Im März berät das Parlament das neue Nachrichtendienstgesetz, das die Abhörmöglichkeiten des Nachrichtendienst des Bundes (NDB) massiv ausweiten würde. Waren diese bislang auf den öffentlichen Raum beschränkt, könnten die Geheimdienstler neu auch die Privatssphäre von verdächtigen Personen ausspionieren.
Dem NDB würden bisher der Polizei vorbehaltene Massnahmen offenstehen, darunter verdeckte Hausdurchsuchungen, Abhören von Telefonaten und Überwachung des Internetverkehrs. Sie müssten vom Bundesverwaltungsgericht sowie vom Sicherheitsausschuss des Bundesrates (Chef VBS, Chef EDA, Chefin EJPD) abgesegnet werden.
Über seine Methoden spricht ein Nachrichtendienst naturgemäss nicht gern, insofern stellt eine Gesetzesänderung eine Ausnahmesituation dar: Das zuständige Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) muss die erweiterten Kompetenzen des NDB rechtfertigen.
Es tut dies unter anderem mit vier Fallbeispielen auf seiner Website. Dort kann der interessiert-besorgte Bürger nachlesen, wen der Nachrichtendienst im Visier hat und was er im Fall einer Annahme des Gesetzes zu tun gedenkt.
Die Beispiele werfen allerdings auch Fragen auf, wie gross der Sicherheitsgewinn durch das neue Gesetz tatsächlich wäre. Bleibt zu hoffen, dass diese vom Parlament angesprochen und geklärt werden.
Der NDB erhält von einem ausländischen Partnerdienst den Hinweis, dass sich in einer Schweizer Sicherheitsbehörde ein Spion/Maulwurf eines fremden Nachrichtendienstes etabliert hat.
Das beschriebene Gefahrenszenario ist real, wie eine peinliche Affäre aus dem Jahr 2012 beweist. Damals kopierte ein Informatikmitarbeiter des NDB haufenweise geheime Daten auf Festplatten und wollte diese verkaufen. Der Nachrichtendienst bemerkte davon nichts und entging der Katastrophe nur dank eines aufmerksamen Mitarbeiters der UBS, wo der Datendieb ein Konto eröffnen wollte. Das Problem waren in diesem Fall nicht fehlende Abhörmöglichkeiten, sondern dilettantische interne Sicherheitsstandards.
Ein junger Mann ist aus einem Dschihadgebiet in die Schweiz zurückgekehrt. Es ist unklar, was er dort gemacht hat und was er nach seiner Rückkehr vorhat.
Das wohl stärkste Argument für das neue Nachrichtendienstgesetz. Die Angst in Europa vor den eigenen IS-Kämpfern ist gross, speziell nach den Anschlägen in Paris. Doch auch hier gibt es Fragezeichen: «Die Attentäter waren den Nachrichtendiensten ja schon bekannt. Man sollte die bestehenden Möglichkeiten, die sehr weit gehen, ausnutzen und nicht schon wieder auf Vorrat Neues fordern», sagte Rechtsanwalt Martin Steiger von der «Digitalen Gesellschaft» gegenüber Radio SRF.
Eine im Ausland verbotene politische Partei entschliesst sich zum bewaffneten Kampf gegen ihre Regierung im Ausland. Der NDB weiss, dass diese Partei auch in der Schweiz zahlreiche Mitglieder und eine funktionierende Kommandostruktur hat.
Die Formulierung zielt offenkundig auf Gruppen wie die kurdische Arbeiterpartei PKK oder die sri-lankische Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) ab. Diese haben in der Vergangenheit kriminelle Handlungen in der Schweiz begangen, die PKK vereinzelt auch Anschläge auf türkische Einrichtungen. Hauptsächlich wird die Schweiz allerdings zur Geldbeschaffung und Steuerung der Finanzströme genutzt, weshalb solche Organisationen kein Interesse daran haben, anderweitig Aufmerksamkeit zu erregen.
Der NDB erhält Kenntnis, dass eine als gewaltextremistisch bekannte Gruppe eine Demonstration plant und dazu aufruft. Bei der Demonstration könnte es zu Gewaltakten gegenüber Dritten kommen.
Gewalt in diesem Sinn geht in der Schweiz vor allem von linksextremen Gruppierungen wie dem Schwarzen Block und Hooligans aus. Was der NDB hier plant, bleibt allerdings unklar. Das Ausspionieren von Fussballfans und Andrea Stauffacher wie in den ersten drei Beispielen wäre auch im neuen Gesetz nicht möglich. Einzig eine Ausschreibung im automatisierten Polizeifahndungssystem wäre unter Auflagen denkbar.