Spioniert die AfD für Russland? Das steckt hinter den Vorwürfen
«Schon seit geraumer Zeit beobachten wir mit zunehmender Sorge, dass die AfD das parlamentarische Fragerecht dazu missbraucht, gezielt unsere kritische Infrastruktur auszuforschen», erklärte Thüringens Innenminister Georg Maier von der SPD gegenüber dem Spiegel (Abo) vor zwei Wochen.
Konkret geht es um eine auffällige Häufung sogenannt «Kleiner Anfragen» im Thüringer Landtag. Dort verlangte die AfD Details zu Militärtransporten, Drohnenabwehr, zur Wasser- und Energieversorgung, der Verkehrsinfrastruktur und der digitalen Infrastruktur, der Ausstattung im Bevölkerungsschutz und des Gesundheitswesens und zu Aktivitäten der Bundeswehr. Laut Spiegel liegen alleine in Thüringen 58 solcher Kleiner Anfragen vor.
Die Welt (Abo) berichtet, dass unter anderem die Aktivitäten des Thüringer AfD-Hinterbänklers Ringo Mühlmann besonders besorgniserregend seien. Er habe sich sehr spezifisch für Details zu «Sensorik, Signalverarbeitung und Ortungstechnik», die für das Abwehren von Drohnen notwendig seien, interessiert. Doch nicht nur das. Auch militärische Transporte durch Thüringen interessierten den ehemaligen Polizeisprecher besonders. Neben Mühlmann trat auch die Landtagsabgeordnete Nadine Hoffmann auffällig in Erscheinung. Ihr Augenmerk richtete sich auf Gewässeranlagen und Staumauern, welche von der Feuerwehr im Ernstfall genutzt werden.
Anfragen sind in Deutschland ein politisches Instrument, um bei der Regierung schriftlich Auskunft über einen bestimmten Sachverhalt zu erlangen. Damit erhält das Parlament ein Kontrollinstrument für die Arbeit der Exekutive. Im Juli dieses Jahres ging das Resultat einer solchen Anfrage viral. Die AfD verlangte nach einer Liste mit den häufigsten Vornamen von Sozialgeldempfängern (Bürgergeld). Platz eins bis sechs belegten Michael, Andreas, Thomas, Daniel, Olena und Alexander. Das Resultat wurde in den sogenannt Sozialen Medien von «Content Creators» mit Migrationshintergrund spöttisch kommentiert.
Die aktuelle Diskussion gibt weniger Grund für Gelächter. Immer wieder schmiegen sich AfD-Mitglieder an Mütterchen Russland und verkehren in der Botschaft, als wäre es ihr zweites Zuhause. So erstaunt es nicht, dass auch im Bundestag die AfD aktiv war. Dort sollen Anfragen eingetroffen sein, welche «nicht mit einem gerechtfertigten Frageinteresse zum Zweck der parlamentarischen Kontrolle der Regierung» erklärt werden könnten, so CDU-Politiker Röwekamp.
Die verdächtigte AfD dementiert. Hoffmann nannte die Mutmassungen «grotesk», der strafrechtlich verurteilte Rechtsextremist Björn Höcke, Fraktionschef der Thüringer AfD, beschrieb die Anschuldigungen als «Griff in die Mottenkiste des Kalten Krieges». Trotzdem waren die Anfragen derart suspekt, dass das Problem gestern im Bundestag behandelt wurde. Zu einer Beweisführung seitens der Ankläger kam es nicht. Dafür zu zusätzlichen Anschuldigungen. Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic nannte die angeschuldigte Partei ein «Trojanisches Pferd für die Interessen des Kreml». Noch etwas deftiger war die Wortwahl bei Marc Heinrichmann von der CDU. Er warf der rechtsextremen AfD vor, eine «russlandtreue Schläferzelle» in ihren Reihen zu dulden.
Wie schon zuvor wies die AfD sämtliche Anschuldigungen als «peinlich und bösartig» zurück. «Wenn irgendetwas dran wäre, hätten Sie uns doch schon längst eingekerkert», lehnte sich der AfD-Abgeordnete Markus Frohnmaier aus dem Fenster. Auch wenn die Indizien den Verdacht nähren: Solange nichts bewiesen ist, gilt auch im deutschen Rechtsstaat die Unschuldsvermutung.
