Eine drastische Erziehungsmassnahme, eine fieberhafte Suche und ein Happy End: Fast eine Woche lang ist in Japan nach einem Siebenjährigen gesucht worden, der von seinen Eltern im Wald ausgesetzt worden war. Der Kleine lebt.
Der Vater kämpft mit den Tränen. «Es tut mir so leid für den Buben, dass ich so hart mit ihm umgegangen bin», sagt der Japaner schluchzend vor laufenden Kameras.
Sechs Tage lang haben fast 200 Einsatzkräfte – Polizisten, Freiwillige und Soldaten – nach seinem siebenjährigen Sohn in einem riesigen Waldgebiet gesucht, in dem es vor gefährlichen Bären nur so wimmelt. «Ich habe wirklich nicht gedacht, dass es soweit kommen würde», sagte der Vater reuig.
Zur Strafe dafür, dass der Junge Steine auf Autos und Menschen geworfen habe, hatten er und seine Frau ihn aufgefordert, aus dem Auto zu steigen. Als sie fünf Minuten später zurückkamen, war er weg. Ein Horror für alle Eltern. Der Vater bereut sein Handeln. «Wir meinten es nur gut mit ihm. Ich bin zu weit gegangen», sagt er und entschuldigt sich mit tiefer Verbeugung bei der Öffentlichkeit.
Dass der Kleine am Leben ist, grenzt an ein Wunder. Der Bub stapfte durch den riesigen Wald, wohl nicht ahnend, dass überall Bären lauern könnten. Zufällig kam er auf einem im Wald gelegenen Übungsplatz des Militärs heraus, wo er einen Regenunterschlupf für Soldaten fand.
Hungrig und erschöpft legte sich der Siebenjährige auf eine dreckige Matratze, mit einer anderen deckte er sich notdürftig zu, um sich gegen die bittere Kälte zu schützen. Als Soldaten zwei Tage später auf das Gelände kamen, blieb er aber unentdeckt.
So hielt sich der Kleine lange, einsame Tage und Nächte hier am Leben, ohne einen Bissen Essen, nur mit Wasser aus einem Trog. Erst als drei Soldaten vorbeikamen, um in dem Gebäude Schutz vor Regen zu suchen, wurde er entdeckt, dehydriert und unterkühlt, aber bis auf Kratzer an Armen und Beinen äusserlich unverletzt.
Das ganze Land reagiert mit grosser Erleichterung. Die Trupps, die tagelang das Gebiet zu Fuss, aus der Luft und mit Pferden absuchten, applaudieren. Und in der Grundschule des Buben, wo sich alle 900 Kinder versammelt haben, gellen Jubelschreie durch den Saal. «Ich möchte ihm sagen, das er sich grossartig geschlagen hat und tapfer war», sagt Vize-Schulleiter Yoshitaka Sawada.
Auf Twitter wird der Kleine mit einem berühmten Comic-Helden verglichen, ein anderer vergleicht seinen Überlebenskampf gar mit dem von US-Schauspieler Sylvester Stallone in seiner Rolle als «Rambo».
Das Schicksal des Buben hatte tagelang eine Nation in Atem gehalten, die im Ruf steht, ein wahres Kleinkinderparadies zu sein, wo die Kleinsten nach Strich und Faden gehätschelt und bis in den späten Abend unterhalten werden und sich oft benehmen dürfen wie sie wollen.
Erst später, wenn sie um die Aufnahme in renommierte Schulen und Universitäten wetteifern und in Japans legendäre «Prüfungshölle» treten, ist es mit dem Glück der Anfangsjahre für die Kleinen vorbei.
Auch die Eltern des ausgesetzten Buben werden von Freunden und Nachbarn als liebevolle und fürsorgliche Eltern beschrieben. Und doch sind Fälle von Vernachlässigung und Missbrauch von Kindern in Japan verbreiteter als viele meinen.
Auch die Art der Strafe ist an sich nicht ungewöhnlich. Dass die Eltern ihren Sohn jedoch in einem Wald, in dem Bären leben, aussetzten, ging vielen Japanern dann doch entschieden zu weit.
In sozialen Medien hagelt es teils harsche Kritik. Sei das nicht angesichts der Bärengefahr schon «versuchter Mord?», fragt ein Twitter-Nutzer. «Das hat nichts mit Disziplinierung zu tun, das ist Kindesmissbrauch», wettert ein anderer. Die Eltern hätten zumindest hinter Bäumen ein Auge auf den Jungen halten sollen, so ein anderer.
Der, der die grösste Lehre aus dem Vorfall zu ziehen habe, sei der Vater, meint ein anderer Nutzer. «Von jetzt an werde ich mich besser um ihn kümmern», versichert der denn auch vor laufender Kamera.
(sda/dpa)