Aus rassistischem Shitstorm wird #flowerrain: Die rührende Story des Wiener Neujahrsbabys
Am 1. Januar um 0:47 Uhr kommt in einem Wiener Spital das Neujahrsbaby zur Welt. Es ist 51 cm gross, wiegt 3460 Gramm, heisst Asel und ist die Tochter von Naime und Alper. Stolz teilt das Spital ein Foto der glücklichen Familie auf den sozialen Medien, und schon geht der Shitstorm los. Erstens, weil die Mutter ein Kopftuch trägt. Zweitens, weil Asel kein deutsch klingender Name ist.
«Nächster Terrorist ist geboren», schreibt einer. «Hat die Frau Krebs? Oder warum trägt sie ein Kopftuch? Kalt wird es ja wohl nicht sein», ein anderer. «Auch 2018 sind Mehmet und Fatma nicht erwünscht» – und so weiter. Die Organisation Netpeace, die sich gegen Hass im Netz einsetzt, sammelt die Kommentare und mahnt: «Eigentlich sollte die Geburt eines Babys Grund zur Freude sein.»
Auf der FPÖ-nahen Plattform Unzensuriert.at ist zu lesen: «Übrigens: Das Neujahrsbaby österreichweit ist in diesem Jahr ein Kind österreichischer Eltern namens Julia. Eine echte Rarität!» Der ehemalige Unzensuriert-Chefredaktor ist Alexander Höfl. Sein aktueller Job: Kommunikationschef im Innenministerium.
Einem Mann wird das zuviel: Der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner ruft am 3. Januar zum Gegenteil eines Shitstorms auf, zum Flowerrain. Er schreibt auf Facebook:
Ich will das so nicht hinnehmen und sammle hier in den Kommentaren jetzt Glückwünsche, nette Worte und Willkommensnachrichten für das entzückende Baby und seine Eltern. Diese Nachrichten möchte ich dann ausdrucken, binden lassen und der Familie übergeben. Ich wünsche mir einen regelrechten #flowerrain für das Neugeborene namens Asel. Wer ist dabei?»
Abertausende wollen dabei sein. Innerhalb eines Tages schicken 20'000 Menschen liebe Worte, über 10'000 teilen Schwertners Post. Selbst die «New York Times» schreibt darüber. Schwertner will die Botschaften ausdrucken, zu einem Buch binden und der Familie überreichen.
Am Freitagmorgen ist der Post verschwunden. Schwertner protestiert:
Was ist da los? Ich kann es nicht glauben: Mein #flowerrain Posting an das Wiener Neujahrsbaby Asel und ihre Eltern ist über die Nacht plötzlich weg. Ich vermute es wurde von Facebook gelöscht! Wir lassen uns aber nicht klein machen, wir lassen uns nicht unsichtbar machen, wir lassen uns nicht entmutigen.»
Mit Erfolg. Nach ein paar Stunden erscheint der Post wieder auf Facebook und der Flowerrain der Liebe für die kleine Asel und ihre Eltern geht weiter.
(sme)