Er pinkelt ins Flugzeug, stürzt besoffen von seinem Motorroller und wird zum Russen, um in Frankreich keine Steuern zu zahlen. Von Gérard Depardieu ist man einiges gewöhnt. In seiner Autobiografie, die in den nächsten Tagen auf Deutsch erscheint, schockiert der 66-Jährige erneut. Diesmal mit seiner Lebensgeschichte, in der er offen gesteht, dass er als Zehnjähriger seinen Körper verkaufte.
Auf 192 Seiten beschreibt Depardieu, wie seine verarmte Mutter versucht habe, ihn mit Stricknadeln abzutreiben. Auch auf seine umstrittene Steuerflucht und Freundschaft mit Kreml-Chef Putin geht der Schauspieler ein. Dabei strickt er gleichzeitig an seiner Legende: vom Underdog zum Filmstar.
«Es hat sich so ergeben» fängt mit der Geburt an. Der «Asterix und Obelix»-Star war kein Wunschkind. Er wurde in Châteauroux in Zentralfrankreich geboren und war das dritte von sechs Kindern. «Ich habe alle Gewalt überlebt, die sich meine arme Mutter angetan hat. Mit ihren Stricknadeln, mit ihren Abtreibungstees aus Kirschenstielen und was es sonst noch gab.» Depardieu sollte nicht geboren werden.
Aus seiner Herkunft macht Depardieu keinen Hehl. «Bei uns zu Hause wusch man sich nicht jeden Tag. Nicht öfter als einmal in der Woche wuschen wir uns. Und daher stank es!» Seinen Vater beschreibt er als Säufer, seine Mutter als ewig Schwangere, die sich ständig über den Bauch strich und Milch gab.
Was danach kommt, gleicht seinen zahlreichen Filmen, in denen er in die Rolle des Gauners und Kleinkriminellen geschlüpft ist. Depardieu kommt vom rechten Weg ab. Er fliegt von der Schule, weil man ihn eines Diebstahls beschuldigt, den er nicht begangen hat, und verbringt seine erste Nacht draussen. «Ich bin mehr auf der Strasse aufgewachsen als in der Schule. Dort habe ich kaum mehr als lesen und schreiben gelernt.» Er sei wie sein Vater ein halber Analphabet gewesen.
Depardieu hat seine Autobiografie zusammen mit Lionel Duroy geschrieben, einem Schriftsteller und gefragten Ghostwriter französischer Promis. Die Sprache ist einfach, die Sätze und Kapitel sind kurz. Depardieu lässt nichts aus seiner Jugend aus. Weder, dass er klaute, amerikanische Zigaretten schmuggelte und für kurze Zeit ins Gefängnis musste, noch, dass er sich als Zehnjähriger mit Männern einliess.
«Wenn die Typen mit Fressen wie Lino Ventura, die Lastwagenfahrer, die Schausteller, anbieten, mir einen zu blasen, nenne ich sofort meinen Preis.» Mehr erfährt der Leser über seine Prostitution nicht. Sex spielt in seiner Autobiografie keine Rolle. Depardieu geht sonst keinem Thema aus dem Weg, weder seiner Steuerflucht noch seiner umstrittenen Freundschaft mit Wladimir Putin.
Mit dem Kreml-Chef verbinde ihn das gleiche Schicksal. Denn sowohl er als auch Russlands Staatsoberhaupt wären beinahe zu Gaunern geworden, wie er schreibt. «Ich habe Putin aufmerksam zugehört und verstanden, dass auch er von ganz unten gekommen ist und niemand einen Cent auf ihn gesetzt hätte, als er fünfzehn war.» Er liebe Russland und sei Putins Freund, bekräftigt Depardieu, bevor er das Kapitel abschliesst: «Es ist meine Geschichte und ich schade nur mir selbst.»
(sda/dpa/phi)