Euch passt euer Pass nicht mehr? Kein Problem! Mit dem nötigen Kleingeld und etwas Geduld könnt ihr euch relativ einfach einen anderen kaufen. Und zwar nicht bloss einen dieser Fake-Pässe, die im Darknet für 2000 Euro über den digitalen Tresen gehen oder die man in den Vorstadtquartieren Bangkoks für ein paar hundert Dollar bestellen kann. Sondern richtige, international anerkannte Staatszugehörigkeiten.
13 Nationen stehen derzeit auf der Liste jener Länder, deren Pässe man sich ganz offiziell kaufen kann. Neben exotischen Inselstaaten wie Vanuatu, Grenada, St. Kitts & Nevis, Antigua & Barbuda oder den Komoren haben auch die drei europäischen Staaten Österreich, Malta und Zypern das monetäre Potenzial des Pass-Handels erkannt.
Und das ist enorm. Auf über zehn Milliarden Dollar dürften sich die Umsätze der Pass-Verkäufe jährlich belaufen. Malta, das seinen Pass seit 2014 feilbietet, hat alleine in den ersten sechs Monaten seines Pass-Verkauf-Programms rund 330 Millionen Euro an Investitionen erhalten. (Wer Malteser werden will, muss 500'000 Euro in den Mittelmeerstaat investieren und darüber hinaus 650'000 Euro an eine Stiftung überweisen.)
Damit ist der maltesische Pass einer der teuersten auf dem Markt. Nicht ganz so teuer wie der Österreichische zwar (10 Millionen Euro an Investitionen oder 2 bis 4 Millionen an eine österreichische Stiftung), aber deutlich kostspieliger als jener der Dominikanischen Republik, den man schon für fast läppische 35'000 Dollar kaufen kann.
Sollten die derzeit laufenden Verhandlungen des Karibik-Staates mit Brüssel über den visafreien Zutritt zu allen EU-Staaten erfolgreich ausgehen, könnte der Preis auf 150'000 Dollar hochschnellen, sagt Christian Reeves von Premiere Offshore der «Nordwestschweiz». Reeves’ Arbeitgeber ist auf den Handel mit sogenannten «second passports» spezialisiert. «Ich schätze, dass jedes Jahr weltweit rund 14'000 Pässe verkauft werden», sagt Reeves. Tendenz steigend.
Sehr gefragt ist derzeit der Pass des Karibikstaates Dominica, den man schon für 140'000 Dollar kriegt. Der kambodschanische Pass ist mit 250'000 Dollar deutlich teurer. Dafür kann man sich einen kambodschanischen Namen aussuchen und in den Pass eintragen lassen. Reeves’ Geheimtipp ist aber der Pass des Inselstaates Santa Luzia. «Für 100'000 Franken kriegt man visafreien Zutritt zu 125 Staaten weltweit, darunter alle EU-Mitglieder», erklärt Reeves. Dazu komme, dass Santa Luzia erst seit kurzem auf dem Markt mitmische.
Staatszugehörigkeiten von Ländern wie St. Kitts & Nevis, das seit Mitte der 80er-Jahre mit Pässen handelt, haben jüngst an Attraktivität verloren. Nach einer Intervention von Kanada 2014 musste St. Kitts & Nevis alle zwischen 2012 und 2014 verkauften Pässe zurückbeordern und darin das Geburtsland der jeweiligen Passkäufer vermerken. Internationales Versteckis-Spielen ist mit dem St.-Kitts-&-Nevis-Pass seither nicht mehr uneingeschränkt möglich. Gefragter sind «second passport»-Neulinge.
Die Idee, mit Bürgerrechten zu handeln, ist uralt. Schon im Römischen Reich konnten sich vermögende Herren die Fürsprache einflussreicher Römer erkaufen und dadurch auf der Überholspur zum «civis romanus» werden. Damit erwarben sie sich das Recht, in der Volksversammlung mitzureden, die Toga zu tragen und von der Todesstrafe verschont zu bleiben – ausser bei Hochverrat. Und selbst dann war ihnen der verhältnismässig milde Tod durch das Schwert garantiert.
Die Todesstrafe ist weltweit auf dem Rückzug, die Toga komplett aus der Mode. Wer also kauft heute überhaupt noch fremde Pässe? Christian Reeves definiert drei Kundengruppen. Erstens: Reiche Nordamerikaner und Europäer, die einen Zweitpass wollen, um frei zu reisen (als US-Bürger ist man derzeit beispielsweise im Nahen Osten nicht gerne gesehen). Zweitens: Personen mit wirtschaftlichen Interessen, die eine Staatsbürgerschaft (zum Beispiel in einem EU-Staat wie Malta oder in einem Steuerparadies wie Vanuatu) aus finanzpolitischen Gründen anstreben. Und drittens: Menschen aus dem globalen Süden (etwa Pakistanis oder Iraker), die aufgrund ihrer Staatszugehörigkeit in ihrer globalen Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt sind.
Die meisten Personen, die Christian Reeves auf seinem Blog um Rat bitten, gehören zur dritten Gruppe. Der Iraker Mansour fragt, welchen Pass er kaufen müsse, um möglichst viele Orte auf der Welt bereisen zu können. Der Syrer Shihab Al-Atassi will wissen, wie lange die Verhandlungen der Dominikanischen Republik mit Brüssel über die visafreie Einreise in die EU-Staaten noch dauern. Die Türkin Ayca Balkir sucht nach einer passenden Lösung, «falls die Dinge in der Türkei schlimmer werden». Und der Marokkaner Oussama El Alaoui will wissen, welchen Pass er kaufen müsse, um problemlos nach Australien reisen zu können.
Ganz so einfach ist der Pass-Kauf aber auch für vermögende Kunden nicht. Das Herkunftsland ist in vielen Fällen entscheidend, ob man seinen Wunschpass kriegt oder nicht. «Für Iraner, Pakistanis, Iraker und Syrer ist es praktisch unmöglich, einen Pass zu kaufen – ausser sie haben längere Zeit in den Arabischen Emiraten gearbeitet», erklärt Reeves. Der Grund: Länder, die ihre Pässe verkaufen, lassen die Bewerber vorgängig einem Sicherheits-Check unterziehen. Dafür benötigen sie Strafregisterauszüge der kaufwilligen Kundschaft. Und die sind je nach Herkunftsland nur schwer zu kriegen oder kaum verlässlich.
Ganz so genau schauen manche Pass-Verkäufer dann aber doch nicht hin. «Deshalb schlage ich Kunden aus bestimmten Ländern grundsätzlich vor, sich für Santa Luzia oder Dominica, aber eher nicht für Malta zu bewerben», sagt Reeves. Dann könne es klappen mit dem Wunsch nach dem Traumpass. (aargauerzeitung.ch)
Dachte bei Santa Luzia: jesses, 125 ist aber noch recht viel :)