2010 enthüllt die Plattform Wikileaks geheime US-Militärdokumente, die mutmassliche Kriegsverbrechen zeigen.
Der Gründer von Wikileaks, Julien Assange, wurde in der Folge zu einem gejagten Mann – gehasst, geliebt, verklärt. Eingesperrt. Nun hat der Fall eine drastische Wende genommen und Assange ist bald ein freier Mann. Eine Chronologie:
Der Australier Julien Assange gründet in seiner Heimat die Enthüllungsplattform Wikileaks, auf der sensible oder geheime Dokumente veröffentlicht werden.
Von Juli bis Oktober veröffentlicht die Enthüllungsplattform Wikileaks rund 470'000 als geheim eingestufte Dokumente, die mit diplomatischen Aktivitäten der USA und mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak zu tun haben. Weitere 250'000 Dokumente kommen später hinzu.
Das macht Wikileaks und Julien Assange zur Zielscheibe der US-Regierung.
Unabhängig von seinen Wikileaks-Aktivitäten bewirkt die schwedische Staatsanwaltschaft im November 2010 einen internationalen Haftbefehl gegen Assange. Ihm werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen zwei Frauen vorgeworfen.
Assange weist die Anschuldigung zurück und stellt sich kurz darauf der Polizei in London. Bis zur Entscheidung über einen Auslieferungsantrag Schwedens kommt er gegen Kaution auf freien Fuss – mit Fussfessel.
Ein britisches Gericht gibt dem schwedischen Auslieferungsantrag statt. Assange äussert sich besorgt: Er fürchtet, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte, wo ihm wegen der geleakten Dokumente ein Prozess und womöglich sogar die Todesstrafe droht.
Julian Assange flieht darum in die Botschaft Ecuadors in London und beantragt erfolgreich politisches Asyl. Ecuador bittet die britische Regierung vergeblich um die Erlaubnis, Assange nach Quito auszufliegen.
Schwedische Ermittler scheitern mit ihrem Anliegen, Assange in der Londoner Botschaft zu vernehmen. Eine Uno-Arbeitsgruppe kommt zu dem Schluss, dass Assange im Botschaftsgebäude «willkürlich inhaftiert» sei und dafür von Grossbritannien und Schweden entschädigt werden müsse. Beide Länder weisen die nicht bindende Entscheidung zurück.
Vor der US-Präsidentschaftswahl veröffentlicht Wikileaks rund 20'000 E-Mails aus dem Parteiapparat der Demokraten. Sie stammen aus dem Wahlkampfteam der Kandidatin und früheren Aussenministerin Hillary Clinton.
2017 wird Chelsea Manning vom damaligen US-Präsidenten begnadigt. Sie wurde 2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt, da sie es war, die Wikileaks die Dokumente zugespielt hatte, die Assange auf den Radar der US-Regierung brachten.
Unterdessen stellt die Staatsanwaltschaft in Schweden die Ermittlungen gegen Assange ein. Die britische Polizei will ihn allerdings weiterhin festnehmen, weil er seine Kautionsauflagen verletzt hat.
Assange bekommt Ende 2017 die ecuadorianische Staatsangehörigkeit, allerdings scheitert die Regierung in Quito mit ihrem Anliegen, bei den britischen Behörden Diplomatenstatus für Assange anzumelden. Das hätte ihm ermöglicht, das Botschaftsgebäude zu verlassen, ohne festgenommen zu werden.
Ecuador erklärt, es sei auf der Suche nach einem Vermittler, um Assanges «unhaltbare» Situation zu beenden. Ein Antrag, den Haftbefehl aus gesundheitlichen Gründen zurückzuziehen, scheitert.
Im März kappt das Botschaftspersonal dann Assanges Kommunikationszugänge, weil er sich in die Angelegenheiten anderer Länder eingemischt habe. Ein Wikileaks-Anwalt beschreibt Assanges Lebensumstände als «unmenschlich».
Ecuador legt Assange neue Verhaltensregeln auf und warnt, eine Verletzung der Vorgaben könne zum Entzug des Asyls führen.
Unterdessen taucht in den USA ein Dokument auf, wonach gegen Assange offenbar heimlich Anklage erhoben wurde.
Ecuadors Präsident Lenin Moreno erklärt, Assange habe die Auflagen für sein Botschaftsasyl «wiederholt verletzt». Am 25. April soll ein unabhängiger Menschenrechtsexperte Assange besuchen und eine Einschätzung abgeben, ob die ihm vorgeworfenen Verstösse eine Untersuchung notwendig machen.
Doch dazu kommt es nicht: Am 11. April 2019 nimmt die britische Polizei Assange fest, nachdem ihm das Asyl entzogen worden ist.
Im Mai wird der Australier zu 50 Wochen Haft wegen Verstosses gegen Kautionsauflagen verurteilt.
Gleichzeitig verschärft die US-Justiz ihre Anklage gegen Assange – der Wikileaks-Gründer habe auch gegen das Anti-Spionage-Gesetze verstossen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Gefängnis.
In London beginnt die Hauptanhörung im Auslieferungsverfahren gegen Assange.
Anfang September wird das wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Auslieferungsverfahren fortgesetzt. Ein Psychiater bescheinigt Assange vor Gericht eine Suizidgefährdung. Der Australier sei hochgradig depressiv und habe Halluzinationen.
Ebenfalls 2020 wird bekannt, dass Assange seit 2015 eine Beziehung mit seiner Anwältin Stella Moris führt – und zwei Kinder mit ihr gezeugt hat. Im März 2022 geben sich Moris und Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Süden Londons das Ja-Wort. Stella Moris nennt sich nun Stella Assange.
In London entscheidet ein Gericht am 4. Januar, dass Assange nicht in die USA ausgeliefert werden darf – da er sich wahrscheinlich selbst umbringen würde unter den harten Haftbedingungen in den USA. Die US-Regierung legt Berufung ein.
Im Dezember entscheidet der High Court in London, dass die Zusicherungen der USA in Bezug auf Assanges Inhaftierung ausreichen, um eine menschenwürdige Behandlung zu gewährleisten.
Die britische Regierung ordnet im Juni die Auslieferung von Assange an die USA an.
Dagegen legt Assange Berufung ein. Und Assange bleibt im Londoner Hochsicherheitsgefängnis.
Im Februar 2024 gelingt es dem Team von Assange, seine Auslieferung an die USA erneut zu verhindern. Die Verhandlungen finden im High Court in London statt.
Ende März entscheidet der High Court in London dann, dass der mittlerweile 52-Jährige nicht unmittelbar an die Vereinigten Staaten überstellt werden dürfe.
Seine Frau Stella Assange sagt immer wieder öffentlich, ihr Mann werde sterben, sollte sich seine körperliche und geistige Gesundheit weiter verschlechtern.
Am 11. April tönt US-Präsident Joe Biden an, dass es Bemühungen gebe, die Bestrafung des Wikileaks-Gründers Julian Assange einzustellen.
Am 16. April legen die USA eine vom Gericht geforderten Zusicherungen für eine mögliche Auslieferung vor. Trotzdem entscheidet der High Court am 20. Mai, dass Assange noch einmal Berufung einlegen dürfe.
Am 24. Juni wurde bekannt, dass Julien Assange offenbar mit dem US-Justizministerium eine Vereinbarung getroffen hat. Er soll sich zu vor einem US-Gericht schuldig bekennen, gegen das Spionage-Gesetz verstossen zu haben. Im Gegenzug dürfe er nach Australien zurückreisen.
(sda/afp)