Kanadas Premier Justin Trudeau gerät wegen unterdrückter Ermittlungen in einem Bestechungsskandal erneut unter Druck. Eine Ethik-Kommission des Parlaments kam zum Schluss, Trudeau habe sich sich gegenüber Ex-Justizministerin Jody Wilson-Raybould falsch verhalten.
«Der Ministerpräsident hat, direkt und über seine ranghohen Mitarbeiter, verschiedene Mittel eingesetzt, um Einfluss auf Frau Wilson-Raybould auszuüben», teilte der Chef des Gremiums, Mario Dion, am Mittwoch mit.
Hintergrund sind Vorwürfe, dass Ermittlungen Wilson-Rayboulds gegen die Firma SNC-Lavalin wegen Korruption und Schmiergeldzahlungen unterdrückt worden sein sollen. Das Unternehmen mit Sitz in Montreal soll zwischen 2001 und 2011 Schmiergeld in Höhe von umgerechnet 31 Millionen Euro an die Familie des damaligen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi gezahlt haben. Die Affäre führte zu Rücktritten nicht nur von Wilson-Raybould, sondern auch von der für Digitales und Finanzen zuständigen Jane Philpott aus Protest gegen die Einmischung Trudeaus.
Nur wenige Monate vor den Wahlen in Kanada kommt die erneut aufgeflammte Debatte um den einst gefeierten Regierungschef zur Unzeit - schliesslich war Trudeau mit dem Versprechen einer modernen, transparenten Regierung angetreten. Der Skandal um SNC-Lavalin brachte ihm die grösste politische Krise seiner Amtszeit. Umfragen zufolge muss der liberale Trudeau um seine Wiederwahl bangen.
In dem Bericht der Ethik-Kommission hiess es weiter, die Autorität des Amtes des Ministerpräsidenten sei genutzt worden, um die Ermittlungen des Generalstaatsanwalts und die Autorität von Wilson-Raybould «zu umgehen, zu untergraben und letztendlich zu diskreditieren».
Trudeau übernahm bei einer Stellungnahme die «volle Verantwortung». «Ich finde wirklich, dass das, was im vergangenen Jahr passiert ist, nicht hätte geschehen dürfen.» Allerdings sei es auch sein Job, die Interessen von Arbeitnehmern in Kanada zu verteidigen. Trudeau hatte schon vorher gesagt, dass ein Schuldspruch für SNC-Lavalin weitreichende Folgen für Tausende Angestellte, Kunden und Partner der Firma haben könnte.
Oppositionsführer und grösster Rivale Trudeaus bei der anstehenden Wahl, der Konservative Andrew Scheer, kritisierte Trudeau auf Twitter. Er habe nicht gehalten, was er versprochen habe. «Stattdessen nutzte er die Macht seines Amtes, um seine Anhänger zu belohnen und seine Kritiker zu bestrafen.» (sda/dpa)
We now have a clear picture of who Justin Trudeau truly is. And it’s not who he promised he would be: https://t.co/eCKfvEcSi9 pic.twitter.com/Frsg3o3Klk
— Andrew Scheer (@AndrewScheer) August 15, 2019