Ihr Liebsten, warme Fluten an Beileidsbekundungen wie «Kriegt ihr Schmerzensgeld oder ist euer Boss ein Sadist?» lindern seit Wochen unsere von der Reality wundgescheuerten Seelen. Wir schätzen das! Aber jetzt ist es ja auch schon wieder ausgestanden. Fertig mit den hüftlahmen «Nächt vo de Rose». Schluss mit Dates, bei denen die Datteln auf dem Früchteteller das Aufregendste waren. Madeira ist wieder befreit von Marina, Maria und ...
Halt, stop! Von Maria?!?!? Maria, die einst als Kandidatin getarnte «Spionin»? Die Mata Hari aus Erkans Harem? Die dazu da war, die «Madle» auszuhorchen und ihre banalsten Geheimnisse weiterzutratschen? Maria, die schon vor unzähligen Gläsern Prosecco, Apérol Spritz und so weiter wieder zurück ins österreichische Dornbirn geflogen ist? Diese Maria?
Wie hat mal ein Landsmann von ihr so treffend gesagt? «I'll be back.» Und was für den Terminator gut war, gilt auch für den Mariator. Die astrein gescriptete Erzählung geht nun so: Maria und Erkan waren einst «Bekannte». Weil er wusste, dass sie wie er einiges an Schauspieltalent besitzt und auf multiple Oscars hoffen darf, nur vielleicht nicht mehr in diesem Leben, heuerte er sie für die Rolle der Spionin an.
Doch dann stach der Stiletto des Schicksals zu: Die zarte Frau Maria fuhr ins Bootcamp der Liebe und fand wider Willen Gefallen am Mannsbild Erkan. Wieso? Keine Ahnung. Doch sie sagte sich: Job ist Job und ich bin eine Professionelle. Flog nach erledigtem Job nachhause und merkte: Verdammt, ich lieb ihn! Vielleicht wollte sie aber auch einfach zurück ins Qualitätsfernsehen.
Sie kontaktierte zufälligerweise exakt jene sympathische Kleinfamilie, die für die finale Kandidatinnen-Beurteilung nach Madeira geflogen wurde. Die herzensguten Menschen hatten Mitleid mit ihr und führten sie Erkan noch einmal zu.
Und da ist sie jetzt. In voller Rehaugenpracht. Und im Regen. Es muss zu so einer Szene einfach regnen. Eine blonde Seele, rein und bloss und im einfachsten, kleinsten aller möglichen roten Kleidchen, offenbart sich dem Mann ihrer Träume in all ihrer Verletzlichkeit. Wenn dazu die Sonne schiene, wäre es obszön.
Lidja und Marina, die sich ihre Finalteilnahme hart vor Ort erarbeitet haben und viele blöde Challenges ertragen mussten, die immer irgendwie im Wasser endeten und ihre Frisuren ruinierten, hassen sie dafür.
Wahrscheinlich dachten sich die Sendungsmacher dies: Lidja, die sich bald nach Beginn dieser Staffel toppositionierte, ist sowas wie die 1. Covid-Impfung, Marina, die erst später aus dem Busch kam, die 2. und Maria die Auffrischungs-Impfung, also der Booster. Smart!
Erkan ist von Marias Erscheinen komplett überfahren. «Überforderet». Sein grosser Schauspielerkörper drückt enormste Ratlosigkeit aus. So viel Überraschung kann nicht gespielt sein. Dramaturgisch ist das bis jetzt der stärkste Moment der ganzen Staffel.
Und dann entfacht Erkan die ganze Kraft seiner Schauspielkunst. Sein Publikum: er selbst. Er macht sich nämlich selbst glauben, dass er in Maria verliebt sei. Also so richtig. Als Schauspieler weiss er, dass eine unerwartete Wende für Verblüffung, Spannung und Gesprächsstoff sorgt. Zuerst will er von ihr wissen: «Wieso ich?» Und: «Was heisst Liebi für dich?» Und so weiter. Halt all die Selbstbespiegelungs-Fragen, die er so gerne stellt.
Und dann greift er plötzlich zur poetischen Stilisierung. Macht aus sich und Maria eine verbotene Liebe. Inzestuös verboten schon fast. Fragt sie, ob es ihr auch so ergangen sei, ob sie auch immer nur mit dem einen Menschen (also ihm) habe zusammensein wollen, immer nur in «zwei wunderschöni Auge» (also seine) habe blicken wollen und so weiter, und dabei sei es doch gar nicht erlaubt gewesen? Ja, ja, ja, genau so sei es ihr auch ergangen, sagt sie und spricht von einer «Riesenmagie». Sie weiss, was sie will.
Die beiden sollten Workshops in Autosuggestion geben. Sie würden sich alles glauben. Und die anderen? Marina schmollt. Lidja strahlt. Pessimismus gegen Zweckoptimismus im Angesicht von Erkans zunehmender Marienverehrung. Beide verlieren. Denn Erkan lobpreist Marias «Mut» und setzt seinerseits auf «Risiko». Alles andere wäre feige. Und dann bricht es aus ihm heraus, Worte, auf die so noch kein Mensch auf Erden je gekommen ist, Worte, wie sie nur ein ehrlicher Lyriker finden kann:
Woooooooooow! So wunderwunderschön! Am besten hat im Finale übrigens Madeira ausgesehen. An Erkans Stelle wäre ich mit Madeira statt Maria nach Hause gegangen. Aber mich fragt ja nie jemand. Egal.
Ich gebe Erkan und Maria genau ... 36 Stunden. Woher ich das habe? Erfahrung, meine Lieben. Hunderte von Stunden voller Schmerz, Ekel, Fake und Fingernägel. Und dazwischen, winzig und hilflos wie die Glut einer Zigarette, mit der ein über der Wüste Abgestürzter ein vorbeifliegendes Flugzeug auf sich aufmerksam machen will – das Glimmen echter Gefühle.
So unterhaltsam geschrieben. Kann fast nicht mehr😄