Wo er recht hat, hat er recht. In einem Tweet nennt Roger Köppel Christoph Blocher und sich selbst die «beiden bedeutendsten Denker der Gegenwart» der SVP.
Das ist eben das Grossartige an der SVP, dass ihre beiden bedeutendsten Denker der Gegenwart die Meinungsvielfalt pflegen und nicht im Einheitsbrei versumpfen. Es lebe die Diskussion! https://t.co/DxGOlzcT23
— Roger Köppel (@KoeppelRoger) July 1, 2023
Aber hat er denn auch wirklich recht? Oder will er mit seiner Selbsternennung einfach nur seine Parteikollegen diffamieren? Wir wissen es nicht. Ein Blick ins offizielle Ranking der Helvetischen Politdenker (HELP) sagt uns aber: Köppel liegt für einmal daneben. Er schafft es nur auf den vierten Platz. Aber beginnen wir bei Platz 5:
«Kenne deinen Feind», lautet das geflügelte Wort. Doch wenige setzen es derart listig um wie Jean-Luc Addor. 2017 liess sich der Fraktionsvorstand wegen eines Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm vom Bezirksgericht Sion verurteilen. Damit war die Saat gelegt. Ohne Aussichten auf Erfolg zog er das Urteil weiter. Zuerst ans Kantonsgericht, dann vor das Bundesgericht. Mit der Niederlage auf höchster nationaler Instanz war Addor am Ziel: dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Walliser Pfiffikus zog seine Verurteilung bis nach Strassburg weiter. Dort kann er nun die bösen fremden Richter aus nächster Nähe ausspionieren. Was für ein Move!
Von allen Parlamentariern verliert Roger Köppel die meisten Abstimmungen. Das sagt aber noch nichts über seine Denkleistung aus. Denn mehrheitsfähige Meinungen sind primär mehrheitsfähig – nicht zwingend schlauer. Köppels Cleverness äussert sich vielmehr in seiner Strategie, nicht noch weitere Niederlagen im Bundeshaus zu kassieren: Er geht einfach nicht mehr hin! Mit diesem Geniestreich schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Keine weiteren Blamagen, und zusätzlich gewinnt er damit die Goldmedaille im Schwänzen. Zu mehr als Platz 4 reicht es Köppel dann aber doch nicht – zu gross ist die parteiinterne Konkurrenz.
Einen ganz anderen Weg (nicht minder gerissen), weniger Niederlagen einstecken zu müssen, wählt Albert Rösti. Als SVP-Nationalrat und Lobbyist wurde «Ölbert» quasi genötigt, im Referendumskomitee der Klimaschutzinitiative Einsitz zu nehmen. Während Köppel den Rückwärtsgang einlegt, wählt Rösti die Flucht nach vorn. Er lässt sich zum Bundesrat wählen und wechselt gerade noch rechtzeitig ins Siegerlager. Ein cleverer Move, der Rösti noch viele Siege einbringen wird. So wäscht man eine ölbefleckte Weste rein.
Andres Glarner ist gelernter Lüftungsspengler. Heisse Luft ist sein Metier. Kein Wunder also, landete er in der Politik. Dort besetzt er die Stelle des Politrüpels und spielt auf der Position von Nigel de Jong als rücksichtsloser Umnieter. Selten positionierte sich in der Schweiz ein Politiker entsprechend seinem Talent besser. Auch das ist eine Denkleistung – vor allem, weil sie im Gegensatz zu all den Schöngeistern bei der SVP auch Früchte trägt. Damit verdient er sich den 2. Platz in der HELP-Top-5.
Tatsächlich ist die wichtigste SVP-Denkperson eine Blocher. Doch es ist nicht Christoph, dessen Auftritte zu sporadisch sind für die Top 5. Es ist Magdalena Martullo-Blocher. Ihrer schnellen Auffassungsgabe ist es zu verdanken, dass die Ems-Chemie ihre Russlandgeschäfte nicht verliert. Der simple, aber effektive Kniff: den Krieg gegen die Ukraine nicht Krieg, sondern Konflikt zu nennen und damit das Narrativ der russischen Invasoren zu übernehmen. Diese Anweisung wurde in der Ems an die MitarbeiterInnen per Mail verschickt. Das Beste daran: Materielle Kosten fallen dafür keine an. Alle anderen sind vernachlässigbar.
Na gut, er ist unterdessen halt schon ziemlich Vergangenheit