Wer sich regelmässig im Bundeshaus aufhält, der weiss: Die Reihen im Nationalratssaal sind normalerweise nicht besonders gut besetzt. Und diejenigen Ratsmitglieder, die sich an ihrem Platz befinden, hängen den Rednerinnen und Rednern dabei kaum an den Lippen. Die Ratsmitglieder arbeiten an ihren Laptops, beantworten Mails oder studieren Akten. Oder sie halten sich für Gespräche mit Medienschaffenden oder Lobbyisten ausserhalb des Ratssaals auf, etwa in der Wandelhalle oder im Café.
Hektik bricht dann aus, wenn eine Abstimmung bevorsteht: Per Erinnerungsalarm auf dem Handy und durch den Aufruf ihrer Fraktionschefinnen und -chefs werden die Ratsmitglieder auf die Abstimmung aufmerksam gemacht. Schnellen Schrittes eilen sie an ihre Plätze, um dort ihre Stimme abgeben zu können. Ein unentschuldigtes Fehlen wird nicht gern gesehen – schliesslich gibt es immer wieder knappe Entscheidungen.
Doch nicht für alle Nationalrätinnen und Nationalräte ist Abstimmen zwangsläufig mit einem Spurt in den Ratssaal verbunden. Seit einer Änderung des Parlamentsgesetzes vom Dezember 2020 kann man unter Umständen im eigenen Bett liegend an Abstimmungen teilnehmen. Seither nämlich dürfen Mitglieder des Nationalrats – nicht aber des Ständerats – von zu Hause aus abstimmen, wenn sie sich aufgrund einer behördlichen Anordnung in Isolation oder Quarantäne befinden. Als erste tat dies am 14. Dezember 2020, dem Tag des Inkrafttretens der Gesetzesänderung, die Waadtländerin Sophie Michaud Gigon (Grüne), die sich damals präventiv in Quarantäne befunden hatte.
Die Waadtländer Nationalrätin @smichaudgigon ist die erste Parlamentarierin der Schweizer Geschichte, die von zu Hause abstimmt. Sie befindet sich präventiv Quarantäne. Mehr zum digitalen Abstimmungsverfahren: https://t.co/TxuG1wIeYw pic.twitter.com/o2JNFS4rDz
— Parl CH (@ParlCH) December 14, 2020
Während der Frühlingssession im März wurde die Möglichkeit besonders rege genutzt: 23 Nationalrätinnen und Nationalräte befanden sich während der dreiwöchigen Session aufgrund einer Covid-Infektion teilweise in Isolation, wie die Parlamentsdienste auf Anfrage von CH Media schreiben. Das sind mehr als zehn Prozent der Ratsmitglieder.
Die Ratsmitglieder wurden für die Tage, die sie in Isolation verbrachten und «remote» – von zu Hause aus – an den Abstimmungen teilnahmen, mit dem üblichen Tagegeld von 440 Franken pro Sitzungstag entschädigt, wie die Parlamentsdienste bestätigen: «Die remote Stimmabgabe ist vergleichbar mit Homeoffice, die arbeitenden Ratsmitglieder erhalten also Taggelder», sagt Sprecherin Lucienne Vaudan.
Nicht ausgezahlt worden seien jedoch die Mahlzeitenentschädigung von 115 Franken und die Übernachtungsentschädigung von 180 Franken pro Sitzungstag sowie die distanzabhängige Spesenentschädigung für die Anreise. Mit der Aufhebung der Isolation per 1. April durch den Bundesrat fällt künftig auch die Möglichkeit der Stimmabgabe von zu Hause bis auf weiteres weg.
Die durchschnittliche Vergütung eines Parlamentsmitglieds beträgt in der Schweiz rund 150'000 Franken jährlich. Der Wert ist abhängig von der Funktion und der Anzahl Sitzungstage. Wie viel dieser Summe am Ende den National- und Ständerätinnen übrig bleibt, hängt von zahlreichen Faktoren ab: Etwa, ob Ratsmitglieder mit der Vergütung persönliche Mitarbeiter beschäftigen oder wie viel von den Spesen sie tatsächlich für Essen und Übernachtungen ausgeben. (aargauerzeitung.ch)
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