50'000 Franken braucht man einer Spezialistenfirma hinzublättern, die einem eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz besorgt.
Am Dienstag klickten im Tessin die Handschellen. Mehrere aktuelle und ehemalige Mitarbeiter des kantonalen Migrationsamtes haben mutmasslich illegal Aufenthaltsbewilligungen an Firmen vermittelt, die damit ausländische Arbeiter in die Schweiz holten. Die Bewilligungs-Dealer sorgen landesweit für Diskussionen.
Der Fall tönt spektakulär. Dabei geht rasch vergessen, dass reiche Ausländer auch aus Nicht-EU-Staaten seit Jahren ganz legal an Aufenthaltsbewilligungen für die Schweiz kommen können – und dass die Kantone dabei gut verdienen. In anderen Ländern kann sogar die Staatsbürgerschaft erworben werden – was nicht ganz günstig ist.
Möglich macht den Handel mit den Aufenthaltsbewilligungen der Absatz b im Artikel 30 des Ausländergesetzes. Dieser hält fest, dass unter Umständen von den geltenden Zulassungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung abgesehen werden kann, wenn damit «wichtigen öffentlichen Interessen» Rechnung getragen wird. Bereits 2014 gab das Bundesamt für Migration (SEM) bekannt, dass dieses «öffentliche Interesse» erfüllt sei, wenn «erhebliche fiskalische Interessen» bestünden. Sprich: Wer seinem gewünschten Wohnkanton finanziellen Segen bringt, für den macht man hierzulande gerne eine Ausnahme bei den ansonsten strengen Anforderungen für die «B-Bewilligungen».
Der entsprechende Paragraf steht seit 2008 im Ausländergesetz und ermöglicht es grundsätzlich allen Erdenbürgern, ihren Wohnsitz in die Schweiz zu verlegen. Nach fünf Jahren kann die B-Bewilligung in eine C-Bewilligung umgewandelt werden, die es den Besitzern erlaubt, dauerhaft in der Schweiz zu bleiben.
523 Ausländer haben bis Ende 2016 von dem Paragrafen Gebrauch gemacht und eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz erhalten, wie das SEM auf Anfrage der «Nordwestschweiz» bekannt gibt. Mit 165 erteilten Aufenthaltsbewilligungen führen die Russen die Liste an. Auf dem zweiten Platz folgen türkische Staatsangehörige, die insgesamt 36 Aufenthaltsbewilligungen erhielten. Auch 21 Amerikaner, 20 Kanadier, 17 Brasilianer, 16 Serben und 15 Ukrainer waren von «wichtigem öffentlichem Interesse».
23 Kantone haben bereits mindestens einmal von der Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht. Mit 200 erteilten Aufenthaltsbewilligungen steht das Tessin an erster Stelle, gefolgt von Genf (91), Zürich (41), Zug (33), dem Kanton Waadt (30), Obwalden (22) und dem Wallis (20). Der Kanton Aargau hat 4 entsprechende Bewilligungen ausgestellt, Basel-Stadt 11 und Baselland 5. Der Kanton Solothurn ist neben den beiden Appenzell der einzige Kanton, der keine Ausländer von «wichtigem öffentlichem Interesse» beheimatet.
Seit 2013 haben auch vier Staatsbürger von St. Kitts & Nevis eine Schweizer B-Bewilligung erhalten. Der Inselstaat geriet 2014 in die Schlagzeilen, weil Kanada den Besitzern des karibischen Passes den visafreien Zutritt verweigerte. Die Begründung der kanadischen Behörden: St. Kitts & Nevis verkaufe seine Staatszugehörigkeit auch an reiche Investoren, die in illegale Finanzgeschäfte verwickelt sind. St. Kitts & Nevis sprach damals von «Einzelfällen». Wer die St.-Kitts-&-Nevis-Bürger mit Schweizer Aufenthaltsbewilligung sind, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass das karibische Steuerparadies Mitte der 80er-Jahre eines der ersten Länder der Welt war, die in den käuflichen Pässen ein Geschäft erkannten und ihre Staatszugehörigkeit zum käuflichen Gut erklärten. Für 250'000 Dollar kann sich jeder den karibischen Pass kaufen – ohne den Inselstaat je besuchen zu müssen und ohne allzu genau durchleuchtet zu werden.
Die Schweiz ist bei weitem nicht der einzige Staat, der es reichen Ausländern einfach macht, sich im Land niederzulassen. Rund die Hälfte aller EU-Staaten und zahlreiche andere Länder haben sogenannte «Investment Migration Programs», mit denen sie guten Steuerzahlern vereinfachten Zugang zu Aufenthaltsbewilligungen verschaffen. Anders als in der Schweiz legen die meisten Länder mit entsprechenden Programmen ganz offiziell fest, was die «goldenen Visa» kosten. In Kanada muss man 800'000 kanadische Dollar investieren, in den USA 500'000 Dollar (in «riskante Projekte»), in Portugal muss man 350'000 Euro in Bauprojekte stecken, in Irland 500'000 Euro hinblättern und in Hongkong umgerechnet 1.3 Millionen Dollar bezahlen.
Neuerdings macht auch Italien mit beim einträglichen Geschäft mit den Aufenthaltsbewilligungen. Das Parlament hat im Dezember ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das im März in Kraft treten soll. Das Heimatrecht im Bel paese ist allerdings kein Schnäppchen. Wer sich als Nicht-EU-Bürger hier niederlassen will, muss zwei Millionen Euro in Staats- oder Unternehmensanleihen investieren, eine Million für ein der Öffentlichkeit dienliches Projekt zahlen oder ein Start-up mit einer Finanzspritze von 500'000 Euro unterstützen.
Dazu kommen die Gebühren, die spezialisierte Firmen wie Premiere Offshore, Henley & Partners, Arton Capital oder Elma Global für die Vermittlung verlangen. Letztere helfen vermögenden Kunden laut ihrer Homepage gerne auch bei den Verhandlungen mit den Schweizer Behörden. Ins Geschäft kommt man ab 50'000 Franken.
(aargauerzeitung.ch)