Der Wert ist beeindruckend hoch: Mehr als 91 Prozent der über 20-jährigen Bevölkerung im Kanton Waadt hatte Ende Oktober Antikörper gegen das Coronavirus im Blut. Das hat eine Erhebung der Eidgenössischen Technischen Hochschule EPFL im Rahmen des Covid-19-Forschungsprogramms des Nationalfonds ergeben.
Die hohe Immunität im Kanton Waadt ist eine gute Nachricht und gleichzeitig ernüchternd. Vor einem Jahr hatte US-Staats-Epidemiologe Anthony Fauci gegenüber der «New York Times» gesagt, er denke, es bedürfe fast 90 Prozent Immunität in der Bevölkerung, um das Virus zu stoppen. Schon vorher hatten die Epidemiologen die angepeilte Herdenimmunität von 60, 70 Prozent nach oben korrigieren müssen.
Nun hat der Kanton Waadt also über 90 Prozent. Allerdings ohne die unter 20-Jährigen, wo das Virus zwar heftig kursiert, aber selten zu Spitaleinweisungen führt. EPFL-Studienautor Sebastian Maerkl gibt zu bedenken, dass nicht klar sei, wie stark die nachgewiesenen Antikörper bei den erwachsenen Personen gegen Krankheit schützen.
Doch wenn man die Spitaleinweisungen seit Oktober betrachtet, sticht der Kanton Waadt und neben ihm auch Wallis, Neuenburg und speziell das Tessin hervor: Sie haben nur die Hälfte oder sogar nur einen Drittel so viel Corona-Spitalpatienten verglichen mit den Deutschschweizer Kantonen.
Zur hohen Immunität in der Bevölkerung sind die Westschweizer Kantone und das Tessin gekommen, weil das Virus dort in den ersten Wellen stärker gewütet hat – und weil die Impfquote etwas höher ist als in der Deutschschweiz.
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
Ernüchternd ist der Befund aber, weil der über 90-prozentige Schutz der erwachsenen Bevölkerung nicht reicht, um unter der 5. Welle durchzutauchen. Noch Mitte November sagte der Waadtländer Kantonsarzt Karim Boubaker gegenüber der «Tribune de Genève»: «Es würde mich überraschen, wenn wir nun einen starken Anstieg der Fälle hätten.» Aber die Hospitalisationen nähmen schon zu, die Situation bleibe fragil. Nun ist auch das Waadtländer Spital CHUV in Lausanne voll mit Coronapatienten.
Medienverantwortliche Catherine Cossy sagt:
«Um dies bewältigen zu können, mussten wir fast die Hälfte aller weniger drängenden Operationen verschieben.» Das CHUV könne keine Deutschschweizer Patienten aufnehmen, man müsse selber Patienten in andere Westschweizer Spitäler verlegen.
Ein Grund dafür ist, dass Zentrums- und Universitätsspitäler wie das CHUV mit ihren hoch qualifizierten Intensivstationen die schwersten Fälle zugewiesen bekommen, die oft lange bleiben müssen. Es zeigt aber vor allem etwas anderes: Wenn nur schon zehn Prozent der Bevölkerung keine Antikörper im Blut haben, kann es bei einer heftigen Welle dazu kommen, dass selbst ein Spital in einem Kanton mit hoher Grundimmunität an den Anschlag kommt.
Bei 800'000 Einwohnern in der Waadt sind das mindestens 80'000 Personen ohne Schutz (unter 20-Jährige nicht beachtet). Laut der Corona-Taskforce müssen in der Schweiz in der laufenden Welle rund zwei Prozent aller Fälle in Spitalbehandlung – im Kanton Waadt sind dies also noch potenziell 1600 Personen. Es ist zu hoffen, dass sich diese Ungeimpften trotz Omikron nicht alle innert weniger Wochen anstecken.
1. Aussage im Titel "90% der Erwachsenen immun".
2. Aussage im Text; "90% der Erwachsenen haben Antikörper". Das ist nicht dasselbe.
3. Aussage: "Ja, aber die unter 20-Jährigen sind nicht berücksichtigt. Nunja, vielleicht gilt man erst ab 20 als erwachsen.
4. Aussage: ".... weil der über 90-prozentige Schutz ...".
Im Text selbst wird immerhin der Studienautor dahingehend zitiert, dass "Antikörper haben" mehr oder weniger nichts darüber aussagt, ob eine Person geschützt oder gar immun ist.