Bei dem Gespräch am Quai d’Orsay habe Fabius speziell auch darauf hingewiesen, dass die Personenfreizügigkeit für Europa wichtig sei, berichtete Burkhalter. Er habe seinerseits dem französischen Aussenminister erläutert, dass der mit dem Ja zur Zuwanderungsinitiative erteilte Verfassungsauftrag "nicht vom ersten Tag an voll angewendet" werde. «Das System der Migration muss in Richtung einer Kontingentierung gehen, und dies in einem Zeitraum von drei Jahren», sagte Burkhalter. «Das bedeutet, dass der freie Personenverkehr, so wie er heute ist, bis auf neue Anweisung gilt.» Viele Fragen müssten noch geklärt werden, und die Suche nach Lösungen brauche Zeit, erklärte Burkhalter im Gespräch mit Fabius. Er bezeichnete zudem die Suspendierung laufender Verhandlungen als wenig hilfreich für die Suche nach Lösungen. Eine Blockierung der Forschungszusammenarbeit etwa liege auch nicht im Interesse der EU.
Zuvor war Burkhalter mit dem deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin zusammengetroffen. Steinmeier betonte, dass Deutschland nach der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitiative die Schweiz in der Pflicht sieht, Lösungsvorschläge vorzulegen. Er wisse, dass in der Schweiz an Vorschlägen zur Gestaltung des Verhältnisses zwischen der EU und der Schweiz gearbeitet werde, sagte Steinmeier am Dienstag vor den Medien. Ohne die Konsequenzen des Volksentscheids zu unterschätzen, gelte es diesen als «eine Schwierigkeit» zu sehen, «über die wir hinweg müssen». Die Schweiz und Deutschland stünden sich traditionell nah. Die guten Beziehungen zum Nachbarland betonte auch Burkhalter. Er bedankte sich beim deutschen Amtskollegen für die offene Diskussion. «Offenheit ist wichtig» sagte Burkhalter und unterstrich, dass die Schweiz die wirtschaftlichen Beziehungen und die Forschungszusammenarbeit mit Deutschland weiterverfolgen und intensivieren wolle.
Die Aussenminister unterhielten sich bei ihrem Arbeitsessen auch über die Schweizer Präsidentschaft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Steinmeier bedankte sich für das Schweizer Engagement und der Vermittlung in der Ukraine. Die Schweiz solle hier ihre Bemühungen fortsetzen. Steinmeier drückte seine Hoffnung aus, dass die OSZE unter der Schweizer Präsidentschaft in der Vermittlung noch stärker berücksichtigt werden könnte. Am Vormittag hatte sich Burkhalter mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel getroffen. Auch sie betonte, dass «vernünftige Lösungen» für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU gesucht werden müssten. Deutschland werde sich bei der EU dafür einsetzen. Merkel wollte sich auf eine Journalistenfrage zu negativen Konsequenzen für Deutschland bei einer allfälligen Einführung von Kontigenten für die Zuwanderung nicht äussern. Burkhalter reiste nach den Gesprächen in Berlin weiter nach Paris. Dort wollte er sich mit dem französischen Aussenminister Laurent Fabius treffen.
Nach Burkhalter reist am Freitag auch Verkehrsministerin Doris Leuthard nach Berlin. Der Besuch war zwar bereits seit einiger Zeit geplant gewesen. Nach dem Schweizer Ja zur Zuwanderungsinitiative dürfte nun aber dieses Thema die Gespräche dominieren. Wie das Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) am Dienstag mitteilte, wird Leuthard mit Vizekanzler Sigmar Gabriel zusammentreffen, der das Bundesamt für Wirtschaft und Energie leitet. Dabei sollen Energiefragen erörtert werden. Ausserdem ist ein Gespräch mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt geplant. Mit ihm werde Leuthard auch Bahnthemen und den Staatsvertrag zum Flugverkehr besprechen. (kub/sda)