Nicole und ich waren zusammen in der Berufsschule. Zu dieser Zeit waren wir sehr eng. Danach waren wir immer noch einigermassen eng. Später verloren wir uns aus den Augen, bis wir vor einigen Jahren, Instagram sei Dank, wieder zueinander fanden.
Seit da sehen sich Nicole und ich alle paar Monate. Unsere Leben sind sehr verschieden. Das macht aber logischerweise nichts. Ich finde Nicole super. Nicole findet mich super.
Wen ich gar nicht super finde, ist Claudia, Nicoles kleine Schwester. Die ist es aber, die Nicoles Polterabend organisiert. Nicole heiratet nämlich bald Roger, ihre Jugendliebe. Die sind übrigens zusammen, seit sie 15 sind.
Sie hatten noch nie mit jemand anderem Sex. Ultra romantisch irgendwie. Und gleichzeitig ultra krass.
Jedenfalls lande ich neulich in einer WhatsApp-Gruppe mit 15 Frauen. Erstellt von Claudia. Subject: Polterabend Nicole, Hihi, Hehe, Höhö. Dazu Informationen, die mir Angst machen: Wir sollen uns lustig verkleiden. Vor Ort bekommen wir noch ein T-Shirt mit Nicoles Gesicht drauf.
Es ist alles erlaubt. Man darf als Marienkäfer, Biene, Teufel oder Engel kommen. Falls jemand eine andere Idee hat, soll sie sich melden.
Ich hätte eine: Können wir den Scheiss einfach sein lassen?
Aber hey, es geht um Nicole. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das lässig finden wird. Andererseits wird sie ihre Schwester ja wohl besser kennen als ich. Also kaufe ich mir tatsächlich so einen beschissenen Marienkäfer-Haarreif und montiere eine rote Leggings mit schwarzen Tupfen. Dazu ziemlich hohe Stiefeletten, Lederjacke, rote Lippen, sehr schwarz geschminkte Augen.
Wir treffen uns logischerweise am Central in Zürich. Wir machen logischerweise eine Tour durchs Niederdorf. Die arme Nicole hat einen Bauchladen umgehängt bekommen. Sie muss so Titten-Pasta und so kleine Gummi-Muschis verkaufen.
Arme Nicole.
Natürlich sind wir nicht die einzige Polterabend-Truppe, die hier heute unterwegs ist. Wir treffen mehrfach auf Männergruppen. Dann müssen Nicole und der Bräutigam in spe so Sachen machen wie Lippenstiftabdrücke auf sein Shirt oder sein Gesicht drücken. Und er muss ihr Gummi-Muschis abkaufen und dann posieren sie für Fotos.
Ich soll auch Lippenstiftabdrücke hinterlassen. Und den einen armen Typen aufs Füdli hauen, während seine Kumpel filmen. Ich mach das sicher nicht.
Claudia hat auch ein Tablett dabei. Hie und da gibt es Shots. Ich trinke immer zwei. Weiss sonst nicht, wie ich das hier überstehen soll. Nicole scheint nach dem vierten Shot Spass zu haben. Gut so.
Irgendwann werden wir von einer pinken Stretchlimousine abgeholt, die uns in ein Erlebnisgastronomie-Restaurant fährt. Da gibt's zu den Shots einen Plastikhelm auf den Kopf und Kellner:innen, die dann an Köpfen rumzerren und irgendwelche Parolen schreien. Die ich nicht mehr verstehe. Eventuell ein Schutzmechanismus, eventuell habe ich zu sehr einen sitzen.
Wir essen logischerweise Fajitas. Die Musik ist so laut, dass wir nicht miteinander reden können. Was mir sehr recht ist. Es läuft «Bailando» von Loona. Und Gipsy Kings (geil!) und «The Ketchup Song».
Es ist kurz vor 23 Uhr, als uns der Chauffeur der pinken Stretchlimousine an einen sehr geheimen Ort bringt. Was jetzt kommt, soll für Nicole DAS Highlight sein. Claudia ist sehr aufgeregt. Sie hat null Alkohol intus. Wir alle anderen haben schon sehr gut einen sitzen.
Die eine, keine Ahnung, wie sie heisst, hat so viel gesoffen, dass sie jetzt aus dem Fenster kotzt. Zwei andere wollen nach Hause. Und eine weint, weil sie vor ein paar Wochen von ihrem Verlobten sitzen gelassen wurde.
Wir setzen also die ab, die heim wollen. Dann fahren wir die, die gekotzt hat, nach Hause. Die, die weint, nehme ich zu mir. Nicole soll Party machen können. Also höre ich mir das Geheule an und tröste und bestätige, dass ihr Verlobter ein Wixer ist, obwohl ich das Gefühl nicht loswerde, dass die Weinende hier massiv anstrengend ist.
Aber Sister before Mister. An einem Abend wie diesem sowieso.
Dann kommen wir an.
In einer Tiefgarage.
Es ist sehr grell und abgelegen und Fuck, wir sind irgendwo im Nirgendwo.
Ich vermute, wir fallen gleich Organhändlern zum Opfer.
Das ist es nicht.
Es ist aber nicht viel weniger schlimm.
Vielleicht/ganz sicher habt ihr schon eine Vermutung.
Was jetzt kommt, lest ihr in zwei Wochen an dieser Stelle.
Sorry dafür. Aber ich kann diese Scheisse nur gestapelt von mir geben.
Drum fürs erste Tschüss, Ciao und Adieu.
Nein, Moment, eine Frage an das Arschloch, das Polterabende erfunden hat: Dude, was stimmt nicht mit dir!?