In der früheren Sowjetrepublik Moldau hat die proeuropäische Staatschefin Maia Sandu eine beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte auf die Präsidentenwahl beklagt. Kriminelle Gruppen hätten gemeinsam mit einer ausländischen Macht versucht, die Lage in Moldau zu destabilisieren.
Die nach einem EU-Beitritt strebende Führung des verarmten Agrarstaats sieht Russland als grösste Bedrohung für die Stabilität der Republik. Bei einem parallel zur Wahl abgehaltenen Referendum über die EU-Ambitionen des Landes droht der Staatsführung zudem eine herbe Niederlage, die Moskau begrüssen dürfte.
Es gebe Beweise, dass 300'000 Stimmen gekauft worden seien, sagte Sandu bei einem nächtlichen Auftritt in der Hauptstadt Chisinau. Dutzende Millionen Euro seien ausgegeben worden, um Lügen und Propaganda zu verbreiten. «Wir haben es mit einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie in unserem Land zu tun», wurde Sandu von örtlichen Medien zitiert. Sie wolle das Endergebnis abwarten und dann Entscheidungen treffen.
Details nannte die 52-Jährige nicht. Allerdings hatten moldauische Sicherheitskräfte schon vor dem Urnengang Wählerbestechung und prorussische Desinformation in dem Land mit rund 2,5 Millionen Einwohnern aufgedeckt, das zwischen der von Russland angegriffenen Ukraine und dem EU-Mitgliedstaat Rumänien liegt.
Sandu bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Nach fast aller Stimmen verfehlte sie mit rund 42 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit und müsste damit in eine Stichwahl in zwei Wochen gehen.
Ihr Gegner wird aller Voraussicht nach der frühere Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo sein, der rund 26 Prozent der Stimmen erhielt und für die traditionell starke Sozialistische Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon antritt. Insgesamt waren elf Bewerber zur Wahl angetreten, darunter einige, die sich für gute Beziehungen zu Russland einsetzen.
Eines der wichtigsten Ziele Sandus ist es, den EU-Kurs des Landes unwiderruflich als strategisches Ziel in der Verfassung festschreiben zu lassen. Beim Referendum über diese Frage sprach sich das Volk mit hauchdünner Mehrheit für die EU aus. Die Befürworter kamen nach Auszählung fast aller Wahlzettel auf 50,45 Prozent, die Gegner auf 49,55 Prozent. Sandu sagte auch, dass die Moldauer im Ausland das EU-Referendum gerettet hätten. Die Ja-Stimmen für eine Verankerung des EU-Ziels in der Verfassung seien aber nur gültig, wenn sie bei der Stichwahl auch gewinne, sagte sie.
Auch am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentenwahl und das EU-Referendum miteinander verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das Referendum und sprachen von einem rechtswidrigen Prozess. «Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgesetzt werden, doch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der EU sollten erst nach dem Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind», sagte Ex-Präsident Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.
In der russischen Hauptstadt Moskau bildeten sich vor der moldauischen Botschaft lange Schlangen für die Stimmabgabe. Zugleich gab es Beschwerden, dass die Zahl der Wahllokale in Russland gezielt klein gehalten worden sei und nicht genügend Stimmzettel vorhanden seien. Das Aussenministerium in Chisinau bezeichnete die Schlangen laut Medien in Moldau als künstliche Inszenierung.
Russland hat Sandu zudem aufgefordert, Beweise für eine von ihr beklagte Wahlmanipulation aus dem Ausland vorzulegen. Es handele sich um ziemlich ernste Anschuldigungen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Nachrichtenagenturen zufolge.
«Wenn sie sagt, dass sie wegen irgendwelcher krimineller Banden zu wenig Stimmen bekommen hat, sollte sie die Beweise vorlegen», sagte Peskow. Die vorläufigen Ergebnisse zeigten vielmehr, dass viele Menschen in der Ex-Sowjetrepublik nicht mit Sandus Politik einverstanden seien.
Russland wirft der Europäischen Union vor, mit Milliardenversprechen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördergeld in Aussicht gestellt. Die Finanzspritze soll erklätermassen vor allem das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen und Infrastruktur verbessern.
Das Bewerberfeld dürfte auch deshalb so gross gewesen sein, weil viele Menschen mit Sandus Politik unzufrieden sind und seit ihrer Wahl 2020 zu wenig Fortschritte sehen – etwa im immer wieder proklamierten Kampf gegen Korruption. Damals kam Sandu im ersten Wahlgang auf 36,2 Prozent und im zweiten Wahlgang auf 57,7 Prozent der Stimmen. Weil sie einen Verzicht auf russisches Gas durchsetzte, stiegen die Energiepreise, was viele Verbraucher ärgert.
Um Reformen umzusetzen, ist Sandu auf eine Mehrheit im Parlament angewiesen, die sie derzeit noch hat. Der politische Machtkampf in Moldau könnte seinen Höhepunkt bei der Parlamentswahl im kommenden Sommer erreichen. «Für eine starke, politikgestaltende Rolle als Präsidentin ist ein loyaler Premierminister und eine Mehrheit im Parlament notwendig», sagte Expertin Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau der Deutschen Presse-Agentur. Sie erwartet nicht, dass Russlands versuchte Einflussnahme in Moldau nachlassen wird. (sda/dpa)
Die Ruzzen investieren nur in die Kandidaten, das Volk soll Kuchen essen.