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Es ist ein 30-Grad-Tag in Locarno. Die Journalisten stinken. Das tun sie oft, ganz besonders die Filmjournalisten, sie sitzen lang mit trockenem Mund in den Kinosälen, danach stürzen sie einen Espresso runter, rauchen, ab in den nächsten Film, Espresso, Rauchen, dann zum Interview und Schwitzen. Kommt nie gut.
Wir treffen auf einen wohlriechenden Mann, der so blütenweiss knisternd daherkommt, dass gegen ihn sowieso jeder Journalist einem Schlammwurm gleicht. Oder einem andern monströsen Geschöpf aus den Filmen des Mannes, den man automatisch mit «Sir» anredet, obwohl er keiner ist. Roger Corman ist 90 und Herr über Hunderte von Filmen, die meisten davon Horror und Science Fiction. 59 hat er als Regisseur gedreht, 450 verantwortet er als Produzent. In seinem strengsten Jahr, 1957, drehte er neun Filme.
Herr Corman, in diesem Tempo arbeiten doch sonst nur Porno-Filmer? «Ja, das kann man so sagen. Mit leicht anderen Inhalten ...» Ganz leicht andern Inhalten. Jedenfalls sind Cormans Heldinnen oft leicht bekleidet. Oft auch gar nicht. Sie kreischen viel und werden von Monstern belästigt. Und: Seine fiesesten Kreaturen sind Katzen.
Ein typischer Corman-Dreh geht so: «1980 produzierte ich ‹Humanoids from the Deep›. Regie führte Barbara Peeters. Ich sagte zu ihr: Barbara, die Humanoiden kommen aus dem Meer, töten die Männer und vergewaltigen die Frauen. Sie sagte: Okay, Männer töten, Frauen vergewaltigen. Dann drehte sie die Tötungsszenen derart gewalttätig, dass nicht einmal ich sie mir anschauen konnte. Von den Vergewaltigungen sah man nichts, nur ein paar dunkle Schatten vor Felsen. Ich sagte: Barbara, das geht beides nicht, und wir drehten das Ganze etwas ausgewogener nach.»
Zu den Frauen, die er entdeckte, zählen Sandra Bullock und Pam Grier. Zu den Männern: Sylvester Stallone, Jack Nicholson, Robert De Niro, Dennis Hopper. Und – in der technischen Abteilung – Martin Scorsese, James Cameron und Francis F. Coppola. Er ist der Talentschmied von Hollywood. Ohne seine preiswert gemachten, in wenigen Tagen gedrehten Monster- und Science-Fiction-Filme gäbe es die teuren nicht: Spielberg schaute ihm alles ab, was er für «Jaws» brauchte, George Lucas liess sich von ihm für «Star Wars» inspirieren.
«Als ich ‹Jaws› gesehen hatte, wusste ich, okay, jetzt sind Billig-Horror-Filmer wie ich in Schwierigkeiten. Der Film hatte nicht nur ein viel grösseres Budget als wir, der Film war auch viel besser. Als dann wenig später ‹Star Wars› herauskam wusste ich: Jetzt sind wir am Ende.»
Fünfzehn amerikanische Präsidenten hat er in seinem langen Leben schon erlebt. Was hält er vom aktuellen Wahlkampf? «Ich bin für Hillary und ich bin überzeugt, dass sie gewinnen wird. Ich denke, die Wahlen sind so gut wie entschieden. Es gibt jetzt noch ein paar Monate lang ein grosses Geschrei, aber ich glaube fest, dass sie im Grunde schon gewonnen hat.» Und sonst? Sonst hoffen wir auf ein paar hilfreiche Corman-Monster.
Sein Geld machte er mit «Entertainment». Aber was ist das eigentlich? «Entertainment ist alles, was die Fantasie, die Vorstellungskraft der Zuschauer anregt und eine emotionale Reaktion erzeugt. Das kann eine reine Komödie sein, aber auch Action-Filme, Horror, Musik.»
Nur einmal hat er das Entertainment vergessen. Bei «The Intruder» mit William Shatner. «Da wollte ich unbedingt einen Film über Rassismus in den USA drehen und habe über der Botschaft alles andere vergessen. Das war dann auch der einzige meiner Filme, der keinen Gewinn machte. Gut, als er dann auf DVD herauskam schon. Und natürlich ist ‹The Intruder› objektiv gesehen mein bester Film.»
Wenn Corman sich nicht um den schnellen Effekt kümmerte, dann förderte er in Amerika das europäische Autorenkino und vertrieb die Filme von Ingmar Bergman, Alain Resnais oder François Truffaut. Und weil er selbst wie so ein gütiges, aber riesiges Monster mit hunderten von Ablegern in der amerikanischen Filmszene funktioniert, schaffte er es, auch das sperrige Kunstkino aus Europa in Amerika zu einem Erfolg zu machen.
Er selbst startete übrigens mit einem Geschäftsmodell, das dem heutigen Crowdfunding ähnlich ist. Würde er das jungen Filmemachern empfehlen? «Oh ja, Crowdfunding ist eine grossartige Idee für uns, allerdings kommen dabei oft schlechte Filme heraus. Selten aber auch einmal ein guter.»
Herr Corman, Sie sind nun schon ein halbes Jahrhundert mit ihrer Frau zusammen, hat sie manchmal Angst vor Ihren Abgründen? «Ich hoffe nicht, jedenfalls hat sie noch nichts gesagt.» Und mag sie Horrorfilme? «Kein bisschen!»