Der hochgewachsene Mann mit den grauen Haaren und dem durchdringenden Blick gehört mit seinen 57 Jahren zur jüngeren Generation der kommunistischen Elite in Kuba. Die Revolution von 1959 zum Sturz der von den USA unterstützten Batista-Diktatur hat Miguel Díaz-Canel nicht erlebt. Jetzt soll er die Nachfolge seines politischen Ziehvaters Raúl Castro als Präsident Kubas antreten.
Voraussetzung ist, dass das neue Parlament, das den Staatsrat wählt, am Mittwoch oder Donnerstag entsprechend entscheidet. Daran hat jedoch kaum jemand Zweifel.
Auf Díaz-Canel kommt die schwierige Aufgabe zu, die Errungenschaften der Revolution zu festigen und zugleich die von seinem Mentor Raúl Castro eingeleiteten Reformen voranzutreiben.
Vom scheidenden Staatsoberhaupt bekam Díaz-Canel Vorschusslorbeeren: Sein Wunschnachfolger habe Loyalität und «ideologische Festigkeit» unter Beweis gestellt, und er sei kein «Emporkömmling» und auch kein «Lückenbüsser», sagte der 86-jährige ehemalige Guerillero, langjährige Verteidigungsminister und Armeechef über Díaz-Canel.
Mit dem Amtsantritt als Staatschef wird Díaz-Canel zugleich Oberkommandierender der Streitkräfte. Als solcher steht er den Generälen vor, die seit der Revolution Teil des kubanischen Militärapparates sind und von denen viele hohe Ämter in der Regierung und der Kommunistischen Partei innehaben - eine grosse Herausforderung für Díaz-Canel, der einzig bei einer Einheit für Flugabwehrraketen zwischen 1982 und 1985 im Zuge seines Wehrdienstes militärische Erfahrungen sammelte.
Doch Castro, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) bleibt, wird seinem Zögling vorerst beiseite stehen.
Díaz-Canel beendete sein Studium als Elektronikingenieur 1982. Nach dem Militärdienst lehrte er als Professor an der Universität von Santa Clara. Daneben war er für die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei tätig.
1994 wurde er zum Ersten Parteisekretär der zentralen Provinz Villa Clara gewählt. Dort erregte er Aufsehen, weil er im Gegensatz zu anderen Funktionären mit dem Fahrrad unterwegs war.
Später wechselte er in die östliche Provinz Holguín. 2003 wurde er mit 43 Jahren Mitglied des Politbüros, des höchsten Gremiums der Partei. 2009 erfolgte auf Vorschlag Raúl Castros seine Ernennung zum Minister für Hochschulbildung. 2012 folgte ein weiterer Karrieresprung: Díaz-Canel wurde er einer von acht Vizepräsidenten im Ministerrat, ein Jahr später dann Mitglied im mächtigen Staatsrat.
Díaz-Canels Anhänger loben seine Bescheidenheit und seine Fähigkeit zuzuhören. Der Jeansträger und bekennende Beatles-Fan setzt sich auch für erweiterte Zugänge zum Internet und kritischere Medien ein. Doch vergangenes Jahr tauchte das Video eines privaten Treffens mit KP-Mitgliedern auf, in dem Castros Erster Stellvertreter kräftig gegen Regierungskritiker und die USA austeilte.
Interviews und kontroverse Diskussionen meidet Díaz-Canel gewöhnlich. Er hält lieber Reden bei öffentlichen Auftritten. Als feuriger Redner ist er freilich nicht bekannt.
Aus erster Ehe hat Díaz-Canel zwei Kinder. In zweiter Ehe ist er mit Liz Cuesta, einer auf kubanische Kultur spezialisierten Akademikerin, verheiratet. (whr/sda/afp)