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Plötzlich Favoritin – Wie Marine Le Pen vom Rentenprotest profitiert

Plötzlich Präsidentschaftsfavoritin – wie Marine Le Pen vom Rentenprotest profitiert

Rechtsextreme Rabaukin, das war einmal: Marine Le Pen gibt sich im französischen Rentenkonflikt diskret und staatstragend. In den Umfragen legt sie stetig zu.
07.04.2023, 09:4708.04.2023, 12:18
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Welche Partei profitiert in Frankreich am meisten von der Debatte um die Rentenreform, die Frankreich seit Wochen in Atem hält und alle anderen Themen – sogar den Krieg in der Ukraine – verdrängt? Es ist nicht die in den Demos auftrumpfende Linksunion Nupès und auch nicht die Macron-Bewegung Renaissance, die das Ordnungsprinzip hochhält.

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Marine Le Pen in der französischen Nationalversammlung.Bild: keystone

«Die grosse Gewinnerin der Debatte», wie das Wochenmagazin «Marianne» festhält, ist das Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Für 35 Prozent der Franzosen schlägt sie sich in dem knallharten Konflikt laut einer Umfrage am besten. Die Linksfront kommt nur auf 27, das Macron-Lager auf 26 Prozent.

Das Resultat mag erstaunen. Le Pen hält sich aus den Redeschlachten in der Nationalversammlung bewusst heraus; statt wie üblich zu schimpfen und zu polemisieren, bemüht sie feierlich die Prozeduren der Fünften Republik: Einmal reicht sie einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von Präsident Emmanuel Macron ein, dann wieder spricht sie sich für eine Volksabstimmung zum Rentenalter aus.

An den Renten-Demos nimmt Le Pen nicht teil, obwohl sie das Rentenalter 64 genauso wie die Linke ablehnt. Republikanisch und seriös eifert sie der italienischen Gesinnungsschwester Giorgia Meloni nach; und ganz anders als die hemdsärmelige und sehr laute Linke ist sie im Palais Bourbon, dem Sitz der Nationalversammlung, auf die französische Etikette bedacht: Die Damen ihrer Parlamentsfraktion kleiden sich auf ihr Geheiss elegant, die Herren s'il vous plaît mit Krawatte.

French President Emmanuel Macron arrives to attend a visit at Sun Yat-sen University in Guangzhou, China, Friday, April 7, 2023. (Gonzalo Fuentes/Pool Photo via AP)
Präsident Emmanuel Macron ist derzeit auf Dienstreisse in China. Der Druck in der Heimat wird nicht kleiner.Bild: keystone

Die neuen Manieren der sonst so rüpelhaften «Faschos» wirken zugegeben etwas aufgesetzt. «Feige und unmoralisch» seien die Lepenisten, ärgert sich das Pariser Linksblatt Libération, das aber im gleichen Atemzug zugeben muss: «Diese Haltung könnte sich an den Wahlurnen auszahlen.»

Klares Ziel: Élysée-Palast

Und zwar noch stärker als bisher. Bei den Präsidentschaftswahlen von April 2022 hatte Le Pen zwar zum dritten Mal in Folge den Einzug in den Elysée-Palast verpasst; in den folgenden Parlamentswahlen im Juni sahnte ihre Partei RN hingegen kräftig ab, vervielfachte sie doch ihre Sitzzahl in der Nationalversammlung von acht auf 89.

Die aktuelle Rentendebatte verstärkt diesen Trend noch. Macron und seine Reform stossen auf Ablehnung, Linkenchef Jean-Luc Mélenchon gilt auch nicht als Alternative. Anders Le Pen. Viele ihrer Wählerinnen und Wähler sind besonders erbost über die Reform.

Häufig als Arbeiter, Handwerker und Gewerbetreibende tätig, sind sie oft sehr früh – manchmal vor der Volljährigkeit – und ohne Ausbildung ins Berufsleben eingestiegen; deshalb haben sie nun das Gefühl, durch die Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre besonders benachteiligt zu sein. Und tendieren noch stärker als bisher zu Le Pen.

«Die Rentendebatte kann die Dynamik des RN nur stärken», schätzt der Politologe Bruno Palier. Ihm zufolge hat heute auch die Mittelschicht keine Hemmungen mehr, für die Rechtspopulistin einzulegen. Macron habe dagegen den Kredit der Bevölkerungsmehrheit verspielt. Seine Popularität seit Beginn in der Rentendebatte auf unter 30 Prozent gesunken.

In einer neuen Erhebung für die Präsidentschaftswahlen von 2027 liegt Le Pen deutlich vor allen Widersachern; für den ersten Wahlgang werden ihr 31 Prozent gutgeschrieben, für die Stichwahl 55 Prozent. Hinter ihr liegt auch Macrons ehemaliger Premier Edouard Philippe, der bisher beliebteste Politiker Frankreichs. (aargauerzeitung.ch)

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8 Arten, Frankreich aufzuteilen
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Massive Polizeigewalt bei Protesten in Frankreich
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75 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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tychi
07.04.2023 09:58registriert Juli 2016
Ist dieser Artikeln euer Ernst? Die Wahlen sind in 4 Jahren, bis dahin geschieht noch viel. Zudem darf Macron dann nicht mehr antreten (da in FR max. 2 Amtsperioden direkt hintereinander). Es werden also noch viele Karten neu gemischt, darum frage ich mich, was der Sinn solcher Artikel ist?
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FrancoL
07.04.2023 10:17registriert November 2015
Wenn man einen derart oberflächlichen Artikel aufsetzt, dann sollte man das Thema der Renten, der dieser Situation zu Grunde liegt, etwas mehr beleuchten, als alleine zu erwähnen, dass die Le Pen wie die Linken auch gegen das Alter 64 ist. Mit dieser Aussage befeuert man nur die Annahme, dass gegen das Alter 64 zu sein völlig logisch und normal ist.
Man darf durchaus erwähnen, dass Frankreich wie die umliegenden Länder der Demographie nicht entrinnen kann und Lösungen in Frankreich, ausser Proteste, Mangelware sind. Le Pen hält sich zurück, aber anbieten kann sie auch nichts.
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Hernd Böcke
07.04.2023 10:22registriert Juni 2017
Der Neoliberalismus fördert faschistische Tendenzen? - „Nein?! Doch! Ohh!“
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