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Clinton-Affäre: Das FBI entdeckte E-Mails schon vor Wochen

Democratic presidential candidate Hillary Clinton speaks at a rally and concert at The Manor Complex in Wilton Manors, Fla., Sunday, Oct. 30, 2016. (AP Photo/Andrew Harnik)
Hillary Clinton kommt durch die E-Mail-Affäre auf den letzten Metern des Wahlkampfs in Bedrängnis.Bild: Andrew Harnik/AP/KEYSTONE

Das FBI entdeckte Clinton-E-Mails schon vor Wochen – was wusste James Comey?

Das FBI wusste schon länger Bescheid und trat erst jetzt mit den E-Mails an die Öffentlichkeit. In den USA werfen Politiker dem FBI-Chef vor, mit der späten Veröffentlichung in den Wahlkampf einzugreifen.
31.10.2016, 04:2431.10.2016, 08:06
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FBI-Ermittler haben die neuen E-Mails, die jetzt im Mittelpunkt des Wahlkampf-Wirbels um US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton stehen, schon vor Wochen entdeckt. Das berichteten die «Washington Post» und CNN am Sonntag unter Berufung auf Justizkreise.

Der Chef der Bundespolizei, James Comey, hatte den Fund und geplante neue Ermittlungen erst am vergangenen Freitag in einem Brief an Kongressmitglieder publik gemacht – elf Tage vor der Wahl. Vier führende demokratische Senatoren haben den FBI-Chef nun aufgefordert, bis Montagabend alle Informationen offenzulegen, die er bisher über die E-Mails besitzt.

Mit der Ankündigung kurz vor der Wahl habe Comey möglicherweise gegen Gesetze verstossen, erklärte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid. Reid bezog sich auf den «Hatch Act» – ein Gesetz, das dem FBI ausdrücklich die Beeinflussung von Wahlen verbietet. Comey äusserte sich nicht dazu.

FBI Director James Comey testifies before a House Homeland Security Committee hearing on Capitol Hill in Washington, U.S. on July 14, 2016. REUTERS/Jonathan Ernst/File Photo
Dieser Mann trat die Affäre los: FBI-Chef James Comey.Bild: JONATHAN ERNST/REUTERS

Bereits mitte Oktober entdeckt

Im Mittelpunkt der E-Mail-Affäre steht die Frage, ob Clinton durch die Nutzung ihres privaten Servers – weitaus hackeranfälliger als das gesicherte System des Aussenministeriums – die Sicherheit der Nation gefährdet und sich damit strafbar gemacht hat. Im Sommer hatte Comey zum Abschluss seiner Ermittlungen Clinton nur extreme Sorglosigkeit bescheinigt und kein kriminelles Verhalten.

Der «Washington Post» zufolge wurde Comey selbst erst am vergangenen Donnerstag über die neue Entwicklung unterrichtet, wie er auch in seinem Schreiben betonte. CNN zufolge war er aber bereits Mitte Oktober vage über die neue Entdeckung von E-Mails informiert, die zum oder vom privaten Server in Clintons Haus in Chappaqua geschickt wurden.

Gegen den Wunsch der Justizministerin

Die Demokratin hatte diesen Server in ihrer Zeit als Aussenministerin auch für dienstliche Korrespondenzen benutzt und damit bereits zuvor FBI-Ermittlungen ausgelöst, die im Sommer ohne Anklage endeten.

Die am Sonntag bekannt gewordene Abfolge der Ereignisse wirft verstärkt die Frage auf, warum sich Comey – nachdem nun schon Wochen seit dem Fund vergangen waren – veranlasst sah, die Angelegenheit noch vor der Wahl am 8. November publik zu machen.

Sein Schritt war ein Bruch mit der langjährigen Praxis, kurz vor Wahlen keine Informationen über Ermittlungen zu veröffentlichen, die sich auf einen Kandidaten und damit auf das Wahlergebnis auswirken könnten. Comey setzte sich damit auch über den ausdrücklichen Wunsch seiner Chefin, der Justizministerin Loretta Lynch, hinweg.

Zusätzliche Genehmigung nötig

Den Medienberichten zufolge wurden die Mails Anfang Oktober nach der Beschlagnahmung des Computers des Ex-Abgeordneten Anthony Weiner gefunden. Gegen ihn wird wegen des Versendens sexuell anstössiger SMS an eine Minderjährige ermittelt. Weiner ist mit der engsten Clinton-Vertrauten Huma Abedin verheiratet, die nach Medienberichten seinen Computer manchmal benutzte.

In den Wochen nach dem Fund waren die Ermittler laut CNN anscheinend zunächst damit beschäftigt, dessen mögliche Bedeutung einzuschätzen und über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Dem «Wall Street Journal» zufolge wurden auf Weiners Computer 650'000 E-Mails gefunden, die sich über Jahre erstreckten, viele von Abedins E-Mail-Konto. Metadaten hätten gezeigt, dass anscheinend Tausende von Clintons privatem Server stammten oder dorthin geschickt wurden.

Da sich die Befugnisse zum Lesen der E-Mails auf Weiners Computer aber nur auf die Vorwürfe gegen den Ex-Kongressabgeordneten bezogen hätten, habe das FBI eine zusätzliche Genehmigung beantragen müssen, um eine Prüfung der übrigen Mails einzuleiten. Comeys Schreiben vom Freitag deutet darauf hin, dass die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hat. Es sei unklar, ob die neu entdeckten E-Mails im Zusammenhang mit vorausgegangenen Ermittlungen gegen Clinton eine Bedeutung hätten, schrieb der FBI-Direktor. (sda/dpa/afp/reu)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Luca Brasi
31.10.2016 07:13registriert November 2015
Harry Reid ist nicht Mehrheitsführer im Senat. Der Senat ist momentan mehrheitlich republikanisch. Er ist der Minority Leader der Demokraten.
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Zeit_Genosse
31.10.2016 05:54registriert Februar 2014
Der FBI-Direktor hat nichts zu verlieren. Ist erstmal Hillary Präsidentin, wird er nicht mehr lange diesen Posten haben. Aber wenn das Trumplager nichts mehr als diese Emails hat, dann ist das sehr dünn. So richtig einschlagen will diese Erneute Emailsache nicht, wird eher als Foul gesehen und könnte Hillary helfen, wenn sie aufzeigen kann, wie man das FBI einfach instrumentalisieren kann.
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Madison Pierce
31.10.2016 07:40registriert September 2015
Clinton hat sich dem Schlamassel selbst zuzuschreiben. Sie hat geschäftliche Mails auf ihrem privaten Mailserver gespeichert und dann immer nur soviel zugegeben, wie bewiesen werden konnte, anstatt mal hinzustehen und sich für den Fehler zu entschuldigen. Trotzdem haben die Demokraten sie dem skandalfreien Sanders vorgezogen.

Man stelle sich vor, kurz nach der Wahl würden Ermittlungen gegen die neue Präsidentin aufgenommen. Das wäre der schlimmere Betrug am Wähler, wenn man schon vorher hätte informieren können.
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