In Italien ist die 5-Sterne-Bewegung neu die stärkste Partei im Land. Berlusconi holt mit seinem Mitte-Rechts-Bündnis am meisten Stimmen. Erstaunt Sie das Resultat?
Gianni D'Amato: Nein, das war so zu erwarten. Auch, dass die Demokraten schwer absacken, überrascht mich nicht.
Der grosse Gewinner der Wahlen ist die
5-Sterne-Bewegung. Wie schätzen Sie die Partei ein?
Sie konnten sich massiv steigern.
Interessant ist, dass die 5-Sterne-Bewegung eigentlich gar keine
Partei mehr im klassischen Sinne ist. Wie ihr Name sagt, sehen sie
sich als eine Bewegung, die gegen das Establishment, gegen die alte
politische Kaste kämpft.
Das kommt einem bekannt vor. Sehen
Sie Parallelen zu den Wahlen in den USA, wo Donald Trump mit seiner
Anti-Establishment-Politik sehr erfolgreich ist?
Steve Bannon hat sich in den letzten Tagen in Italien aufgehalten. Ich bin mir
sicher, dass er die Entwicklungen in Italien und das Erstarken der
Populisten das Grösste findet. Und ja, es gibt Parallelen zu den
USA. Die gängige Parteienpolitik löst sich auf. Der Comedian Beppe
Grillo hat dazumals keine Partei, sondern ein Internetunternehmen
gegründet, das politisch aktiv ist. In Italien führte das zu einer
Amerikanisierung des Parteiensystems, das sich an bestimmten Figuren
orientiert und stark über das Internet organisiert ist. Die Führer
sind charismatische Figuren, die stark mobilisieren können.
Weder die 5-Sterne-Bewegung noch das
Mitte-Rechts-Bündnis ist alleine fähig, eine Mehrheit und damit
eine Regierung zu bilden. Wie geht es jetzt weiter?
Nun müssen die Parteien und die
Bündnisse Koalitionen bilden. Dafür gibt es verschiedenen
Möglichkeiten. Klar ist derzeit nur eines: Eine Koalition ohne die 5-Sterne-Bewegung wird kaum möglich sein. Dafür sind die Populisten
jetzt zu wichtig geworden.
Mit wem könnten die
5-Sterne-Bewegung zusammenarbeiten?
Beim
Thema Migration, Europa und Arbeitsmarktreformen haben sie mehrere
gemeinsame Schnittpunkte mit der rechtsradikalen Lega. Es ist gut
möglich, dass sie zusammen spannen werden. Doch sehr wahrscheinlich
werden sie auch dann noch keine Mehrheit erreichen. Es würden immer
noch einige Prozentpunkte fehlen.
Eine Koalition mit den Demokraten
kommt nicht in Frage?
Noch vor den Wahlen hat Renzi eine
Zusammenarbeit mit der 5-Sterne-Bewegung wegen deren latentem
Rassismus ausgeschlossen. Doch das hatte natürlich auch
öffentlichkeitswirksame Gründe. Gut möglich, dass er jetzt, wo es
um seinen Machtverlust geht, seine Meinung ändert.
Bereits vor den Wahlen sagten
Stimmen, es könne schwierig werden eine mehrheitsfähige Regierung
zu bilden. Wie sehen sie das?
Das ist eigentlich ein GAU. Mit dem
neuen Wahlsystem ist es nicht möglich, dass einer der drei grossen
Blöcken mehrheitsfähig ist. Das zeigt, dass Italiens
Regierungsunfähigkeit nicht nur latent da ist, sondern auch manifest
wird. Es wird sich in den kommenden Tagen bis Wochen zeigen, ob die
Parteien fähig sind, eine Koalition zu bilden.
Nicht nur die 5-Sterne-Bewegung,
auch die Lega und dezidiert auch die Forza Italia sind
anti-europäische Parteien. Was bedeutet das für Italien?
Das ist eine schwierige Situation. Im
Parlament liegt der Anteil der anti-europäischen Parteien neu sehr
nahe bei 50 Prozent. Das zeigt, dass in Italien viele Menschen eine
Wut auf den Euro haben und dass viele die EU als Projekt ablehnen.
Das ist ein grosses Zeichen. Vor allem wenn man bedenkt, dass Italien
Mitgründerin ist der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem
Vorläufer der EU.
Warum sind die Demokraten so
schwach?
Die Politik von Renzi hat die
Demokraten in die Krise geführt. Obwohl ich Renzi für einen sehr
fähigen Politiker halte. Doch mit der Referendumsabstimmung 2016,
die er verloren hatte, hat er sich selbst an den Rand gespielt.
Ausserdem fand eine Marginalisierung seiner eigenen Partei statt. Es
gab Auseinandersetzungen mit der alten Garde, viele sind ausgetreten.
Renzi hat auch viele Reformen in
Gang gesetzt.
Ja, aber diese waren für viele zum
Teil auch widersprüchlich. Gerade seine Arbeitsmarktreform. Mit der
Flexibilisierung der Verträge für Kurzarbeiter wollte er vor allem
junge Leute einfacher in die Arbeitswelt einbinden. Gleichzeitig
bedeutete die Reform einen Statusverlust für ältere Arbeitnehmer.
Man kann es auch so sagen: Renzi hat, ähnlich wie damals auch
Schröder in Deutschland, oft den dritten Weg gewählt. Und damit hat
er viele aus der eigenen Partei gegen sich aufgebracht.
Wie stehen die Chancen für die
Absplitterer von Renzi, die Liberi e Uguali?
Momentan kommen sie nur auf zwischen
drei bis fünf Prozentpunkte. Selbst wenn man die Stimmen von Liberi
e Uguali und jene der Demokraten zusammenrechnet, sieht man, dass die
Linken diese Wahlen verloren haben. Das Abspalten hat sie bestraft.
Wie sicher sitzt Renzi noch in seinem
Sattel?
Es gibt Vorhersagen, die
prognostizieren, dass die Demokraten weniger als 20 Prozentpunkte
holen könnten. Ist dies der Fall, wackelt Renzis Sitz mächtig. Aber
derzeit ist alles noch sehr offen.