Bei einem Anschlag auf einen Gedenkmarsch in der ostukrainischen Stadt Charkow sind am Sonntag mindestens zwei Menschen getötet und ein Dutzend weitere verletzt worden. Der Staatsanwalt Juri Daniltschenko sagte, zwei Menschen, unter ihnen ein Polizist, seien getötet worden. Unter den Verletzten seien vier Polizisten. Zuvor war von drei Todesopfern die Rede gewesen.
«Vier Beteiligte an der Sprengung wurden festgenommen und zahlreiche Waffen, darunter ein Granatwerfer, sichergestellt», teilte der Sicherheitsrat in Kiew örtlichen Medien zufolge mit. Die Verhafteten seien von Russland ausgerüstet und ausgebildet worden, so die ukrainischen Sicherheitskräfte. Sie hätten eine ganze Serie von Anschlägen in der Stadt verüben wollen, auch mit einem russischen Raketenwerfer.
In einem Amateurvideo, das in unmittelbarer Nähe des Gedenkzuges in Charkow aufgenommen wurde, ist die Explosion zu hören. Anschliessend sieht man Menschen in Panik davonlaufen, darunter eine Mutter, die einen Kinderwagen schiebt. Verletzte liegen vor Schmerzen schreiend auf der Strasse. Der Mann, der die Szene mit seinem Mobiltelefon filmte, blieb noch minutenlang am Tatort. Seine Aufnahmen zeigen reglos am Boden liegende Opfer, die aus Schrapnellwunden bluten, aber auch einen leichter verletzten Mann, der von anderen Passanten und Uniformierten betreut wird.
Markian Lubkivskyi, ein Mitarbeiter des Chefs des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU, sagte einem lokalen TV-Sender, die Verhafteten seien ukrainische Bürger. Im russichen Belgorod hätten sie Waffen und Ausbildung erhalten. Belgorod liegt nahe der russisch-ukrainischen Grenze. Moskau hat auf die Anschuldigungen bislang nicht reagiert. Die Regierung von Wladimir Putin bestreitet bislang, die ukrainischen Separatisten zu unterstützen.
Der ukrainische Präsident Poroschenko sprach von einem «unverhohlenen Versuch, den Einflussbereich des Terrorismus auszudehnen». «Terroristischer Abschaum» habe mit der Tat seine «mörderische Natur» bewiesen.
Charkow liegt mehr als 200 Kilometer von den umkämpften Gebieten in der Ukraine entfernt. Es hat dort in der Vergangenheit gelegentlich gewalttätige Proteste von Separatisten gegeben, doch die Stadt ist fest in der Hand der Regierung, die meisten Einwohner unterstützen Kiew.
Auch in der Hauptstadt Kiew und anderen Städten der Ukraine wurde am Sonntag der proeuropäischen Proteste gedacht, die vor einem Jahr zum Sturz des prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch führten. An der zentralen Gedenkveranstaltung auf dem Kiewer Maidan nahmen zahlreiche ausländische Politiker teil, unter ihnen der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck. Gauck sagte vor Journalisten, die Menschen seien «aus Stolz und Demut und Trauer» zusammengekommen. Es seien Menschen, «die nach Europa wollen» und «die unseren Werten vertrauen».
In Moskau hingegen hatten sich am Samstag bis zu 40'000 Demonstranten versammelt, um gegen den Machtwechsel in der Ukraine vor einem Jahr zu protestieren. Wie die Zeitung «Nowaja Gaseta» berichtet, waren die Proteste höchstens in Teilen spontan: Einige Demonstranten wurden bezahlt. Studenten erklärten via Facebook, der Direktor ihrer Hochschule hätte ihre Teilnahme angeordnet. (cis/Reuters/dpa)