Nach seiner Teilnahme bei «Promi Big Brother» im vergangenen Jahr wollte sich Matthias Distel alias Ikke Hüftgold einem weiteren TV-Experiment stellen: «Plötzlich arm, plötzlich reich». In der Sendung tauscht eine wohlhabende Familie eine Woche lang mit einer sozial schwächeren Familie. Doch die Dreharbeiten wurden für den Sänger und TV-Star schnell zum Albtraum, wie er am vergangenen Montag auf Instagram berichtete.
Der Grund: «Menschenunwürdige Geschehnisse», vor allem im Umgang mit den Kindern der Tauschfamilie, bei denen schwere Traumata wissentlich ignoriert worden sein sollen. In einem rund 18-minütigen Video erhob Distel schwere Vorwürfe gegen den Sender Sat.1 und die ausführende Produktionsfirma «Imago TV», denen er eine «gewissenlose Quotenjagd auf dem Rücken missbrauchter Kinder» vorwirft.
Distel berichtete von dem Moment, als er am ersten Drehtag in der vergangenen Woche die Wohnung der ihm bis dahin unbekannten Tauschfamilie betrat. «Die Tatsache, dass wir nach zehn Minuten Aufenthalt weinend vor der laufenden Kamera standen, soll lediglich deutlich machen, welche Emotionen beim Anblick dieser Zustände aus uns herausbrachen.»
Dass unter diesen Verhältnissen vier Kinder leben sollten, habe ihn sprachlos gemacht. Doch eine Entdeckung schockierte ihn besonders: «In der Wohnung hing ein Kalender, der die letzten sechs Monate der Familie dokumentiert. Jedes Familienmitglied hatte seine eigene tägliche Spalte. Die zwei jüngsten Kinder sowie die Mutter befinden sich laut Eintragungen auf diesem Kalender in psychologischer Behandlung. Ich greife jetzt schon vorweg, dass später herauskam, dass die Produktion über die Behandlung der Kinder Bescheid wusste», so Distel.
Trotz Castings und langer Vorgespräche habe sich jedoch niemand im Vorfeld bei einem Psychologen rückversichert, ob man die acht und zehn Jahre alten Kinder «rechtlich und moralisch gesehen in ein Fernsehformat ziehen kann». Man habe sich lediglich auf die Aussagen der selbst in psychologischer Behandlung befindlichen Mutter verlassen. Auch der Sänger habe sich zunächst mit der Einschätzung der Redaktion abgefunden.
Doch «dass ich dann vor laufender Kamera erfuhr, dass die Kinder in der Vergangenheit durch ihren eigentlichen Vater schwerste Kindesmisshandlungen erlitten haben sollen, führte von meiner Seite zum sofortigen Abbruch der Dreharbeiten». Auch dass ihm durchgehend vom Team suggeriert worden war, dass die Kinder sich in seinem Umfeld in Limburg sehr wohlfühlen würden und eine tolle Zeit hätten, stellte sich im Nachhinein als Lüge heraus.
Erst später erfuhr Distel: «Einer der Jungen schlug sich laut Aufnahmeleitung mehrfach den Kopf an meine Zimmerwand, um sich selbst zu verletzen. Auf dem Weg zu einem Aussendreh kotete dieser Junge sich ein. Der Andere der jüngsten Geschwister stand auf meinem Balkon im vierten Stock und schrie, dass er sich jetzt umbringen würde. Zudem schlugen sich die jüngsten Geschwister mehrfach.»
All diese Vorfälle seien direkt der Chefetage übermittelt worden. «Jeder einzelne dieser Vorfälle hätte mit dem Hintergrundwissen des Senders und der Produktion zum sofortigen Abbruch des Formates führen müssen. Anstatt dessen wurde appelliert, die laufende Produktion nicht zu gefährden und den Dreh fortzuführen», berichtete der TV-Star und klagte an: «Ethik, Moral, Anstand und das Kindeswohl wurden dabei vollkommen und in meinen Augen vorsätzlich ignoriert!»
Er habe zwar mehrfach mit Sender und Produktionsfirma gesprochen und zunächst mit sich gerungen, an die Öffentlichkeit zu gehen, doch «es geht hier um Kinder! Schwer traumatisierte Kinder, die in meinen Augen aufgrund von möglichst hohen Quoten und einer menschenverachtenden Herangehensweise die Sensationsgier der breiten Masse befriedigen sollten», so Distel.
An die Verantwortlichen gewandt erklärte er abschliessend: «Ich fordere hiermit Sat.1 und ‹Imago TV› zur lückenlosen Aufklärung der Geschehnisse auf und appelliere gleichzeitig an alle, ob im beruflichen oder im privaten Umfeld, im Sinne unserer Schwächsten, unseren Kindern, in Zukunft wachsamer zu sein!» Alle von ihm erhobenen Vorwürfe seien durch Zeugen und Dokumente belegbar, betonte der Sänger.
Am vergangenen Mittwoch hat sich Sat.1 erstmals öffentlich zu den Vorwürfen geäussert. Der Sender bedankte sich bei dem Ballermann-Star, dass er sie «über die Umstände beim Dreh zu ‹Plötzlich arm, plötzlich reich› informiert» habe. «Unmittelbar nachdem wir seine Mail erhalten haben, haben wir begonnen, mit der Produktionsfirma und der Familienhilfe zu reden, um der Familie zu helfen und um die Zusammenhänge aufzuarbeiten.»
Diese Arbeit sei noch nicht abgeschlossen, hiess es auf Instagram weiter. «Aber es steht fest, dass Sat.1 keine Sekunde dieser Folge zeigt.» Das habe Sat.1 dem Sänger bereits vergangene Woche mitgeteilt.
Einen Tag danach wurden die ersten Fehler eingestanden. «Klares Fazit: Wir waren nicht sorgfältig genug bei der Auswahl der Familie. Es gab Fehleinschätzungen, die so nicht passieren dürfen.» Gleichzeitig gab es aber auch eine leichte Kritik an Hüftgold: «Wir bedauern zudem, dass Ikke Hüftgold mit seinen Äusserungen die Familie ungefragt in die Öffentlichkeit gebracht hat. Wir hatten uns mit ihm um den gemeinsamen Drehabbruch herum gemeinsam darauf verständigt, insbesondere die Kinder zu schützen.»
Am Samstag folgte nun des Senders dritte Meldung. Sat.1 teilte mit, dass ‹Plötzlich arm, plötzlich reich› abgesetzt wird – und gab Einblicke in die Entscheidungsfindung. Dabei offenbarte man auch «Fehler».
Sat.1 kommentierte den Fall am Samstag: «Die Aufarbeitung des letzten Drehs von ‹Plötzlich arm, plötzlich reich› läuft noch. Es steht aber ausser Frage, dass hier Fehler passiert sind, für die wir die Öffentlichkeit und die Familie um Entschuldigung bitten.» Doch damit sei es nicht getan. «Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Sendung nicht mehr zu dem Sat.1 passt, das wir gemeinsam mit und für unsere Zuschauer (...) weiterentwickeln wollen. Deshalb wird es keine neuen Folgen geben. Deshalb werden wir gedrehte Folgen nicht zeigen.»
An oberster Stelle stehe das Wohl der Kinder und der Familie, mit der man in engem Austausch stehe, so der Sender zu dem letzten Dreh. «Auch in den Monaten, die vor uns liegen, werden wir die Familie bestmöglich in ihrem Sinne finanziell und menschlich unterstützen. Es war und ist niemals Ziel von Sat.1, Menschen zu verletzen.»
Auch die Produktionsfirma Imago TV äusserte sich: «Wir bedauern vor allem, dass eine an den Dreharbeiten beteiligte Familie in die öffentliche Auseinandersetzung hineingezogen worden ist. Wir stehen weiter in Kontakt mit der Familie und wünschen vor allem den Kindern, dass sie von diesen Auseinandersetzungen möglichst wenig mitbekommen.»
(jaw/sow/jdo/dpa/t-online)
Auch ohne vorherigen psychischen Probleme ist es für Kinder bestimmt nicht wirklich gut für die Entwicklung.🤦🏻♂️
Ja ne, is kla. Die Leute "willentlich" in einem TV-Format vorführen, wofür man sich nachträglich dann "nach Bedarf" entschuldigen kann, wenn man die Quote in trockene Tücher gebracht hat, ist ja so viel besser. Hut ab vor Ikke Hüftgold, dass er dem Sender und der Produktionsfirma für diese Farce rechtzeitig in die Parade gefahren ist.