Polens proeuropäische Regierung hat eine Vertrauensabstimmung im Parlament überstanden. Eine Mehrheit von 243 der 453 anwesenden Abgeordneten sprach dem Kabinett von Regierungschef Donald Tusk das Vertrauen aus. 210 stimmten dagegen. «Donald Tusk, Donald Tusk», skandierten die Parlamentarier des Regierungslagers nach der Abstimmung. «Meine Absicht war nicht, zu zeigen, wie stark ich bin und dass ich die Mehrheit habe. Ich wollte nur alle Spekulationen beenden», sagte Tusk.
Przystawki zjedzone.
— Krzysztof Mulawa (@krzysztofmulawa) June 11, 2025
PSL klaszcze na stojąco.
Tusk na stanowisku. 👎 pic.twitter.com/YdPBdqn82Z
Der Rechtskonservative Karol Nawrocki hatte die Präsidentenwahl am 1. Juni gegen den Kandidaten aus dem Lager von Tusk gewonnen. Der parteilose Nawrocki wird von der oppositionellen PiS unterstützt. Er hat bereits angekündigt, dass sich Tusk auf «harten Widerstand» aus dem Präsidentenpalast einstellen kann. In Polen kann der Präsident neue Gesetze mit einem Veto blockieren.
Tusk hatte die Vertrauensabstimmung angesetzt, weil er sichergehen wollte, dass in seinem heterogenen Bündnis alle Koalitionspartner hinter ihm stehen. «Ich bitte um ein Vertrauensvotum, weil ich die Überzeugung, den Glauben und die Gewissheit habe, dass wir das Mandat haben, zu regieren und die volle Verantwortung für das zu übernehmen, was in Polen geschieht», sagte Tusk in seiner Regierungserklärung. Das Regieren werde sicherlich schwerer, aber dies sei für ihn kein Grund, zu kapitulieren.
Dass die Zeichen auf Konfrontation stehen, machten die Abgeordneten der PiS im Parlament deutlich: Während Tusks Regierungserklärung waren die meisten von ihnen demonstrativ nicht im Plenarsaal anwesend. «Wir wollen nicht an Tusks PR-Aktion teilnehmen», sagte dazu PiS-Fraktionschef Mariusz Blaszczak.
In der anschliessenden Fragestunde thematisierten die PiS-Abgeordneten so häufig Tusks angebliche Hörigkeit gegenüber Deutschland, dass dieser irgendwann entnervt vom Rednerpult rief:
In seiner Rede zog Tusk eine Bilanz der bisherigen anderthalb Jahre Arbeit seiner Regierung. Er hob hervor, dass sein Land wirtschaftlich hervorragend dastehe. Die Inflation, die zu PiS-Zeiten sehr hoch war, sei unter Kontrolle. Polen verzeichne mit 3,7 Prozent Wirtschaftswachstum den höchsten Wert innerhalb der EU. Die Arbeitslosigkeit sei die niedrigste innerhalb der Staatengemeinschaft.
Der Regierungschef betonte auch, dass es gelungen sei, die Grenze zu Belarus, die auch eine EU-Aussengrenze ist, weiter zu befestigen, um irreguläre Migration zu stoppen. Dafür seien EU-Mittel eingeworben worden. Polen und die EU beschuldigen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, gezielt Menschen aus Krisenregionen an die polnische Ostgrenze zu bringen.
Der 68-jährige Tusk verwies auch auf die aussenpolitischen Erfolge. «Polen ist in die Extraklasse der Weltpolitik zurückgekehrt», sagte Tusk. Er verwies auf den kürzlich mit Frankreich unterzeichneten Freundschafts- und Kooperationsvertrag, der auch Beistand in Verteidigungsfragen vorsieht. Auch das Verhältnis zu den USA laufe bestens und auf «höchster Ebene», sagte Tusk. Polen ist ein enger militärischer und politischer Verbündeter der von Russland angegriffenen Ukraine und hat eine wichtige Funktion als logistische Drehscheibe für Militärhilfe des Westens.
Tusk kündigte an, im Juli werde er sein Kabinett umbilden. «Es wird sicher auch neue Gesichter geben.» Auch solle ein Regierungssprecher dafür sorgen, dass die Politik besser kommuniziert wird. Nach der Niederlage von Tusks politischem Mitstreiter Rafal Trzaskowski bei der Präsidentenwahl war die unzureichende Informationspolitik der Regierung vielfach kritisiert worden. Auch hiess es, Tusk sei bei vielen Themen zu zögerlich vorgegangen, etwa bei der im Wahlkampf versprochenen Liberalisierung des Abtreibungsrechts.
Geringe Fortschritte gibt es auch bei dem wichtigsten Projekt von Tusks Regierung: Der ehemalige EU-Ratspräsident war angetreten, die Beschädigungen des Rechtsstaats rückgängig zu machen, die die von 2015 bis 2023 amtierende PiS-Regierung mit ihrer Justizreform ausgelöst hat. Jedoch hat der amtierende Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, alle entsprechenden Gesetzentwürfe bislang blockiert.
Bereits jetzt zeichnet sich ab: Nawrocki, der sein Amt am 6. August antritt, wird mit noch grösserer Härte vorgehen. Der 42-jährige promovierte Historiker, der eine Vergangenheit als Amateurboxer und Türsteher hat, verdankt seinen Aufstieg dem mächtigen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, einem politischen Erzfeind von Tusk. Das künftige Staatsoberhaupt sagte in der vergangenen Woche, er habe keine Angst vor Tusk und werde auf jede Provokation «hart und entschieden» reagieren. (rbu/hkl/sda/dpa)