Das 8:0 gegen Dänemark ist nicht nur der 5. Sieg hintereinander an der WM in Prag. Es ist turnierübergreifend der 18. Sieg im 19. Vorrundenspiel. Die Schweiz hat im Rahmen der zwei letzten WM-Turniere nur ein einziges Spiel verloren: vor einem Jahr die letzte Vorrundenpartie gegen Lettland (3:4 n. V.). Aber eigentlich nur, weil Patrick Fischer wichtige Spieler im Hinblick auf den Viertelfinal geschont hatte.
Eine solche Dominanz hat in den letzten Jahren keine andere Mannschaft erreicht. Ja, wir können sogar sagen: Durch die Modus-Änderung, durch die Umstellung auf das System mit Viertelfinal, Halbfinal und Final ist der Schweiz mindestens ein WM-Titel gestohlen worden.
Bis 1991 war die WM in der Regel ein Dauerwettbewerb. Hin- und Rückspiel und wer am meisten Punkte hatte, war Weltmeister. Die erdrückende Dominanz der Sowjets (UdSSR) führte ab 1983 zur Einführung einer Finalrunde (Neubeginn mit null Punkten) und seit 1992 verlangt der Zeitgeist nach der Formel mit Viertelfinal, Halbfinal und Final. Damit die Angelegenheit bis zum Ende spannend bleibt.
Nach der alten Ordnung – als einfach zweimal jeder gegen jeden spielte – wäre die Schweiz mindestens einmal Weltmeister geworden. Das aktuelle WM-Team wäre die perfekte Weltmeister-Mannschaft der 1970er- und frühen 1980er-Jahre gewesen. Wie damals die Sowjets spielerisch brillant, fähig, mit Leichtigkeit und Eleganz Pflichtspiele zu gewinnen und Niederlagen gegen Aussenseiter zu vermeiden. Und da es damals praktisch nie auf ein einziges Spiel ankam und ein Ausrutscher in der Regel korrigiert werden konnte, hätte uns der „Fluch der Viertelfinals“ gar nie getroffen.
Wäre, hätte, könnte … der Hattrick der Verlierer. Punkt.
Nach dem 8:0 gegen Dänemark und vor dem Spiel gegen Kanada am Sonntagabend um 20.20 Uhr steht die Frage im Raum: Können die Schweizer den Viertelfinal-Fluch endlich erstmals seit 2018 brechen?
In Prag ist vieles ähnlich, aber doch einiges anders als 2019, 2021, 2022 und 2023. Die Dominanz in der Vorrunde ist sehr ähnlich wie bei den vorangegangenen Turnieren. Inzwischen ist allerdings klar: Nominell ist das WM-Team von Prag auch im Vergleich zur Konkurrenz das beste der Geschichte. Besser als 2019, 2021, 2022 und 2023. Talentierter als die WM-Silberteams von 2013 und 2018.
Roman Josi ist die Lichtgestalt dieses Teams und so gut wie noch nie. Der Roger Federer des Hockeys. Topskorer des Turniers. Mit spielerischer Leichtigkeit und Genialität verwandelt er eine sehr gute in eine grosse Mannschaft. Vor allem fürs Powerplay gilt: Roman Josi schreitet übers Eis wie einst Jesus übers Wasser. Nun wird sich in den restlichen zwei Vorrundenpartien gegen Kanada und Finnland zeigen, ob ein gegnerischer Coach ein Rezept zur «Neutralisierung» von Roman Josi findet.
Gegen Dänemark haben sich die Schweizer vorzeitig die Viertelfinal-Qualifikation gesichert und zum ersten Mal war die «Viertelfinal-Formel» zu erkennen. Die offensiven Titanen entscheiden das Spiel früh: Nico Hischier, Roman Josi und Kevin Fiala sorgen bis zur 24. Minute für eine 4:0-Führung. Nur Tore von NHL-Spielern.
Bei den restlichen vier Toren haben sie den Stock nicht mehr im Spiel. Die «Hinterbänkler» Tristan Scherwey, Calvin Thürkauf, Christoph Bertschy und Sven Senteler tanzen und erzielen vier Treffer. Nur Tore von NL-Spielern.
Roman Josi sieht in dieser Ausgeglichenheit eine der grossen Qualitäten der Mannschaft: eine Ausgeglichenheit, die bereits beim Sieg gegen Tschechien (2:1 n. P.) den Ausschlag gegeben habe.
Und SCB-Trainer Jussi Tapola, als Beobachter in Prag, sagt sichtlich beeindruckt: «Diese Mannschaft kann Weltmeister werden.» Seine Worte im Ohr der Hockey-Götter.