Jahrelang unterstützte der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga die Anliegen der Palästinenserinnen und Palästinenser. Er pflegte entsprechende Kontakte und reiste mehrmals in die Region, auch nach Gaza. Nach den Anschlägen der terroristischen Hamas in Israel am 7. Oktober wurde ihm vorgeworfen, sich zu wenig von der Organisation zu distanzieren. So schrieb Sommaruga kurz nach den Anschlägen auf X: «Ich verurteile den Raketenbeschuss Israels aus Gaza (...) Jedes zivile israelische oder palästinensische Opfer ist inakzeptabel.» Zum Massaker an über 1200 Jüdinnen und Juden äusserte er sich nicht.
Nun äussert sich der Genfer erstmals öffentlich dazu. In einem Interview mit der West-Schweizer Zeitung «Le Matin Dimanche» spricht Sommaruga, der auch Präsident der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Palästina ist, über seine persönlichen Verbindungen in die Nahost-Region sowie über seine Ablehnung eines Hamas-Verbots in der Schweiz.
Ein Verbot der Hamas in der Schweiz wäre in den Augen Sommarugas ein Fehler. Es würde den langfristigen Interessen des Landes schaden, so der Genfer.
Würde die Schweiz nun andere als von der Uno verbotene Organisationen verbieten, «öffnet man die Büchse der Pandora», sagte Sommaruga in dem Interview mit «Le Matin Dimanche». «Man liefert sich dem Druck von Ländern aus, die denselben Antrag stellen werden, zum Beispiel die Türkei für die PKK.»
Diese Woche war bekannt geworden, dass Aussenminister Ignazio Cassis anstrebt, die Hamas per Sondergesetz zu verbieten. «Leider verneigt sich Herr Cassis vor Israel, anstatt die langfristigen Interessen unseres Landes zu sehen», sagte der Genfer SP-Ständerat Sommaruga nun im Interview.
Die Hamas auf eine «einfache terroristische militärische Organisation» zu reduzieren, wäre ein strategischer Fehler, so Sommaruga. So sei etwa die südafrikanische ANC als terroristische Organisation betrachtet worden, bevor mit ihr über das Ende der Apartheid verhandelt wurde. «In einer Verhandlung müssen Sie alle Akteure einbeziehen», sagte er, zumal die Hamas «sehr stark» in der palästinensischen Gesellschaft integriert sei. Zwar könne man die Hamas insgesamt verurteilen, so Sommaruga, werde es aber um Frieden gehen, dann werde die Hamas ein «unumgänglicher Akteur» bleiben.
Sommaruga betonte zudem, dass die Schweiz heute Kontakte zu einer israelischen Regierung habe, «in der ein Mitglied den Einsatz der Atombombe zur Vernichtung der Palästinenser empfiehlt». «Ist das ein Grund, nicht mehr mit dieser Regierung zu sprechen? Nein», schloss er.
Sommaruga äusserte sich auch zu der Kritik an seiner Reaktion auf den 7. Oktober. Er sei an diesem Tag an einer Versammlung gewesen und habe die Nachrichten darum nicht verfolgt. Zwar sei seine Stellungnahme in den sozialen Medien tatsächlich «nicht angemessen» gewesen. Trotzdem meint Sommaruga: «Ich äusserte mich nicht weiter zu den Ereignissen im Nahen Osten, weil ich persönlich angegriffen wurde.» Dabei spricht der Genfer gar von einer gezielten Kampagne gegen seine Person: Das Ziel der proisraelischen Organisationen in der Schweiz sei es gewesen, «die zweite Runde einer schwierigen Wahl zu nutzen, um mich zu Fall zu bringen.»
(lak/sda)