Nur wegen Corona sind sie überhaupt hier. Zmittag der Familie Kucinic auf 2630 Metern über Meer. Tochter Emili, 10, nimmt einen grossen Bissen vom Hotdog. Vater Miroslav und Mutter Anna-Maria schauen zufrieden vom Bettmerhorn ins Tal. Weil die Restaurants seit Sonntag wieder geschlossen sind, gibt es bei minus 8 Grad Hot-Dog statt Zmittag im Panoramarestaurant.
Die Kučinićs sind flexibel. Zwischen Weihnacht und Neujahr fahren sie normalerweise nach Kroatien und zum Skifahren traditionell nach Österreich. Doch die Pandemie verhinderte das. «Eigentlich wollten wir dann nach Sörenberg ausweichen», sagt Vater Miroslav, «aber weil im Kanton Luzern die Skigebiete zu sind, fuhren wir spontan hierher.»
Der Sonntag war der erste grosse Test der Skigebiete unter Corona-Bedingungen. Bilder von dicht gedrängten Gästen führen zu Diskussionen. Darf man bei schweizweit täglich 4000 Neuinfektionen und Spitälern an der Kapazitätsgrenze noch Skifahren? Unter den Gästen auf der Bettmeralp VS ist man sich einig: Ja, man darf.
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
«Wenn ich sehe, wie die Ärzte in meiner Bekanntschaft ebenfalls Skifahren gehen, erlaube ich mir das», sagt etwa Beno Meier, 39, aus Niedergösgen SO. Er sagt sogar: «Es ist angenehmer als ohne Corona», und meint damit, dass die Schneesportler rücksichtsvoller sind und weniger drängeln. Absperrbänder an den Eingängen der Lifte sorgen dafür, dass die Snowboarderinnen und Skifahrer in Zweierreihen anstehen.
Die Betreiber der Bergbahnen geben sich alle Mühe, ihr Schutzkonzept durchzuziehen. Unten an der Talstation sorgen Absperrgitter für Abstand. Gleich danach kommt die erste heikle Situation. Während der Fahrt in der Gondel von Betten Talstation hoch zur Bettmeralp wird es eng. Immerhin tragen alle Gäste Mund und Nase bedeckt.
Viele haben spezielle Antivirus-Skimasken, einige aber auch nur einen herkömmlichen Schal. Im Vergleich zu normalen Zeiten ist die Fahrt komfortabel. Statt der zugelassenen 117 Passagiere, dürfen nur 70 in die Kabine.
Was die Schneesportler nicht mitbekommen: Die Gondel wird mehrmals täglich mit Desinfektionsmittel vernebelt. Hierzu kommt eine spezieller Apparat zum Einsatz, der aussieht wie ein Laubbläser fürs Weltall. Valentin König, Direktor der «Aletsch-Arena», zu der auch die Fiescheralp und die Riederalp gehören, präsentiert den Desinfektionsvernebler nicht ohne Stolz. Er betont:
Spricht man Bergbahndirektor Valentin König auf den Appell namhafter Spitaldirektoren an, die wegen fehlenden Spitalkapazitäten vom Skifahren abraten, verweist er auf Äusserungen des lokalen Krankenhauses.
Auf Anfrage schreibt der ärztliche Direktor des Spitalzentrum Oberwallis, Reinhard Zenhäuser:
Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet das Spital 30 Prozent weniger Patienten aus dem Skigebiet. Zwischen dem 19. und dem 26. Dezember habe man im Spitalzentrum Oberwallis rund 120 Skiunfälle ambulant oder stationär behandelt. Wegen eines Milzrisses musste eine Person intensivmedizinisch überwacht werden.
Sergio Balestrieri ist oft der erste, der sich um Verletzte im Skigebiet kümmert. Der Rettungschef arbeitet seit 1988 auf der Piste. Er beobachte, dass die Zahl der Unfälle konstant sei. Die grössere Vorsicht, mit der Skifahrerinnen und Snowboarder laut eigenen Angaben während Corona unterwegs seien, habe darauf kaum Einfluss. Auf einem Zettel hat er die Unfallzahlen notiert. In der letzten Saison waren es 27 Unfälle, in dieser noch kurzen Saison bisher deren 20.
Die Reduktion der Patientinnen und Patienten im Spitalzentrum Oberwallis ist also eher auf weniger Gäste zurückzuführen. Sie entspricht nämlich genau dem Rückgang an verkauften Skipässe, die Direktor Valentin König verzeichnet: rund 30 Prozent.
Dass weniger Gäste gekommen seien, habe aber nicht allein mit Corona zu tun, sagt König. Auch weil Weihnachten spät in der Woche war, hätten weniger Touristen den Weg ins Wallis gefunden. Weggeblieben sei auch ein Teil der ausländischen Gäste, die hier rund 20 Prozent ausmachen. Vor allem Holländer und Deutsche gehören zu den Stammgästen. Für sie dürfte eine Quarantäne bei der Rückkehr das grösste Hindernis gewesen sein.
Eine Familie aus Grossbritannien hat sich bereits in eine speziell dafür vorgesehenen Wohnung im Tal begeben. Sie müssen in Quarantäne, weil sie nach dem Auftreten einer noch ansteckenderen Corona-Mutation in England in die Schweiz eingereist sind.
Die Kučinićs, die Hotdog-Familie vom Bettmerhorn, fühlt sich sicher. Sie würden unter sich bleiben und somit Kontakte vermeiden, beteuern sie. Auch auf der Piste sind sie vorsichtig. Vom Bettmerhorn fahren sie mit der Gondel wieder herunter. Sicher ist sicher.