«Oh, mein Gott, oh, mein Gott», rufen die schockierten Augenzeugen auf Englisch. Auf ihrem Video ist zu sehen, wie rund zehn Skifahrer auf einer Piste am Arlberg von einer Lawine erfasst werden. Die Behörden gehen vom Schlimmsten aus und starten eine der grössten Rettungsaktionen der vergangenen Jahre in dem Gebiet.
200 Retter suchten am ersten Weihnachtsfeiertag stundenlang in den Schneemassen. Die Bilanz: Ein teilverschütteter 46-jähriger Deutscher, der laut Polizei in London lebt, wurde bald geborgen. «Er liegt mit sehr schweren Verletzungen auf der Intensivstation, sein Zustand ist aber stabil», teilte ein Sprecher der Tirol Kliniken in Innsbruck mit.
Alle anderen betroffenen Skigäste – sie stammen nach Angaben des Tourismusverbands aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Bosnien, Kroatien und aus den USA - zogen sich leichte Blessuren zu oder blieben unverletzt.
«Da war sehr viel Glück dabei», sagte ein Polizeisprecher am Montag zu den dramatischen Ereignissen. Die Lawine hatte sich unterhalb des 2700 Meter hohen Trittkopfes bei Lech gelöst. Grund für den glimpflichen Ausgang war nach Einschätzung der Polizei wohl auch, dass die Ausläufer der Staub-Lawine nicht mehr eine solche Gewalt hatten. «Ausserdem kann man auf einer Skipiste leichter davonfahren als im freien Skiraum», so der Polizeisprecher weiter. Die Piste sei mit ihrer roten Markierung ohnehin nur für gute Skifahrer geeignet, was sicher auch ein Vorteil gewesen sein könnte.
Was hätte passieren können, zeigt aber allein die Fläche, die die Lawine auf der Piste bedeckte: 500 bis 600 Meter lang und teils mehrere Meter hoch war der Lawinenkegel - eine Fläche von mehreren Fussballfeldern. Vom «Weihnachtswunder von Lech» sprach der Bürgermeister des wegen seiner vielen Pisten und seiner Schneesicherheit beliebten Orts, Gerhard Lucian, gegenüber dem ORF.
Lechs Tourismuschef Hermann Fercher hatte bei aller Freude über den recht glimpflichen Ausgang eine dringende Bitte: «Jeder, der an einem Lawinenhergang beteiligt ist, sollte sich melden, das würde die Arbeit erleichtern», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die von der Lawine erfassten Skifahrer waren ins Tal abgefahren und hatten sich teils erst stundenlang nach dem Vorfall bei den Behörden gemeldet.
Die Rettungskräfte hatten schon davor Hoffnung geschöpft, da die sonst üblichen Vermisstenmeldungen durch Angehörige ausgeblieben waren. Nichtsdestotrotz wurde bis Mitternacht unter Scheinwerferlicht jeder Quadratmeter mit Sondierstangen nach möglichen Opfern abgetastet. Am Montag folgte eine Sicherheitssuche. Sie bestätigte, dass niemand unter der Lawine liegt.
Bei einem Lawinenunglück kommt es auf jede Minute an. Die Opfer ersticken in der Regel schnell unter dem fest gepressten Schnee oder erliegen ihren Verletzungen. In Einzelfällen haben Verschüttete aber Glück und vor ihrem Gesicht befindet sich ein Hohlraum, der das Atmen ermöglicht. Unter diesen Umständen wurden Wintersportler auch noch nach mehreren Stunden lebend geborgen.
Prominentestes Lawinenopfer am Arlberg ist der niederländische Prinz Friso. Er wurde im Februar 2012 abseits der Piste verschüttet und starb nach eineinhalb Jahren im Koma.
Dass Lawinen auch die als sicher geltenden Pisten erreichen, ist äusserst selten, aber nicht ausgeschlossen. So starben vor drei Jahren in Südtirol eine Frau und zwei sieben Jahre alte Mädchen, als sich im Schnalstal in 3000 Metern Höhe ein riesiges Schneebrett löste und bis auf die Piste donnerte. Auch in Andermatt in der Schweiz war es im Dezember 2019 zu einem Vorfall gekommen, bei dem Schneemassen sechs Skiläufer auf der Piste verschütteten. Das Unglück ging aber glimpflich aus.
Im Fall von Lech war laut Fercher der als kritisch bekannte Bereich am Sonntag wegen des rund ein Meter hohen Neuschnees bereits gesprengt worden. Offenbar habe die Sprengung die Gefahr aber nicht gänzlich beseitigt. Am ersten Weihnachtsfeiertag herrschten dann frühlingshafte Bedingungen. Der Warndienst hatte nicht zuletzt deshalb für die hochalpinen Bereiche eine erhebliche Lawinengefahr vorhergesagt. Die Behörden ermitteln nun unter anderem wegen fahrlässiger Körperverletzung. (sda/dpa)
Wobei ich nicht ganz verstehen kann, wie man nach so einem Vorfall einfach "gehen" kann, ohne sich zu melden. Es müsste doch jedem klar sein, dass man danach gesucht wird und man so allenfalls unnötigen Aufwand produziert (geschweige denn, die Helfer allenfalls unnötig im Lawinenkegel in Gefahr bringt).