Zwei-Personen-Regel im Cockpit: Warum sollte man den Flugbegleitern vertrauen, nicht aber den Piloten?
Kein technischer Defekt, kein menschliches Versagen: Nein, der Pilot selbst steuerte Germanwings-Flug 4U9525 in eine Felswand in den französischen Alpen und riss alle Insassen mit in den Tod. Das Vertrauen in die Flugsicherheit ist angeschlagen wie nach 9/11 nicht mehr. Anders lässt sich nicht erklären, dass zahlreiche Airlines über Nacht ihre Sicherheitsmassnahmen massiv verschärft haben.
Auch die Swiss hat wie alle Airlines der Luftahansa-Gruppe am Freitagnachmittag die sogenannte Zwei-Personen-Regel eingeführt: Verlässt einer der beiden Piloten das Cockpit, muss ein Flugbegleiter dessen Platz einnehmen. Somit befinden sich zu jedem Zeitpunkt mindestens zwei Personen im Cockpit. Diese Massnahme soll Tragödien, wie wir sie jetzt erlebt haben, verhindern.
Die Zwei-Personen-Regel klingt simpel, wirft aber bei näherer Betrachtung zahlreiche Fragen auf. Verriegelung und Panzerung der Türen nach 9/11 hatten den Zweck, den Zutritt zum Cockpit zu erschweren. Die neue Regel bewirkt das Gegenteil, denn sie erweitert den Kreis jener Personen, die neu Zutritt zu diesem hochsensitiven Bereich erhalten, in beträchtlichem Ausmass. Anders gefragt: Wenn den Piloten nicht mehr vertraut wird, warum dann den Flugbegleitern?
«Wir haben weiterhin allerhöchstes Vertrauen in unsere Piloten und Kabinenbesatzungen», erklärt Swiss-Sprecherin Karin Müller auf Anfrage. Wer mit der Rolle des Aufpassers betraut wird, will die Airline nicht kommentieren. Kommen grundsätzlich alle Mitglieder der Kabinenbesatzungen infrage? Oder nur die Maîtres de Cabine, in der Regel die Dienstältesten unter ihnen?
Auch die Nummer Zwei in der Schweiz hält sich diesbezüglich bedeckt: «Wir können bestätigen, dass es sich um ein Mitglied der Kabinenbesatzung handelt», erklärt Easyjet. Weitere Details werde man aus Sicherheitsgründen nicht bekannt geben. Die Mitarbeiter seien aber entsprechend informiert worden.
Was müssen die Flugbegleiter neu lernen?
Eine weitere Frage betrifft die Ausbildung der Flugbegleiter, die nun zweifellos erweitert werden muss. Wie genau sollen sie in einem Fall wie bei Andreas Lubitz reagieren? Die Überlegung hinter der Zwei-Personen-Regel ist, dass die reine Anwesenheit einer weiteren Person im Cockpit auf mögliche Täter abschreckend wirkt. Doch was, wenn das nicht reicht?
Auch müssten sie mit einigen grundlegenden Cockpit-Funktionen vertraut gemacht werden: Verriegelung/Öffnung der Tür (siehe Bild unten) sowie Absetzung eines Notrufs.
Auch hierzu äussert sich die Swiss sehr zurückhaltend: «Es ist noch zu früh zu sagen, welche Anpassungen aufgrund dieser neuen Regelungen notwendig sind. Wir schauen uns die Prozesse regelmässig an und beziehen aktuelle Ereignisse mit ein, so sicherlich auch in diesem Fall», so Sprecherin Karin Müller.
