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Australien: Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche in Kraft

Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche in Australien gestartet

Betroffen sind zehn grosse Plattformen, darunter TikTok und YouTube.
10.12.2025, 07:3610.12.2025, 08:15

Australien schreibt Geschichte im digitalen Kinderschutz: Ab sofort dürfen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren keine eigenen Konten mehr auf vielen grossen Social-Media-Plattformen besitzen. Betroffen sind zehn Dienste, darunter Instagram, TikTok, Snapchat, Facebook, YouTube, X, Reddit und Twitch.

[Symbolic Image, Staged Picture, ] Sisters sitting on a bed, use their smart phones in their bedsitter, photographed in Lucerne, Switzerland, on December 13, 2015. (KEYSTONE/Christof Schuerpf)

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Ziel ist es Kinder und Jugendliche zu schützen.Bild: KEYSTONE

Das höchst kontroverse Gesetz war bereits Ende 2024 verabschiedet worden und trat am Mittwoch (Ortszeit) trotz Kritik und einer Klage vor dem Obersten Gericht in Kraft. Fast alle grossen Parteien hatten den Vorstoss von Regierungschef Anthony Albanese im Parlament unterstützt. Die Plattformen bekamen zwölf Monate Zeit, um die neue Altersbeschränkung umzusetzen.

Warum wurde ein Verbot eingeführt?

Ziel ist es, Kinder und Jugendliche vor den Risiken zu schützen, die mit der Nutzung sozialer Medien verbunden sind – etwa übermässig viel Zeit am Bildschirm, Cyber-Mobbing und der Konsum von Inhalten, die sich negativ auf psychische und letztlich auch körperliche Gesundheit auswirken können.

Die Online-Sicherheitsbeauftragte Julie Inman Grant sagte, ein späterer Zugang zu sozialen Medien schenke jungen Menschen wertvolle Zeit, um sich ohne die «mächtigen, unsichtbaren Kräfte der undurchsichtigen Algorithmen und endlosen Scroll-Funktionen» zu entwickeln.

Australian Prime Minister Anthony Albanese watches as Minister for Communications Anika Wells speaks at an event to mark the beginning of the social media ban for children under 16 years of age, at Ki ...
Kommunikationsministerin Anika Wells, im Hintergrund Premierminister Anthony Albanese.Bild: keystone

Premierminister Albanese bezeichnete Social-Media-Plattformen als «Geissel» der heutigen Gesellschaft, die junge Menschen von einer normalen Kindheit mit echten Freunden und echten Erfahrungen fernhalte.

«Wir wollen, dass unsere jüngsten Australier mehr Zeit draussen verbringen, Sport treiben, in normaler Weise miteinander umgehen – und weniger Zeit online sind.»

In einer Videobotschaft an Kinder und Jugendliche appellierte er, statt vor dem Smartphone zu hängen, könnten sie die anstehenden Weihnachtsferien dazu nutzen, ein Instrument zu erlernen, Bücher zu lesen oder etwas mit der Familie zu unternehmen.

Den 10. Dezember bezeichnete Albanese in einem Fernsehinterview als «Tag des Stolzes» für ihn und seine Regierung. Das Gesetz stärke Eltern den Rücken bei ihren Bemühungen, den Nachwuchs zu schützen. Soziale Medien seien wie ein Suchtmittel, das «in den Gehirnen der User etwas auslöst, was sie immer weiter scrollen lässt – und natürlich betrifft das Erwachsene genau so».

Wer trägt nun die Verantwortung?

Die Verantwortung tragen mit Inkrafttreten des Verbots nun ausdrücklich die Plattformbetreiber, nicht Eltern oder ihre Kinder. Wer unter 16 ist, wird nicht bestraft, wohl aber die Dienste, wenn sie die Vorschriften missachten.

Plattformen, die keine Altersprüfungen vornehmen, müssen mit Bussgeldern von bis zu 49,5 Millionen australischen Dollar (knapp 27 Millionen Franken) rechnen.

Die Plattformen tragen die Verantwortung.
Die Plattformen tragen die Verantwortung.bild: keystone

Australische Medienberichten zufolge bereitet sich Reddit schon darauf vor, das Verbot vor Gericht anzufechten. Die Social-Media-Plattform hatte zuvor erklärt, sich den Vorgaben zu fügen, obwohl die Bedingungen des Gesetzes inakzeptabel seien.

Ausgenommen von dem Verbot sind Messaging- und E-Mail-Dienste, Sprach- und Videoanrufe, Online-Spiele und Bildungsangebote. Auch beliebte Spieleplattformen wie Roblox und Apps wie Whatsapp oder Messenger fallen – zumindest bisher – nicht unter die neue Regelung.

Wer war gegen ein Verbot?

Erst Ende November hatte die Organisation «Digital Freedom Project» vor dem Obersten Gericht in Canberra Klage eingereicht. Die Gruppe argumentiert, das Verbot sei übertrieben und ein «direkter Angriff auf das Recht junger Menschen auf freie politische Kommunikation». Zwei 15-Jährige treten als Kläger auf. Eine von ihnen, ein Mädchen namens Macy, fühlt sich durch das Gesetz an George Orwells Roman «1984» erinnert, in dem eine totalitäre Überwachungsgesellschaft beschrieben wird.

Aber nicht nur Jugendliche, auch Fachleute und Kritiker sind skeptisch. Viele sagen, Teenager würden lediglich auf andere Dienste ausweichen, etwa Gaming- oder Messaging-Plattformen, wo Risiko und Kontrolle noch schwieriger seien. Andere meinen, die Regierung hätte nicht in ein Verbot investieren sollen, sondern in Programme, die Kindern helfen, sich in den sozialen Medien sicher zu bewegen.

Die australische Menschenrechtskommission (AHRC) ist ebenfalls überzeugt, dass ein generelles Verbot nicht die richtige Antwort ist: «Es gibt weniger restriktive Alternativen, die das Ziel, Kinder und Jugendliche vor Gefahren im Internet zu schützen, erreichen könnten, ohne andere Menschenrechte so stark einzuschränken.»

Eine Alternative wäre demnach, Tech-Unternehmen eine gesetzliche Sorgfaltspflicht aufzuerlegen. «Diese würde sie verpflichten, angemessene Massnahmen zu ergreifen, um ihre Produkte für Kinder und Jugendliche sicher zu gestalten», so die AHRC. Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass in der profitträchtigen Branche vieles unternommen wird, um derartige Beschränkungen zu unterlaufen.

Wie wird das Alter überprüft?

Online-Dienste wie Snapchat hatten kurz vor dem Start Hunderttausende Nutzerinnen und Nutzer dazu aufgefordert, ihr Alter nachzuweisen. Die Hinweise wurden an Accounts verschickt, die nach Einschätzung von Snapchat vermutlich von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren genutzt werden. Die Plattform nutzte dafür «verhaltensbasierte Signale» aus den Aktivitäten sowie selbst angegebene Altersdaten.

Betroffene Userinnen und User bekamen aber die Möglichkeit, im Vorfeld eigene Daten wie Chats, Erinnerungen und Videos herunterzuladen. Ab sofort sind die Konten gesperrt – und werden es auch bleiben, bis die Nutzer 16 sind.

Premier Albanese räumte zuletzt in einem Interview mit dem Sender 7News ein, dass das Gesetz zwar nicht perfekt sei, aber sicher dennoch Nachahmer finden werde: «Wir sind hier weltweit führend, aber die Welt wird Australien folgen.»

Werden andere Länder folgen?

Diskussionen gibt es mittlerweile in vielen Ländern. Das Europäische Parlament stimmte erst kürzlich mit deutlicher Mehrheit für die Forderung nach einem EU-weiten Mindestalter. Der verabschiedete Bericht hat aber bislang keine bindende Wirkung. Die Regierung in Dänemark einigte sich zuletzt mit der Opposition im Parlament darauf, eine nationale Altersgrenze von 15 Jahren für den Zugang zu bestimmten sozialen Medien einzuführen.

In Deutschland gibt es derzeit kein gesetzlich festgelegtes Mindestalter. Theoretisch müssten die Eltern von Jugendlichen unter 16 Jahren der Nutzung zustimmen – jedoch wird das nur selten verifiziert. Zudem können Geburtsdaten bei der Registrierung leicht gefälscht werden. Der Bundesdrogenbeauftragte Hendrik Streeck (CDU) spricht sich für Altersfreigaben und Schutzmechanismen nach Vorbild der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) aus.

Aus Sicht vieler Schüler in Deutschland ist die australische Regelung der falsche Weg. «Die erste Lösung eines Bildungspolitikers kann nicht sein, wir verbieten irgendetwas. Die erste Lösung ist immer Bildung, also jungen Menschen Kompetenzen zu vermitteln», sagte Quentin Gärtner von der Bundesschülerkonferenz der Deutschen Presse-Agentur. «Entscheidend ist, dass mir als junger Mensch beigebracht wird, wie ich mich in den sozialen Medien verhalte.»

(fak/sda/dpa)

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