Das kubanische Parlament ist am Mittwoch in Havanna zusammengetreten, um einen neuen Präsidenten zu wählen. Als Nachfolger von Staatschef Raúl Castro wurde den Abgeordneten offiziell Miguel Díaz-Canel vorgeschlagen.
Grosse Umwälzungen sind nicht zu erwarten, denn Díaz-Canel liegt voll auf der Parteilinie. «Die kubanischen Präsidenten werden stets die Revolution verteidigen. Vor allem brauchen wir Kontinuität», sagte der bisherige Vizepräsident kürzlich.
Und doch ist es eine historische Zäsur: Nach Fidel und Raúl Castro rückt erstmals ein Präsident an die Staatsspitze, der erst nach der Revolution zur Welt kam. Im Gegensatz zu den alten Guerilleros, die noch selbst in den Bergen kämpften und den Diktator Fulgencio Batista aus dem Land trieben, verfügt Díaz-Canel nicht über die sozusagen natürliche Legitimation seiner Vorgänger.
Für die Parlamentssitzung verzichtete Raúl Castro auf seine typische Militäruniform und trug Sakko und Krawatte. Begleitet wurde er von mehreren Regierungsmitgliedern. Später sollten die 605 Abgeordneten den neuen Präsidenten sowie den Staatsrat wählen. Das Ergebnis wird allerdings erst am Donnerstag bekanntgegeben.
Nach einer anfänglichen Annäherung an den einstigen Erzfeind USA hat sich das Verhältnis seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wieder deutlich abgekühlt. Die Krise im verbündeten Venezuela bringt ausserdem Kubas Wirtschaft in die Bredouille.
Und zudem öffnet sich die soziale Schere immer weiter zwischen jenen, die Zugang zu Devisen und Tourismuseinnahmen haben, und jenen, die mit dem staatlichen Durchschnittslohn von umgerechnet etwas mehr als 30 Franken auskommen müssen.
Raúl Castro hatte die kubanische Wirtschaft zögerlich geöffnet, um ausländische Investoren beispielsweise im Tourismussektor anzulocken. Die Kubaner dürfen nun kleine Unternehmen betreiben und mit Immobilien handeln. Allerdings gibt es noch immer keine Meinungs- und Pressefreiheit, und politische Bewegungen neben der Kommunistischen Partei sind nicht zugelassen.
«Es ist ein guter Zeitpunkt, um einen konstruktiven Dialog über die Zukunft Kubas zu beginnen», sagt die Regionalchefin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Erika Guevara-Rosas. «Die Regierung sollte die Rechte aller Kubaner garantieren, auch jener, die die Regierung kritisieren», sagt sie.
Nach Einschätzung von Experten wird Díaz-Canel versuchen, die wirtschaftlichen Reformen fortzuführen, gleichzeitig aber die Macht der sozialistischen Führung zu zementieren. (sda/dpa)