In der Schweiz rückt die traurige Marke von 10'000 Todesfällen im Zusammenhang mit Corona näher. Unser Land liegt damit im europäischen Mittel. Dank der Impfung sind die Todeszahlen stark gesunken.
Bruno Knellwolf / ch media
9577 laborbestätigte Todesfälle – das ist die aktuellste verfügbare Zahl. Es gibt Anzeichen, dass die fünfstellige Zahl doch nicht so schnell erreicht wird wie noch vor wenigen Wochen befürchtet – noch besser wäre gar nie.
Mut macht, dass mit der Durchimpfung der ältesten Menschen jene Gruppe geschützt wird, die weitaus am häufigsten an Corona stirbt. Die Phase der Übersterblichkeit ist vorbei, die Statistik zeigt gar eine Untersterblichkeit an. Das Bundesamt für Statistik (BfS) hat seit Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr zwei Phasen mit Übersterblichkeit erfasst.
Einerseits im Frühling 2020, andererseits in der zweiten Oktoberhälfte bis Ende Januar. In diesen 15 Wochen starben etwa 9000 Personen mehr als erwartet, davon 7000 im Zusammenhang mit Covid-19. Somit sei der Zusammenhang der Übersterblichkeit mit dem Coronavirus klar, zumal die Grippe diesen Winter kaum stattgefunden hat.
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Übersterblichkeit war nur 1918 noch höher
Diese zweite Phase der Übersterblichkeit war höher als in anderen Jahren, in denen eine solche zu verzeichnen war. Also in Jahren, in denen wie 2015 die Grippe gewütet hat oder ein Hitzesommer übermässig Opfer forderte.
Die höchste Übersterblichkeit in der Schweiz gab es während der Spanischen Grippe 1918, bei der während fünf Monaten zwischen 60 und 150 Prozent mehr Todesfälle verzeichnet wurden als erwartet. Auf dem zweiten Platz folgen gemäss dem Bundesamt für Statistik dann bereits die Monate November und Dezember des Jahres 2020 mit jeweils 30 Prozent mehr Todesfällen.
Über die ganze Pandemie betrachtet ist eine Inzidenz von 106 Coronatoten pro 100'000 Einwohner gemeldet worden. Damit befindet sich die Schweiz gemäss BAG in der oberen Hälfte der europäischen Länder. Die Inzidenz ist dabei tiefer als zum Beispiel in Belgien, Italien, Spanien, Frankreich und Schweden, aber höher als in Deutschland oder Österreich. Was die Sterblichkeit pro Infektionsfall betrifft, liegt die Schweiz mit 1,7 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt von 2,4 Prozent.
Ländervergleiche sind schwierig
Aussagekräftige Ländervergleiche sind schwierig, weil die Art der Registrierung der Todesfälle unterschiedlich ist. Von Russland weiss man zum Beispiel, dass die von der Regierung angegebene Zahl der Coronatoten viel zu tief liegt. Ein russischer Geschäftsmann in der Schweiz hat das letzthin ganz einfach erklärt: Wer in Russland einen Herzfehler hat und mit dem Coronavirus stirbt, wird als Herztoter aufgeführt.
Das BAG erfasst unabhängig von der Todesursache alle Personen, die mit einer laborbestätigten Sars-CoV-2- Infektion sterben als «Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19». Die Informationen zu den von den Ärztinnen und Ärzten in den Totenscheinen vermerkten Todesursachen liegen für das Jahr 2020 noch nicht vor.
Allerdings könnten auch Menschen zu Hause oder im Pflegeheim mit Covid-19 verstorben sein, ohne dass dies in einem Test bestätigt worden ist. Diese Todesfälle erscheinen somit nicht in der Statistik des BAG.
Vergleichbar ist die Zahl der Todesfälle mit Ländern wie Israel, das bei ähnlicher Bevölkerungszahl etwa 6100 Coronatote zählt. Schweden liegt dagegen deutlich höher als die Schweiz mit beinahe 14000 Toten.
Das mittlere Alter der Coronatoten: 85 Jahre
Wie überall auf der Welt sind auch in der Schweiz in erster Linie Menschen über 80 betroffen. Das durchschnittliche Alter der Corona-Toten betrug seit Beginn der Pandemie 85 Jahre. Mehr als 90 Prozent der Todesfälle waren älter als 70 Jahre. Bisher starben in der Schweiz fünf Personen unter 30. Betroffen sind zudem mehr Männer mit 54 Prozent als Frauen mit 46 Prozent. Während der ersten Welle war dieser Geschlechtsunterschied noch ausgeprägter.
Beinahe alle (97 Prozent) seit Beginn der Pandemie verstorbenen Menschen litten an mindestens einer Vorerkrankung. Am meisten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen (62%), Bluthochdruck (61%), Diabetes (27%), chronischen Atemwegserkrankungen (19%) und Krebs (14%).
Die Hälfte starb im Pflegeheim
Dem hohen Alter der Verstorbenen entsprechend, ereigneten sich die Hälfte aller Todesfälle in einem Alters- und Pflegeheim. Das war allerdings auch vor dem Auftreten von Covid-19 beinahe so, wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. 40 Prozent starben in einem Spital, davon lebte gemäss dem BAG «ein nicht abschätzbarer Teil vorher in einem Alters- und Pflegeheim».
Israel zeigt, dass die Todeszahlen zurückgehen dank der Impfung
Die Todesfälle in den Alters- und Pflegeheimen sollten nun aber deutlich zurückgehen, weil dort zuerst geimpft worden ist und die Impfwilligen inzwischen durchgeimpft sind. Die Daten aus Israel, wo die Impfkampagne am längsten und intensivsten läuft, bestätigen die Wirkung der Impfung. So stellt sich die Frage, ob, um die Zahl von 10'000 Todesfällen nicht zu erreichen, die Impfkampagne nicht aggressiver geführt werden müsste.
Eine Impfpflicht wäre die krasseste Forderung, um die Todesfälle zu stoppen. Dazu sagt die Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle von der Stiftung Dialog Ethik, eine Impfpflicht sei stets in ein Verhältnis zur Gefahr einer Pandemie zu setzen. «Bei Ebola sterben von 100 Infizierten 60, das ist ein völlig anderes Verhältnis als bei Covid-19 mit einer viel tieferen Sterblichkeitsrate.» Eine Impfpflicht ist in der Schweiz aber sowieso kein Thema.
Geimpfte ohne Todesgefahr wollen Grundrechte zurück
Die Impfungen werden die Todeszahlen generell senken und dazu führen, dass die Geimpften, die keine Gefahr mehr für andere darstellen, ihre Grundrechte zurück wollen. Ist der Impfstoff noch knapp, würden Privilegien gemäss Baumann-Hölzle eine doppelte Privilegierung bedeuten.
Zudem sei auch zu bedenken, dass damit einmal mehr die ältere Bevölkerung gegenüber den Jungen bevorteilt würde, was das Problem der Generationengerechtigkeit weiter verschärfen würde. Das könnte zu erhöhten gesellschaftlichen Spannungen führen. Doch die Ethikerin Baumann-Hölzle hält fest:
«Sobald man aber über genügend Impfstoff für alle verfügt, ist nicht mehr einsehbar, warum nicht jeder die Freiheit zur individuellen Abwägung haben können soll.»
Angesichts der Datenlage sei die Abwägung eines jungen Menschen mit einem geringen Risiko für eine Covid-19-Erkrankung eine völlig andere als diejenige eines alten Menschen.
Angstgetriebene Fehlschlüsse vermeiden
Eine Schlagzeile «10000 Tote in der Schweiz» löse Ängste aus. Was in diesem Zusammenhang fehle, sei die Auseinandersetzung mit unserer Endlichkeit. «Der Umgang mit der Covid-19-Epidemie ist derzeit stark von Angst gesteuert und damit sehr anfällig für Fehlentscheidungen», sagt Ruth Baumann-Hölzle. Fehlschlüsse sollten unbedingt vermieden werden. Auch, indem solche Zahlen stets in ein Verhältnis mit der Todesfallstatistik gesetzt werden.
So sterben zum Beispiel in der Schweiz pro Jahr etwa 70000 Menschen. Davon mehr als 2000 Personen an Krankenhauskeimen. Daraus den Schluss zu ziehen, nicht mehr ins Krankenhaus zu gehen, wäre nach der Ethikerin ein solcher Fehlschluss. Deshalb seien auch bei dieser Pandemie alle Fakten zuerst sorgfältig zu prüfen, damit anschliessend ethische Güterabwägungen gemacht und Fehlentscheidungen vermieden werden könnten. Es gelte abzuwägen, welche Massnahmen zur Verhinderung der Todesfälle im Verhältnis zu den Grundrechtsverletzungen verhältnismässig seien.
Der Bundesrat befürwortet eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Notübernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS. Er hat sich am Freitag mit dem entsprechenden Antrag des Büros des Nationalrats einverstanden erklärt. Das Parlament entscheidet nächste Woche, seine Zustimmung gilt als Formsache.