Drei Monate nach der Entdeckung einer isoliert auf einem Bauernhof in den Niederlanden lebenden Familie hat die Staatsanwaltschaft neue Details zum Martyrium der Kinder bekanntgegeben. In einer ersten Gerichtsanhörung warf sie dem 67-jährigen Familienvater vor, die sechs Kinder isoliert und immer wieder körperlich misshandelt zu haben, um «böse Geister» aus ihnen zu vertreiben.
Das frühere Mitglied der Moon-Sekte hatte nach Angaben der Staatsanwälte insgesamt neun Kinder, doch nur die sechs jüngeren lebten mit ihm auf einem abgeschiedenen Bauernhof in Ruinerwold, einem kleinen Ort in der Provinz Drenthe. Ihr Vater schirmte sie demnach von Geburt an von der Aussenwelt ab. Sie mussten stets im Haus bleiben, gingen in keine Schule und waren auch nicht bei den Behörden gemeldet.
Weil der Vater überzeugt war, die Kinder seien von einem «bösen Geist» besessen oder «unrein», habe er mit «schweren körperlichen Strafen» reagiert, berichtete die Staatsanwaltschaft weiter. Demnach erzählte eines der Kinder, wie es an Händen und Füssen gefesselt und mit Fusstritten traktiert wurde. Ein anderes musste den gesamten Sommer in einer Hundehütte auf dem Gelände des Bauernhofs zubringen.
Laut Staatsanwaltschaft lebte der Vater von 2007 bis 2019 mit seinen Kindern auf dem Bauernhof. Die Mutter war demnach bereits 2004 gestorben. Die Behörden wurden erst auf die Familie aufmerksam, als eines der inzwischen erwachsenen Kinder im Oktober in verwahrlostem und verwirrtem Zustand in einem Gasthaus des Dorfes auftauchte.
Der Vater sowie der 58-jährige österreichische Vermieter des Bauernhofs wurden kurz darauf festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater vor, die Kinder ihrer Freiheit beraubt, sie geschlagen, getreten sowie ihnen Essen und Trinken verweigert zu haben. Zudem soll er zwei der drei ältesten Kinder, die nicht mehr bei ihm lebten, sexuell missbraucht haben. Ihnen war es zudem strikt verboten, von ihren Geschwistern zu erzählen.
In ihren Tagebüchern hätten sich die sechs jüngeren Kinder überzeugt gezeigt, dass sie durch den «Kontakt mit der Aussenwelt 'unrein' würden und 'böse Geister' in den Körper einfahren können», berichtete die Staatsanwaltschaft. Der Vater habe bestimmt, wer besessen sei. Dieses Kind musste beten, die anderen durften keinen Kontakt mit ihm haben - «manchmal monatelang nicht».
Um seine Kinder gefangen zu halten, habe D. sie nicht einmal einschliessen müssen, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die ständigen Misshandlungen hätten als virtuelles Schloss gereicht.
Bei der Anhörung vor dem Gericht der Provinzhauptstadt Assen ging es zunächst nur um eine Verlängerung der Untersuchungshaft. Aus Gesundheitsgründen blieb der Vater ihr fern.
Dagegen war sein Vermieter zugegen. Er muss sich ebenfalls wegen Freiheitsberaubung verantworten, ein Vorwurf, den er am Dienstag vehement zurückwies. «Ich habe den Eindruck, das ist eine Hexenjagd», zitierte die niederländische Nachrichtenagentur ANP den 58-Jährigen. Er habe niemanden der Freiheit beraubt, und «ein reines Gewissen», fügte er hinzu. (sda/afp)