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Hat der Co-Pilot aus Angst um die Fluglizenz seine Krankheit verschwiegen?

Hat der Co-Pilot aus Angst um die Fluglizenz seine Krankheit verschwiegen?

31.03.2015, 08:3531.03.2015, 08:55
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Der Co-Pilot des Germanwings-Flugzeugs war laut der Staatsanwaltschaft Düsseldorf früher wegen Suizidgefahr in psychotherapeutischer Behandlung. In jüngster Zeit hätten Ärzte aber weder eine Suizidgefahr noch ein Risiko für Angriffe auf andere Personen festgestellt.

Hinterbliebene trauern im französischen Le Vernet.
Hinterbliebene trauern im französischen Le Vernet.Bild: YOAN VALAT/EPA/KEYSTONE

Die psychotherapeutische Behandlung erfolgte über einen längeren Zeitraum – noch bevor er seinen Pilotenschein machte. Das teilten Ermittler am Montag in Düsseldorf mit. «Ein Hauptmotiv für uns ist derzeit, dass Lubitz offenbar Angst hatte, wegen seiner medizinischen Probleme die Flugtauglichkeit zu verlieren», will Bild aus Ermittlerkreisen erfahren haben. 

Angst vor der Krankschreibung?

Der Mann hatte eine Auszeit nehmen wollen – doch eine Krankschreibung hätte verhindert, dass der Pilot die Mindestanzahl von Flugstunden absolviert, um seinen Pilotenschein zu erhalten. Die Staatsanwaltschaft erklärte: «Im Folgezeitraum und bis zuletzt haben weitere Arztbesuche bei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie mit Krankschreibungen stattgefunden, ohne dass Suizidalität oder Fremdaggressivität attestiert worden ist.»

Ärztliche Dokumente über eine organische Erkrankung seien nicht gefunden worden. Dies gelte auch für die angeblichen Augenprobleme, über die Medien berichtet hatten. Bei den Ermittlungen fanden die Staatsanwälte nach eigenen Angaben bislang weder im persönlichen und familiären Umfeld von Andreas Lubitz noch an seinem Arbeitsplatz Hinweise auf ein Motiv. Auch fehlten weiter eine Ankündigung für die Tat oder ein Bekennerschreiben.

Am 29. März werden in Le Vernet die Flaggen der Länder gezeigt, die Opfer zu beklagen haben.
Am 29. März werden in Le Vernet die Flaggen der Länder gezeigt, die Opfer zu beklagen haben.Bild: Claude Paris/AP/KEYSTONE

Ausdrücklich betonte die Staatsanwaltschaft, dass sie sich nicht an Spekulationen zur Motivlage des Co-Piloten beteiligen wolle und könne. «Die Ermittlungsbehörden haben sich allein an Fakten zu halten.»

«Sonderkommission Alpen» mit 100 Beamten

Die Lufthansa äussert sich nicht inhaltlich. «Wir haben die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis genommen. Zu Erkenntnissen über eine psychotherapeutische Behandlung oder etwaige Arztbesuche können wir uns nicht äussern», sagte eine Sprecherin der Fluggesellschaft am Montag in Frankfurt. Die ärztliche Schweigepflicht gelte auch gegenüber dem Arbeitgeber.

Die Lufthansa-Sprecherin bekräftigte, Piloten würden vor Erteilung der Lizenz einem Gesundheitscheck unterzogen. Diese flugmedizinische Tauglichkeitsprüfung werde alle zwölf Monate wiederholt. Dabei werde auch auf mentale Auffälligkeiten geachtet.

Gedenken in Düsseldorf.
Gedenken in Düsseldorf.Bild: EPA/DPA
Für die Bergung wird eine Strasse angelegt.
Für die Bergung wird eine Strasse angelegt.Bild: EPA/AP POOL

Bei der Düsseldorfer Polizei bemüht sich unterdessen die «Sonderkommission Alpen» weiter mit Hochdruck um die Aufklärung des Flugzeugabsturzes. Etwa 100 Beamte seien derzeit ausschliesslich mit der Identifizierung der Opfer und den weiteren Ermittlungen in dem Fall beschäftigt, teilte die Behörde mit. Gemeinsam mit Seelsorgern besuchten sie die Wohnungen der Opfer in Nordrhein-Westfalen, um DNA-Spuren und Fingerabdrücke sicherzustellen.

Neue Strasse soll Bergung beschleunigen

Die französischen Behörden bemühten sich unterdessen mit schwerem Gerät, eine Strasse in die Nähe der abgelegenen Absturzstelle in den Alpen zu bauen. So soll die Bergung der Leichenteile beschleunigt werden. Die Arbeiten würden vermutlich bis Dienstag oder Mittwoch abgeschlossen sein, sagte der Sprecher der Gendarmerie, Xavier Vialenc. «Damit werden wir Zeit sparen», erklärte er. Bisher seien DNA-Spuren von 78 Opfern entdeckt worden.

Bisher müssen die Bergungshelfer von der Gendarmerie mit Helikoptern zur Absturzstelle gebracht werden. Die Hänge dort sind so steil, dass sie nur angeseilt arbeiten können. Schlechtes Wetter schränkt die Helikopterflüge ein. Die Helfer suchen ausserdem nach dem zweiten Flugschreiber, der die technischen Daten des Fluges aufzeichnet. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse beziehen sich auf die Auswertung des Stimmenrekorders aus dem Cockpit. 

(sda/reu/dpa/afp)

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