Aufgebrachte Palästinenser haben sich bei der Trauerfeier für den in Jerusalem getöteten 16-jährigen Jungen am Freitag gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Derweil beschossen sich im Gazastreifen Israel und militante Palästinenser trotz Gerüchten um eine Waffenruhe.
Israels Artillerie griff den Gazastreifen am Freitag an, nachdem vier Raketen und zwei Mörsergranaten im Süden eingeschlagen waren. Die israelische Armee teilte mit, ein Geschoss sei vom Raketenabwehrsystem Eisenkuppel zerstört worden, mindestens zwei weitere seien auf freiem Feld gelandet.
Die Bewohner in den israelischen Ortschaften nahe des Gazastreifens wurden aufgefordert, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben. Die israelische Armee hatte am Donnerstag Bodentruppen an den Rand des Gazastreifens verlegt.
Im arabischen Ostteil Jerusalems wurde im Beisein Tausender Trauergäste der junge Araber beigesetzt, der mutmasslich einem Rachemord zum Opfer gefallen war. Hunderte wütende Palästinenser lieferten sich vor und während des Begräbnisses Strassenschlachten mit der Polizei.
Auslöser der jüngsten Eskalation war die Entführung und Tötung dreier israelischer Jugendlicher und der mutmassliche Racheakt an einem palästinensischen Teenager. Die Familie des 16-Jährigen aus Ost-Jerusalem beschuldigt israelische Siedler, den Jugendlichen ermordet zu haben. Der israelische Polizeisprecher Micky Rosenfeld betonte jedoch am Freitag, ein krimineller Hintergrund sei weiterhin nicht auszuschliessen.
Neben den Unruhen in Ost-Jerusalem und im Westjordanland gab es die Sorge vor einer neuen israelischen Militäroffensive im Gazastreifen. In den Medien kursierten am Freitag zugleich Berichte über eine bevorstehende Waffenruhe zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Dafür gab es aber keine Bestätigung von israelischer Seite.
Die palästinensische Zeitung «Al-Quds» berichtete am Freitag, Hamas und Israel hätten sich unter ägyptischer Vermittlung auf einen Stopp der gegenseitigen Angriffe geeinigt. Hamas habe darauf bestanden, dass beide Seiten die Attacken gleichzeitig einstellen, schrieb die Zeitung. Das Ziel sei eine vollständige Waffenruhe binnen 72 Stunden.
Der israelische Aussenminister Avigdor Lieberman warnte jedoch am Freitag bei einem Besuch in der Grenzstadt Sderot, eine Waffenruhe wäre «ein schwerer Fehler». Lieberman sagte: «Wir müssen diejenigen fassen, die den Terror unterstützen, einschliesslich der Hamas-Führer Chaled Maschaal und Ismail Hanija, die damit zu tun haben, und sie müssen wissen, dass sie legitime Zielscheiben sind.»
Israel betonte aber, es sei nicht an einer weiteren Eskalation oder gar einer grösseren Militäraktion interessiert. Das gefährde möglicherweise die internationalen Verhandlungen mit dem Iran über die Begrenzung seines Atomprogramms, sagte der israelische Minister Juval Steinitz gemäss der AFP. Er gilt als Vertrauter von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Seit Ende November 2012 gilt eine stets brüchige und von beiden Seiten immer wieder missachtete Waffenruhe. Sie beendete einen achttägigen blutigen Schlagabtausch zwischen Israel und der Hamas.
Die Hamas spricht Israel zwar das Existenzrecht ab und ist gegen die Friedensverhandlungen, hat aber lange versucht, kleinere militante Gruppen von Angriffen gegen Israel abzuhalten, um nicht selbst Ziel von Gegenangriffen zu werden. Israel wirft der radikalislamischen Organisation jedoch vor, an den jüngsten Raketenangriffen selbst beteiligt gewesen zu sein.
Netanjahu hatte Hamas vor einem weiteren Beschuss Südisraels mit Raketen gewarnt. Falls in der Region nicht wieder Ruhe einkehre, würden die an den Rand des Gazastreifens verlegten Bodentruppen energisch handeln.
In Jerusalem waren angesichts befürchteter Ausschreitungen tausende Polizisten in erhöhter Alarmbereitschaft. Zu den Gebeten auf dem Tempelberg am ersten Freitag des muslimischen Fastenmonats Ramadan wurden nur Männer über 50 und Frauen zugelassen. (sda/afp/dpa)