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Mehrere tausend Demonstranten attackieren US-Botschaft im Irak

Lage im Irak spitzt sich zu: US-Armee setzt nach Sturm auf Botschaft Kampfhelikopter ein

31.12.2019, 09:5531.12.2019, 21:31
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Protesters burn property in front of the U.S. embassy compound, in Baghdad, Iraq, Tuesday, Dec. 31, 2019. Dozens of angry Iraqi Shiite militia supporters broke into the U.S. Embassy compound in Baghda ...
Die US-Botschaft in Bagdad.Bild: AP

Der monatelange Konflikt zwischen den USA und dem Iran schaukelt sich nun im Krisenland Irak gefährlich hoch: Nach einem US-Luftangriff auf pro-iranische Milizen im Irak stürmten am Dienstag tausende Demonstranten das massiv gesicherte US-Botschaftsgelände in Bagdad.

Mehrere Hundert Demonstranten attackierten die US-Botschaft. Sie zündeten amerikanische Flaggen an und zertrümmerten Fensterscheiben, wie Augenzeugen der Nachrichtenagentur DPA berichteten. US-Botschafter Matthew Tueller befindet sich nach Diplomatenangaben derzeit in den Ferien ausserhalb des Irak.

US-Präsident Donald Trump machte den Iran für die Ausschreitungen an der Botschaft verantwortlich und drohte Teheran mit Konsequenzen. «Jetzt orchestriert der Iran einen Angriff auf die US-Botschaft im Irak», twitterte Trump. Dafür würden die Iraner «voll zur Verantwortung» gezogen, erklärte er weiter. Das irakische Militär müsse die Botschaft schützen, forderte er.

Zudem schrieb der US-Präsident, dass die Zeit für die Millionen von Irakern, die nicht vom Iran kontrolliert wollen werden, gekommen sei.

Elizabeth Warren, Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, kritisierte derweil Trumps Rückzug aus dem Iran-Deal und die Luftschläge, welche ohne Rücksprache mit der irakischen Regierung erfolgt seien.

US-Armee setzt Kampfhelikopter ein

Die US-Armee hat nach dem Sturm auf die Botschaft in Bagdad Kampfhelikopter zum Schutz des riesigen Komplexes eingesetzt. «Wir haben angemessene Schutzmassnahmen ergriffen, um die Sicherheit amerikanischer Bürger zu gewährleisten», twitterte der Sprecher der von den USA angeführten Militärkoalition im Irak am Dienstag.

«Wir schicken zusätzliche Kräfte, um unser Personal an der Botschaft zu unterstützen.» Der Militärsprecher veröffentlichte dazu Videos eines Apache Kampfhelikopters, der mehrere Signalraketen über der US-Botschaft in Bagdad abfeuerte.

Demonstranten klettern Mauern hoch

Die pro-iranischen Demonstranten in Bagdad hatten am Dienstag zunächst an einem Trauerzug für die Getöteten der US-Luftangriffe vom Wochenende teilgenommen. Anschliessend gelang es ihnen, ungehindert alle Kontrollposten zur streng gesicherten Grünen Zone, in der sich die US-Botschaft befindet, zu passieren und erstmals seit Jahren zu der US-Vertretung vorzudringen.

Sie riefen «Tod Amerika», forderten den Abzug der US-Truppen im Irak, warfen Steine, verbrannten US-Flaggen und rissen Überwachungskameras aus den Wänden. Als die Demonstranten weiter gewaltsam vorrückten, umstellten irakische Sicherheitskräfte das Gebäude.

Dann durchbrachen tausende teils uniformierte Kämpfer und Anhänger der pro-iranischen Hasched-al-Schaabi-Miliz die Aussenwand des Botschaftsgeländes, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. US-Sicherheitskräfte auf dem Gelände feuerten zunächst Schüsse ab, dann Tränengas und Blendgranaten. Nach Angaben der Hasched-al-Schaabi-Miliz wurden mindestens 20 Menschen verletzt.

Mahdi ruft zum Rückzug auf

Iraks noch amtierender Regierungschef Adel Abdel Mahdi rief die Demonstranten auf, sich umgehend von der Botschaft zurückzuziehen. Die Sicherheitskräfte würden jedem Angriff auf ausländische Botschaften hart begegnen, hiess es in einer Mitteilung des Regierungsbüros am Dienstag.

Protesters burn property in front of the U.S. embassy compound, in Baghdad, Iraq, Tuesday, Dec. 31, 2019. Dozens of angry Iraqi Shiite militia supporters broke into the U.S. Embassy compound in Baghda ...
Bild: AP

Die irakische Regierung habe die US-Luftangriffe vom Sonntag bereits aufs Schärfste verurteilt, sagte Abdel Mahdi weiter. Er hatte im November aufgrund anhaltender Proteste seinen Rücktritt bekanntgegeben, führt die Amtsgeschäfte aber noch weiter.

Hintergrund: Tödliche US-Angriffe

Hintergrund für den Angriff ist die Wut über die tödlichen US-Luftangriffe vom Wochenende gegen drei Stützpunkte der vom Iran unterstützten Schiiten-Miliz Kataib Hisbollah, bei denen 25 paramilitärische Kämpfer getötet und 50 verletzt wurden.

Die vom Iran unterstützte schiitische Miliz, die Teil der schiitischen Volksmobilisierungseinheiten im Irak ist, kündigte Vergeltung für die Angriffe an. «Das Blut der Märtyrer und der Verwundeten wird nicht vergeblich sein und unsere Antwort gegen die US-Kräfte im Irak wird scharf sein», sagte der stellvertretende Anführer, Abu Mahdi al-Mohandis unmittelbar nach den Angriffen gegen die Miliz.

Die irakische Regierung hat die Angriffe verurteilt und will nun ihre Zusammenarbeit mit der von den USA angeführten Anti-IS-Koalition überdenken.

US-Vergeltung für Raketenangriff

Die USA ihrerseits haben mit den Angriffen auf den Tod eines US-Zivilisten bei einem Raketenangriff auf einen US-Militärstützpunkt im Irak reagiert. Die US-Vergeltungsangriffe richteten sich gegen Stellungen radikaler Hisbollah-Brigaden im Irak.

Die USA machen die Miliz für den Raketenangriff auf einen Militärstützpunkt im Nordirak verantwortlich, bei dem neben dem US-Zivilbeschäftigten vier US-Soldaten sowie zwei irakische Sicherheitskräfte verletzt wurden. Dabei waren waren mehr als 30 Raketen abgefeuert worden.

Die Reaktion der USA stiess auf scharfe Kritik in Bagdad, Teheran und Moskau. Der Irak ist gleichermassen von den USA und dem mächtigen Nachbarstaat Iran abhängig. Die vom Iran unterstützten Schiiten-Milizen trugen wesentlich zum Sieg über die Extremisten-Miliz IS im Irak bei und gehören inzwischen teils zum regulären Militär des Landes.

Grösste US-Botschaft weltweit

Die US-Botschaft in Bagdad ist nach US-Angaben die grösste Botschaft der Vereinigten Staaten weltweit. Sie war im Januar 2009 offiziell eröffnet worden. Der Botschaftskomplex ist mit 42 Hektar in etwa so gross wie Vatikanstadt.

Nach Angaben des Iran-Sondergesandten im US-Aussenministerium, Brian Hook, hat es in den vergangenen zwei Monaten elf Angriffe gegen amerikanische Truppen oder US-Bürger im Irak gegeben.

Bereits im Mai hatte das Aussenministerium aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak Teile des Personals in der Botschaft in Bagdad und dem Konsulat in Erbil zeitweise abgezogen. Im September waren zwei Raketen in der Nähe des Botschaftsgeländes in Bagdad eingeschlagen. (cma/sda/afp/dpa)

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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Magnum
31.12.2019 11:42registriert Februar 2015
Die USA haben vom Iran unterstützte Hisbollah-Ableger im Irak und Syrien angegriffen. Da ist es wirklich nicht überraschend, dass nun Shiiten auf die US-Botschaft marschieren. Die möglichen Konsequenzen militärischer Aktionen wollen genau abgewägt sein. Ich habe meine Zweifel, dass dies aktuell immer der Fall ist. Nach dem noch immer ungeklärten Raketenangriff auf saudische Raffinerien konnte Donald die Orange noch vom Pentagon ausgebremst werden, nach dem Raketenangriff auf Erbil und einem toten US-Amerikaner nicht mehr.

Eine alte Weisheit besagt: An eye for an eye leaves the world blind.
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Mahdi Diyab
31.12.2019 10:24registriert Dezember 2018
Als Iraker kann ich nur sagen dass dies dreckig ist. Diese Leute im dem Video sind Vebrecher die dafür verantwortlich sind das es seit Oktober mehrere Tausende von Verletzen gibt.
Das ist ein Publicity-Stunt. Das irakische Volk protestiert seit dem Beginn von Oktober und diese Pro-Iran Milizen machen denen die Hölle heiss.

In Kurz, diese Demonstrantion ist ein Fake. Nichts anderes als ein Theater. Sie sind angehörigen der Pro-Iran Gruppen und Parteien die den Irak zu einem iranischen Puppenstaat verwandelten.
Es ist ein erbärmlicher versuch, die Irakische Revolution zu besänftigen.
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bbelser
31.12.2019 16:02registriert Oktober 2014
Ich warte immer noch auf den ersten Deal des grossen Dealmakers im Weissen Haus, der den Menschen in dieser Region wenigstens einen Ansatz von friedlicherer Zukunft anbietet. Stattdessen nur Rücknahme mühsam errungener Deals der Vergangenheit, das Schüren von Chaos und Instabilität, dann die erstaunten Kulleraugen über "diese bösen Gewalttäter" und die üblichen Schuldzuweisungen. Das geschieht, wenn wir Politik in die Hände von Troll-Clowns legen.
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