Mit zwei Kniffen will die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat den Wechsel zum Zivildienst künftig unattraktiver machen. Die Nachricht sorgte letzte Woche für aufgebrachte bis spöttische Reaktionen. Wer noch einen Beweis dafür brauche, wie lebendig die «Denkmuster aus dem Kalten Krieg» auch heute noch sind, finde diesen im Bundeshaus, schrieb ein Journalist des «Tages-Anzeigers» in einem bissigen Kommentar mit dem Titel «Hau den Zivi». Kernaussage: Die Armee-Freunde bedienten lieber Anti-Zivildienst-Reflexe, als ihre Rekrutierungsprobleme wirksam zu bekämpfen.
Wie um die These zu bestätigen, gab der neue Armeechef Philippe Rebord (60) der gleichen Zeitung heute ein ausführliches Interview. Darin bringt er die Legitimationskrise der Schweizer Armee in nur acht Zitaten so deutlich auf den Punkt, wie dies seinen schärfsten Kritikern kaum gelänge.
Das muss man dem Mann lassen: Ehrlich ist er. Rebord versucht gar nicht erst, den Eindruck zu erwecken, dass tapfere Wehrmänner einen tieferen Sinn in ihrem Tun sehen könnten.
Es tue weh, wie viele Männer das Militär jährlich an den Zivildienst verliere, klagt Rebord. Insofern sei es im «Sinne der Sicherheit dieses Landes», dass der Nationalrat nun die Attraktivität des Zivildienstes senken wolle. Anstatt sich mit den Ursachen der vielen Abgänge zu beschäftigen, trauert der Armeechef lieber den guten alten Zeiten nach, als der Dienst am Vaterland noch kein Wunschkonzert war.
Auch er hätte in dem Sommer, als er die ersten Sprossen der militärischen Karriereleiter erklomm, andere Pläne gehabt, räumt Rebord ein. «Aber so funktioniert es in einem Zwangssystem.» Der Armeechef weiss jedoch: Mit der Sehnsucht nach der alten Härte kommt er nicht weiter. Da bleibt nur eins.
Der geneigte Leser merkt es: die Katze beisst sich in den Schwanz. Warum ist der Dienst am Vaterland für die Studenten so unattraktiv? Warum leisten sie lieber 1,5 Mal länger Zivildienst und nehmen künftig noch weitere Sanktionen in Kauf, als sich dem Zwangssystem zu unterwerfen? (Immer vorausgesetzt, sein Bauchgefühl trügt Herrn Rebord nicht.) Egal – diese Fragen können warten. Wenn es die Peitsche nicht mehr tut, kann man's ja mal mit dem Zuckerbrot versuchen.
Die Schere zwischen dem zivilen und dem militärischen Leben werde immer grösser, sagt Rebord. Die Generation Z, sonst andauernd im Internet, könne plötzlich nur noch nachts surfen. «Und wenn der Rekrut während der Nacht surft, hat er nach zwei Tagen ein Problem.» Ähnlich verhält es sich mit den Füssen der jungen Männer, die sich harte Lederstiefel nicht mehr gewohnt sind. Neu dürfen die Rekruten den Rückweg aus dem Feld deshalb in Turnschuhen zu absolvieren. Doch auch das, ahnt Rebord, wird als Zugeständnis nicht reichen.
Wenn die Männer schlapp machen, dann können ja vielleicht die Frauen die Lücke füllen? Nur: Am Grundproblem dürfte auch eine allgemeine Wehrpflicht für beide Geschlechter herzlich wenig ändern. Man muss keine hellseherischen Fähigkeiten haben, um zum Schluss zu kommen, dass viele Frauen dem Zivildienst wohl ebenfalls eher zugeneigt wären als dem Dienst an der Waffe. Darum: nächster Schritt.
So die Antwort des Wallisers auf die Frage, ob er auch einen Notvorrat von 300 Litern Mineralwasser zu Hause horte, wie es sein Vorgänger André Blattmann getan hat. Die entsprechenden Bedrohungsszenarien scheinen also selbst dem Chef der Armee nicht mehr so akut. Welche andere Möglichkeit bleibt also noch, sich in einer solch verfahrenen Situation Legitimation zu verschaffen? Ah, richtig.
Eine jährliche Steigerung des Budgets um zwei Prozent schwebt Rebord vor. Das wären dann bis 2030 sechs Milliarden jährlich. Diese will der Armeechef prioritär «in die dritte Dimension» (in die Luftwaffe, Anm. d. Red.) investieren. Auch wenn der Kalte Krieg vorbei ist – der Trend weise «klar in Richtung einer robusteren Verteidigung», sagt Rebord.
Und muss sich dabei fragen: Warum will sich die junge Bevölkerung nicht daran beteiligen?