Trump-Doktrin
antworte auf die Handelsfragen des 21. Jahrhunderts mit Methoden aus
dem 20. Jahrhundert. Der Präsident gehe davon aus, dass Strafzölle
nur die Länder treffen, gegen die sie gerichtet sind. Das gelte
vielleicht für die 1970er Jahre. «In der heutigen Welt der
globalen Lieferketten treffen Zölle nicht nur ausländische Firmen
und Arbeiter, sondern auch amerikanische.»
Besonders schwer
aber wiege Trumps Missachtung für die amerikanischen Werte: «Demokratische Staaten gelten als schwach, autoritäre Führer
werden bewundert, moralische Autorität zählt praktisch nichts mehr,
Soft Power ist zu soft, nur Hard Power bringt Resultate.»
Da ist es logisch, dass Trump sich auf das Treffen mit Russlands Machthaber
Wladimir Putin am Montag in Helsinki freut. Es werde «vielleicht
das einfachste von allen», liess er im Vorfeld verlauten.
Damit beschädige
der Präsident das Ansehen der USA, meint «The Atlantic» und
verweist darauf, dass in der Regel zwei Gründe zum Untergang einer
Grossmacht führen: Imperiale Überdehnung oder Rivalität mit
anderen Grossmächten. «Niemals in der Weltgeschichte ist ein Land
durch so viele selbstverschuldete Angriffe auf die Quellen seiner
eigenen Macht abgestiegen.»
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