Ernst genommen hat ihn anfangs niemand. Als Donald John Trump andeutete, er wolle sich für die US-Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewerben, wurde er als Polit-Clown belächelt. Inzwischen lacht kaum noch jemand. Als der 69-jährige Milliardär Mitte Juni mit einem für ihn typischen pompösen Auftritt im nach ihm benannten Trump Tower in New York seine Bewerbung offiziell bekannt gab, würzte er seine Rede mit einer Tirade gegen mexikanische Einwanderer: «Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger.»
Seither gab er sich nicht etwa gezähmt. Am Wochenende attackierte er den republikanischen Senator John McCain, der im Vietnamkrieg fünf Jahre in Kriegsgefangenschaft gehalten und gefoltert worden war. Für ihn sei McCain «kein Kriegsheld», weil er sich gefangen nehmen liess, befand Trump. Die Empörung bei den Republikanern war gross, geschadet hat sie Trump jedoch nicht. In den jüngsten Umfragen stürmte er an die Spitze des dicht bevölkerten republikanischen Bewerberfeldes, das 16 Personen umfasst. Trumps schrille Töne kommen bei der Basis an.
An der Parteispitze verfolgt man den Aufstieg des Selbstdarstellers mit Besorgnis. «Als Fahnenträger für konservative Ideen wäre Trump eine Katastrophe», warnte das «Wall Street Journal» in einem Kommentar. Falls Donald Trump die Stimme der Konservativen werde, werde der Konservativismus mit ihm implodieren. Wer ist dieser Mann, und wie tickt er?
«Zeige mir jemanden ohne Ego, und ich zeige dir einen Verlierer.» So lautet ein Wahlspruch von «The Donald», wie er sich selber nennt. Der Nachfahre deutscher Einwanderer mit Namen Drumpf hat ein Ego von der Grösse des Mount Everest. Die von ihm erbauten Hochhäuser tragen seinen Namen, meist mit überdimensionierten Buchstaben. Name und Konterfei prangen auf Wasser- und Parfümflaschen, er besitzt eine Herrenmodelinie. Früher gehörte ihm eine eigene Fluggesellschaft.
Trump veranstaltet Misswahlen, ausserdem war er Star seiner eigenen Reality-Show «The Apprentice», die in der Schweiz unter dem Namen «Traumjob» mit Jürg Marquard in der Trump-Rolle ausgestrahlt wurde. Nach seinen hetzerischen Aussagen gegen Mexikaner beendete der Sender NBC die Zusammenarbeit mit Donald Trump. Sein Vermögen beziffert er auf zehn Milliarden Dollar. «Ich bin wirklich reich», meinte er dazu in typischer Unbescheidenheit.
Donald Trumps Karriere als Baulöwe verlief keineswegs gradlinig. Mehrfach musste er als Unternehmer Gläubigerschutz beantragen. Anfang der 1990er Jahre war er in grossen Schwierigkeiten, stets aber konnte er sich wieder aufrappeln. Turbulent verlief auch sein Privatleben. Trump ist zum dritten Mal verheiratet, er hat vier Kinder.
Für Schlagzeilen sorgte vor allem seine erste Ehe mit dem tschechischen Model Ivana Zelníčková. Sexistische Sprüche gehören zu seinem Repertoire: «Ich liebe schöne Frauen und schöne Frauen lieben mich. So muss es sein.»
Über kaum etwas wird so oft und gerne gespottet wie Trumps blond gefärbte, auf bizarre Art nach vorne gekämmte Frisur. Spekulationen über ihre Echtheit wies der Milliardär stets zurück: «Ich trage keine Perücke. Mein Haar ist zu 100 Prozent mein eigenes.» Vor wenigen Wochen schaffte es die üppige Mähne sogar in eine Folge der «Simpsons»: Homer verheddert sich in der blonden Föhnfrisur und erlebt seltsame Dinge.
Ein Auftritt bei den «Simpsons» kommt fast einem Ritterschlag gleich. Sehr viel giftiger äusserte sich die Sängerin und Schauspielerin Cher auf Twitter: «Donald Trump kann sich keine Frisur einfallen lassen, die menschlich aussieht. Wie soll er sich da einen Plan einfallen lassen, um den IS zu besiegen?»
@elle_emm_aitch
Donald Trump Can’t come up with a hairstyle that looks human,how can he come up with a plan to defeat ISIS.
— Cher (@cher) 16. Juni 2015
Donald Trump markiert heute den Hardcore-Rechten. Das war nicht immer so, vielmehr wechselte er seine politischen Bindungen häufiger als seine ehelichen. Er war Republikaner, Mitglied der Unabhängigkeitspartei, Demokrat und nun wieder Republikaner. Er war für eine allgemeine Krankenversicherung und das Recht auf Abtreibung, heute ist er gegen beides. Deshalb haftet der Verdacht an ihm, er betreibe Politik gar nicht ernsthaft, sondern nur als PR-Gag.
Vor vier Jahren flirtete «The Donald» erstmals mit einer Präsidentschaftskandidatur, sagte dann aber ab. Zuvor hatte er sich an die Spitze der so genannten Birther-Bewegung gesetzt, die Barack Obama gegen alle Fakten unterstellt, er sei nicht auf Hawaii geboren, sondern in Kenia, und hätte deshalb gar nie US-Präsident werden dürfen. Nun hat Trump ernst gemacht und seine Kandidatur offiziell bei der nationalen Wahlkommission eingereicht.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 10. Juli 2015
Wie lange er durchhält, ist Gegenstand von Spekulationen. Manche glauben, er werde aussteigen, wenn er sein Ego befriedigt habe. Andere hoffen, er werde sich mit seinen demagogischen Sprüchen unmöglich machen. Möglich ist aber auch, dass Trump sein Ding durchzieht und als unabhängiger Kandidat zur Wahl 2016 antreten wird.
Für die Republikaner ist das keine erfreuliche Perspektive: Präsident George Bush senior verlor 1992 nicht zuletzt deshalb gegen Bill Clinton, weil ihm der unabhängige Kandidat Ross Perot viele Stimmen abjagte.
Donald Trump markiert den entschlossenen Anführer, der Amerika wieder stark machen will. Damit trifft er den Nerv eines bestimmten Segments der Bevölkerung, das man vereinfacht als «wütende weisse Männer» bezeichnen könnte. Sie haben das Gefühl, das Land gehe vor die Hunde, nicht zuletzt wegen den vielen Einwanderern aus dem Süden. Deshalb lieben sie Trumps Tiraden gegen Mexikaner. Und deshalb verhelfen sie ihm zu den guten Umfragewerten.
Für die Partei ist das ein Problem: Am 6. August findet in Cleveland die erste Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten statt. Nur zehn der 16 Bewerber dürfen teilnehmen. Wer den «Cut» nicht schafft, dürfte bald weg vom Fenster sein. Hinter den Kulissen soll die Parteispitze fieberhaft nach einem Weg suchen, um Trump auszuschliessen. Sie kann wohl nur darauf hoffen, dass der Kandidat in den nächsten Tagen mit seinen Sprüchen definitiv über das Ziel hinausschiessen und seinen Kredit wieder verspielen wird.
Gleich null. Die Umfragen zeigen, dass Trump zwar eine lautstarke Minderheit der Republikaner begeistert, von einer Mehrheit der Basis aber abgelehnt wird. Die Nomination durch die Partei oder gar der Wahlsieg im November 2016 sind für ihn ausser Reichweite. Allerdings könnte er so viel Schaden anrichten, dass die Republikaner ohnehin chancenlos sein werden.
Daran sind auch seine Mitbewerber schuld. Über die Tiraden gegen John McCain empörten sie sich sofort. Zu den rassistischen Sprüchen gegen Mexikaner schwiegen sie lange, selbst Jeb Bush, der mit einer Mexikanerin verheiratet ist und sich gerne als Latino-Freund gebärdet. Er brauchte nicht weniger als zwei Wochen, bis er erklärte, er nehme Trumps Beleidigungen persönlich.
«Latino-Wähler werden sich bestimmt an die ziemlich schwache Reaktion der Partei erinnern», meint die BBC. Dabei sind die Republikaner auf dieses wachsende Segment angewiesen, das wesentlich zu den beiden Wahlsiegen von Barack Obama beigetragen hat. Nun könnte sich dieser Trend wiederholen – und Hillary Clinton zur grossen Profiteurin von Trumps Egotrip werden.