Schweiz
Gesellschaft & Politik

Welcher Politiker gestärkt und welcher geschwächt aus der Krise geht

Politik und Pandemie: Wer gestärkt und wer geschwächt aus der Krise geht

Mit dem seit Samstag gültigen grossen Öffnungsschritt ist ein wichtiger Schritt aus der Krise getan. Wir blicken zurück: Welche Polit-Figuren konnten sich in dieser schweren Zeit behaupten und welche haben versagt?
27.06.2021, 05:55
Mehr «Schweiz»

Die Verlierer

Magdalena Martullo: Die Überdrehte

SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher darf im Nationalratssaal keine Gesichtsmaske tragen.
Bild: KEYSTONE

Sie hatte allen Grund dazu, als Gewinnerin hervorzugehen: SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Als frühe Coronawarnerin trug sie schon im März 2020 Masken. Doch Martullo überspannte ordentlich. Dass sie das Land im Winter mit einer Diktatur verglich, verärgerte sogar SVP-Regierungsräte.

Beat Walti: Der Orientierungslose

Beat Walti, FDP-ZH, diskutiert mit Daniela Schneeberger, FDP-BL, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 14. Juni 2021, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Bild: keystone

Eine Pandemie ist eine schwierige Zeit für eine freiheitsliebende Partei. Die FDP-Bundeshausfraktion unter Beat Walti geriet zeitweise ausser Tritt. Teile wollten der Covid-Taskforce einen Maulkorb verpassen. Unvergessen bleibt auch die voreilig-forsche Forderung nach einer «Impf-PUK», basierend auf Falschinfos.

Raynald Droz: Das Gesicht der Armee

Raynald Droz, Brigadier, Stabschef Kommando Operationen, VBS, aeussert sich zur Entwicklung der Covid-19 Pandemie am Dienstag, 29. Dezember 2020, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Bild: keystone

Er verkörperte die Armee in der Krise: Raynald Droz, dank smarter Medienauftritte bald im ganzen Land bekannt. Der Brigadier koordinierte die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach viel Lob und anfänglichen Reputationsgewinnen blieben vor allem Fragen: Sassen die Soldaten nur unbeschäftigt herum? Wurden viel zu viele aufgeboten? Schliesslich geriet die Armeeapotheke in die Kritik, Pannen bei der Maskenbeschaffung drangen ans Licht.

Casimir Platzer: Der Oberwirt

Casimir Platzer, Praesident GastroSuisse, spricht waehrend einer Medienkonferenz des Wirtschaftskomitees 'Nein zum CO2-Gesetz', am Dienstag, 20. April 2021 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Bild: keystone

Zuerst informierte der Bundesrat über die neuesten Massnahmen, danach trat Casimir Platzer, oberster Wirt des Landes, vor die Medien und äusserte seine Kritik: Das hatte Tradition. Zunächst wehrte er sich gegen Schliessungen, später forderte er raschere Öffnungen und wiederholte mantramässig: Es gebe keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass es in Restaurants zu mehr Ansteckungen komme. Oft waren seine Forderungen unrealistisch, selbst in der Branche war er umstritten.

Anne Lévy: Die Defensive

Anne Levy, Direktorin des BAG spricht an einem Point de Presse zur Covid 19 Pandemie, am Mittwoch, 24. Maerz 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Bild: keystone

Gewiss, Anne Lévy hat als Chefin des Bundesamts für Gesundheit im letzten Herbst einen schwierigen Job angetreten. Dass in einem Krisenamt nicht alles perfekt läuft - geschenkt. Die Frage ist aber, wie man mit Fehlern umgeht. Und da agierte Lévy nicht gerade offensiv. Politisch hat sie vor allem im «Terrassenstreit» mit den Kantonen versagt. Lange hat das BAG zugeschaut und ist dann mit voller Härte eingefahren. Dabei hat Lévy an Glaubwürdigkeit eingebüsst.

Balthasar Glättli: Der Mahner

Balthasar Glaettli, GP-ZH, spricht vor Nationalratspraesident Andreas Aebi, SVP-BE, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 15. Juni 2021 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/ ...
Bild: keystone

Den Grünen gelang es, sich in der Krise mit eigenen Themen zu profilieren. Doch die Partei tat sich leichter mit Schliessen als mit Lockern. Als der Bundesrat im April einen grossen Öffnungsschritt beschloss, tobte Parteichef Balthasar Glättli heftig. Die Regierung trage «zur Unsicherheit bei, welche die Menschen ermüdet», fand er und sprach von einem «unverantwortlichen Risiko». Zum letzten Öffnungsschritt äusserte sich Glättli nun diplomatischer: «Time will tell ...»

Silvia Steiner: Die Überrumpelte

Regierungspraesidentin Silvia Steiner informiert an einer Medienkonferenz ueber die aktuelle Lage und das weitere Vorgehen zur Eindaemmung der Corona-Pandemie im Kanton Zuerich, aufgenommen am Freitag ...
Bild: keystone

Ausgerechnet der Kanton Zürich, Wirtschaftsmotor der Schweiz, machte in der Krise eine schlechte Figur. Unvergessen der 8. Dezember, als die damalige Regierungspräsidentin Silvia Steiner zusammen mit ihren Kollegen Natalie Rickli und Mario Fehr neue Massnahmen gegen das Virus ankündigte, den «Zürcher Weg». Noch während der Medienkonferenz übersteuerte der Bundesrat die Zürcher. Sie ernteten Hohn und Spott. Selten wurde eine Kantonsregierung derart vorgeführt.

Die Gewinner

Pierre Alain Schnegg: Der Mann für mehr

Regierungspraesident Pierre Alain Schnegg spricht an einer Medienkonferenz zum Abstimmungsergebnis zur Kantonszugehoerigkeit der Stadt Moutier, am Sonntag, 27. Maerz 2021, in Loveresse. Die Stimmbevoe ...
Bild: keystone

Der Berner Gesundheitsdirektor war vor der Krise vor allem als Sozialhilfe-Hardliner bekannt. Nun gilt der SVP-Politiker als einer der fähigsten Gesundheitsdirektoren im Land. So war Schnegg der erste, der Grossveranstaltungen im letzten Herbst verbot und damit den Groll der Berner Sportklubs auf sich nahm. Auch logistisch überzeugte Bern. Seine Impfsoftware übernahm schliesslich auch der grosse, dynamische Kanton Zürich. Schnegg gilt mittlerweile als möglicher Bundesratsanwärter.

Alain Berset: Der Marathonläufer

Bundesrat Alain Berset spricht waehrend einer Medienkonferenz nach einem Treffen mit der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) zur aktuellen Situation der Coronavirus ...
Bild: keystone

Ja, manchmal hatten wir genug von unserem Gesundheitsminister. Von seinen Hüten (schwarz im Winter, beige im Sommer), seinem sorgfältig gepflegten Image, seinen gefühlt zweihundert öffentlichen Auftritten im Pandemiejahr, seinem pannenanfälligen BAG. Aber: Berset hat die Schweiz doch ganz gut durch die Krise geführt. Seine Popularitätswerte sind nie eingebrochen. Und jetzt sind wir gespannt, wie er diese Popularität politisch nutzen kann, etwa zur Reform der Altersvorsorge.

Monika Rüegger: Die Büezerheldin

SVP-Nationalraetin Monika Ruegger, OW, vom Referendumskomitee aeussert sich an einer Medienkonferenz zum Bundesgesetz ueber Ueberbrueckungsleistungen f�r aeltere Arbeitslose, am Donnerstag, 9. Juli 20 ...
Bild: keystone

Monika wer? Im düsteren, kalten Coronawinter landete die Obwaldner SVP-Nationalrätin Monika Rüegger einen Coup, der sie landesweit bekannt machte: Als Initiantin von «Beizen für Büezer» wollte sie Restaurants temporär in Kantinen umwandeln - für Bauarbeiter und Handwerker, die im Lockdown draussen arbeiten mussten. Innert weniger Tage unterschrieben 50000 Menschen Rüeggers Petition. Schliesslich liess das Bundesamt für Gesundheit die Büezer-Beizen zu.

Jacqueline Badran: Der Vermieterschreck

Jacqueline Badran, SP-ZH, spricht waehrend der Debatte um "mehr bezahlbare Wohnungen" im Nationalrat, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 12. Dezember 2018 in ...
Bild: KEYSTONE

Unentwegt setzte sich die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran dafür ein, dass zwangsgeschlossenen Läden die Mieten erlassen werden. Sie tat das lautstark und forsch, ratterte Zahlen und Argumente runter und schimpfte auf allen Kanälen über die «Immobilienhaie». Selbst bürgerliche Kleingewerbler bejubelten den «Rockstar der Linken» («NZZ am Sonntag») dafür und auch für ihren Einsatz für Härtefallgelder. Zürcher Restaurants tischen ihr unterdessen Gratiskaffee auf.

Martin Bühler: Der Bündner Testpionier

Martin Buehler, Amtsleiter, Amt fuer Militaer und Zivilschutz, Chef des Kantonalen Fuehrungsstabes, Kanton Graubuenden, spricht an einem Point de Presse mit Fachexperten des Bundes zur Corona-Pandemie ...
Bild: keystone

In der Krise war er der kreativste Beamte der Schweiz: Martin Bühler, Chef des Kantonalen Führungsstabs in Graubünden. Er lebte und symbolisierte Entschlossenheit, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. So setzte Bühler («Testen, testen, testen») früher als andere auf eine umfassende Teststrategie. Bald galten die Churer Konzepte in anderen Kantonen als wegweisend - und überzeugten mit etwas Verspätung auch den Bund. So geht Föderalismus.

Ueli Maurer: Der lustvolle Provokateur

Bundesrat Ueli Maurer, spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber die neusten Entscheide des Bundesrates zur Coronavirus-Pandemie, am Freitag, 4. Juni 2021, in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Bild: keystone

Er nervte sich über Angstmacherei, provozierte mit Corona-Grippe-Vergleichen und gab im Bundesrat all jenen eine Stimme, die mit «denen da oben» hadern: SVP-Altmeister Ueli Maurer. Immer aber verteidigte er die Kollegialität. Und er gleiste ein unbürokratisches Milliarden-Hilfspaket auf, das seinesgleichen sucht.

Martin Bäumle: Der Mann mit Messgerät

KORRIGIERT SCHREIBFEHLER - Martin Baeumle (GLP/ZH) aeussert sich zum Konsolidierungs- und Aufgabenueberpruefungsgesetz am Mittwoch, 6. Mai 2015, im Nationalrat in Bern. Der Nationalrat will ueber die  ...
Bild: KEYSTONE

Manche fanden ihn spleenig oder anstrengend. Er aber blieb sich treu: Der Zürcher GLP-Nationalrat Martin Bäumle brachte sein CO2-Messgerät mit ins Bundeshaus, um die Luftqualität zu prüfen. Während es andere eher locker nahmen, warnte er frühzeitig vor dem Ansteckungsrisiko durch Aerosole. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
«Bleiben Sie zuhause!»: Corona in der Schweiz in Zitaten
1 / 18
«Bleiben Sie zuhause!»: Corona in der Schweiz in Zitaten
Seit einem Jahr dominiert die Corona-Pandemie das öffentliche und private Leben in der Schweiz. Ein Rückblick in 14 Zitaten.
quelle: keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wie ist die Impfbereitschaft bei Jugendlichen? – Das sagen Lernende
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
30 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Fastadi
27.06.2021 08:42registriert September 2015
Ueli Maurer ein Gewinner?! Der Typ der erzählt hat, dass eine Impfdosis schon reichen würde und die Swiss Covid App zu kompliziert sei für ihn? Ernsthaft?!
9134
Melden
Zum Kommentar
avatar
Maria Cardinale Lopez
27.06.2021 08:59registriert August 2017
Den Armeechef zu kritisieren bezüglich der Auslastung des Armeepersonals ist gemein. Machen Sie ja in den WK's sonst auch nicht viel mehr. Daher ist die Kritik nicht berechtigt🤔☺️
544
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pafeld
27.06.2021 09:42registriert August 2014
Wenn Pierre Alain Schnegg jemals Bundesrat wird, notabene Innenminister, können wir gleich sämtliche Leute für die aktive Sterbehilfe zulassen, die auf Gelder aus Sozialwerken angewiesen sind. Wahrscheinlich würde Schnegg dies sogar noch zur Entlastung der Kassen unterstützen. Es wäre ein schwerer Fehler Schneggs Kaltblütigkeit mit Kompetenz zu verwechseln. Auf der anderen Seite wollte uns die SVP auch schon einen Verun-Treuhänder als Bundesrat unterjubeln.
231
Melden
Zum Kommentar
30
Streit um Herzchirurgie in St.Gallen: Jetzt ziehen die Krankenkassen vor Gericht
Die Pläne für Herzchirurgie am Kantonsspital St.Gallen stossen auf Widerstand. Die Krankenversicherer wollen sie verhindern, weil sie um um die Behandlungsqualität fürchten und vor steigenden Kosten warnen.

Die St.Galler Spitäler kommen nicht zur Ruhe. Nach der Massenentlassung von 440 Stellen im letzten Herbst ist nun ein Streit um der geplante Leistungsauftrag für Herzchirurgie am Kantonsspital entbrannt. Anfang März hatten die drei Kantone St.Gallen und beider Appenzell entschieden, bei der Spitalplanung zusammenzuspannen. Ihr Ziel: Sie wollen teure Doppelspurigkeiten vermeiden.

Zur Story